Autogipfel gibt sich ein ganz großes „E“
Höhere Kaufprämie für E-Autos – Zumindest die politische Dramaturgie des Tages stimmte: Erst startete der VW-Konzern am Montag den Serienbau seines sogenannten „Volks-Elektroautos“ im sächsischen Zwickau. Am Abend beschlossen Regierung, Autobranche und Gewerkschaften einen Neustart in die elektrisch basierte Automobilität.
Eine Million und E-Mobilität. Da war doch mal was? Richtig – 2020 sollten auf den Straßen in Deutschland eine Million E-Autos unterwegs sein. Das hatte die Bundesregierung sich 2010 vorgenommen.
Sie wird dieses Ziel noch krachender als das beim Klimaschutz verfehlen: Bis Mitte 2019 sind hierzulande etwa 130.000 reine batterieelektrische Autos zugelassen worden. Dazu kann man mit viel gutem klimapolitischen Willen auch noch die gut 120.000 Plug-in-Hybride hinzurechnen. Von der Million wurde also vielleicht ein Viertel erreicht.
Vor dem heutigen „Autogipfel“ von Politik und Industrie in Berlin verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) per Videobotschaft wieder mal ein Millionen-Ziel: Bis 2030 will man nun in Deutschland eine Million Ladepunkte schaffen.
Mitte des Jahres gab es laut einer Statistik der Energiewirtschaft etwas mehr als 20.000 öffentliche Ladepunkte in Deutschland. Ob die Kanzlerin mit der Million nur diese öffentlichen meint oder ob sie auch die Ladepunkte zu Hause, bei der Firma oder an Supermärkten einrechnet – das ist nicht so richtig klar.
Milliarden-Kosten für neue Ladeinfrastruktur
Alle Ladepunkte berücksichtigend kommen andere Statistiken bundesweit schon auf mehr als 50.000 an knapp 18.000 Standorten.
Sicher, die Million bedeutet immer noch eine Verzwanzigfachung innerhalb eines Jahrzehnts. Und wenn man weiß, dass allein das Aufstellen einer durchschnittlichen Ladesäule mit zwei oder drei Ladepunkten um die 7.000 Euro kostet, kommen bei der angepeilten Million schnell einige Milliarden Euro an Investitionskosten zusammen, vom Ausbau der Stromnetze mal abgesehen.
Angesichts dessen beruhigte Angela Merkel gleich, man wolle auf dem abendlichen Gipfel auch über eine Beteiligung der Industrie bei den Ladepunkten sprechen. Der Bund jedenfalls werde in den nächsten Jahren 3,5 Milliarden Euro in den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur investieren, kündigte die Kanzlerin vorab beim Serienstart des VW-Elektromodells ID 3 in Zwickau an. Doch diese Förderung sei bis 2035 begrenzt, man wolle wirklich auch Druck machen, dass die Ladeinfrastruktur gebaut wird, so Merkel.
Über eine Beteiligung der Industrie an der Ladeinfrastruktur verlautete nach dem Treffen im Kanzleramt zunächst nichts. Geeinigt haben sollen sich Regierung und Hersteller dagegen auf eine höhere Kaufprämie für Elektroautos.
Kaufprämie nun auch für sehr teure E-Autos
Für rein elektrisch angetriebene Pkw, die weniger als 40.000 Euro kosten, soll der Zuschuss von bislang 4.000 auf 6.000 Euro steigen. Alle E-Autos, die mehr als 40.000 Euro kosten, sollen künftig mit 5.000 Euro gefördert werden. Bislang erhalten Käufer von Fahrzeugen, die teurer als 60.000 Euro sind, keinen Zuschuss.
Außerdem wird die Kaufprämie um fünf Jahre bis Ende 2025 verlängert. Bisher sollte sie im kommenden Jahr auslaufen.
An dem Treffen nahmen neben der Kanzlerin mehrere Minister und Länder-Ministerpräsidenten teil, zudem Vertreter des Branchenverbandes VDA und der Gewerkschaften sowie von einzelnen Autoherstellern und Zulieferern.
Ein Autogipfel in diesem bekannten Format ist nach Ansicht des Ökostrom-Unternehmens Lichtblick viel zu schmalspurig. Nötig wäre ein „Auto-, Energie- und Verbrauchergipfel“ gewesen, sagte Lichtblick-Geschäftsführer Gero Lücking gegenüber Klimareporter°.
Für Lücking ist der Aufbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur eine Sache der Energie- und nicht der Mineralölwirtschaft. „Wer jetzt Tankstellenbetreiber zur Errichtung von Ladesäulen verpflichten will, hat die Herausforderung nicht verstanden“, kritisiert er die Absicht der Regierung, bis Mitte 2020 zu prüfen, ob durch eine sogenannte Versorgungsauflage an allen Tankstellen in Deutschland auch Ladepunkte angeboten werden können.
Stattdessen müsse die Bundesregierung, so Lücking, einen fairen Markt für Netzbetreiber und Stromlieferanten schaffen und das Laden endlich aus der Nutzer- und Kundenperspektive denken.
„Das elektrische Laden muss so einfach werden wie das Tanken an der Tankstelle“, fordert der Ökostrom-Geschäftsführer. „Und die Preise für den Ladestrom dürfen die des Haushaltsstroms nicht überschreiten.“ Dazu brauche man – analog zum Wettbewerb im Strommarkt – einen Wettbewerb an den Ladesäulen.
Redaktioneller Hinweis: Lichtblick-Geschäftsführer Gero Lücking ist Kuratoriumsmitglied von Klimareporter°.
Quelle
Der Bericht wurde von
der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude) 2019 verfasst – der Artikel
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