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Beschädigung des guten Rufs

Eicke R. Weber sagt, die Kürzung der Solarförderung sei schlecht für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Seit der entsetzlichen Kernkraftkatastrophe von Fukushima vor fast genau einem Jahr hat Deutschland die Energiewende hin zur nachhaltig bereitgestellten Energie ernsthaft in Angriff genommen. Eine breite Palette von Technologien ist dazu erforderlich, von der Wärmedämmung der Gebäude bis hin zur Bereitstellung der Energiemengen aus regenerativen Quellen. Besondere Bedeutung wird dem Strom zukommen, der einen wachsenden Anteil des Energieverbrauchs abdecken muss. Wesentliche Säulen zur nachhaltigen Stromerzeugung werden die Sonne und der Wind sein. Sie ergänzen sich besonders gut. Kommentar von Eicke R. Weber

Irgendwann zwischen 2030 und 2050 sollten nahezu 100 Prozent unseres Strombedarfs aus regenerativen Quellen gedeckt werden. Dies ergibt für die Gewinnung des Sonnenstroms aus der Photovoltaik, dass wir von einer heute installierten Leistung von etwa 25.000 Megawatt, also 25 Gigawatt, auf etwa 200 Gigawatt kommen müssen, verbunden natürlich mit Netz- und Speicherausbau. Ein Zubau von fünf bis sieben Gigawatt jährlich würde dazu passen, wir würden das Ziel in 30 bis 40 Jahren erreichen.

Die Bundesnetzagentur selbst ging zusammen mit den Netzbetreibern im Oktober 2010 für die Jahre 2010 und 2011 von einem jährlichen Zubau von 9,5 Gigawatt aus, weit über den optimistischsten Erwartungen der Energiewissenschaftler. Ziel war wohl, eine möglichst hohe Einspeisevergütung für die Photovoltaik zu berechnen. Tatsächlich installiert wurden aber 2010 nur etwa sieben Gigawatt, 2011 dann 7,5 Gigawatt.

Im letzten Herbst wurde das erneuerbare Energien Gesetz (EEG) in einer sehr beispielhaften Zusammenarbeit zwischen Umweltministerium und Vertretern der Industrie novelliert. Noch im Januar dieses Jahres meldete das Umweltministerium, dass für dieses Frühjahr keine weitere Überarbeitung zu erwarten sei.

Vor wenigen Wochen aber überraschte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) mit der Erklärung, dass die Photovoltaik ja viel zu schnell wachse, wir sollten einen festen Deckel von einem Gigawatt auf den jährlichen Zubau setzen. Dann würde es 200 Jahre dauern, um die erforderlichen 200 GW zu installieren.

Umweltminister Norbert Röttgen hielt zunächst dagegen, musste dann aber Verhandlungen mit dem Wirtschaftsministerium aufnehmen. Bereits zwei Wochen später gab es einen Entwurf, der schon vom Kabinett absegnet wurde und am 9. März im Bundestag in erster Lesung beraten werden soll.

Einige Regelungen sollen bereits am 9. März, noch vor der Abstimmung im Bundestag, in Kraft treten. Neben drastischen Senkungen der Einspeisevergütung wird ein Ermächtigungsparagraph vorgeschlagen: Statt des Bundestages sollen Ministerialbeamte ermächtigt werden, auf dem Verordnungsweg das EEG nach Belieben zu verändern.

Warum dieses Hau-Ruck-Verfahren, das an die erste Aufkündigung der Energiewende im Herbst 2010 erinnert?

Die vier Prozent Strom aus der Photovoltaik sollten für die Stromkonzerne unkritisch sein. Zu bedenken ist aber, dass die vier Prozent Sonnenstrom genau dann eingespeist werden, wenn wir zur Mittagspitze besonders großen Strombedarf haben.

Dieser Strom war besonders teuer, er trug wesentlich zu den Profiten der Stromkonzerne bei. Die volkswirtschaftlich sehr wünschenswerte Senkung der Spitzenstrompreise durch den rasch anwachsenden Sonnenstrom ist daher den großen Stromkonzernen ein Dorn im Auge.

Wir erleben also eine unglaubliche Situation: Der Bundeswirtschaftsminister ist auf dem besten Wege, eine wichtige Zukunftsbranche in Deutschland zu gefährden, um das Absinken der Spitzenstrompreise für die ganze Wirtschaft zu stoppen.

Dazu kommt eine weitere, vielleicht noch langfristigere Konsequenz: Deutschland war bisher einer der stabilsten Wirtschaftsstandorte. Verlässlichkeit gehörte wesentlich dazu. Die Bundesregierung demonstriert jetzt der Welt, dass sie diese Verlässlichkeit über Bord wirft. Bestehende Verträge wurden bereits durch die Novelle gekündigt, Banken ziehen Kreditzusagen zurück. Wir laufen Gefahr, die Früchte des jahrelangen Aufbaus der Photovoltaik-Industrie nicht ernten zu können.

Investoren im Ausland könnten zu dem Schluss kommen, wenn unsere Regierung in einem Feld derart drastisch und unangekündigt ins Wirtschaftsgeschehen eingreift, könnte sie dies ja auch auf anderen Gebieten tun. Der Ruf des Wirtschaftsstandorts Deutschland könnte so nachhaltig beschädigt werden.

Quelle

Eicke R. Weber 2012Erstveröffentlichung Badische Zeitung 03.03.2012

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