Blackout des Monats: EEG-Umlage
Die EEG-Umlage könnte sich halbieren, wenn …
Die EEG-Umlage sinkt um gerade einmal 0,07 Cent/kWh. Gleich titelt Gabriel: „Der erstmalige Rückgang der EEG-Umlage zeigt, dass wir beim EEG die Kostendynamik der vergangenen Jahre erfolgreich durchbrochen haben“. Aber wen meint Gabriel mit „wir“, und warum haben wir nicht mehr erreicht? Von allen Seiten hagelt es Kritik, weil die Umlage noch niedriger sein könnte. Auch die Umweltorganisation energie neu denken wendet sich mit vielen Vorschlägen an den Energieminister, die zu einer spürbaren Umlagesenkung beitragen könnten. Eine Emailaktion wurde gestartet.
Neue Aktion zur EEG-Umlage: Verschachert & Verschoben
Am 15. Oktober 2014 wurde wie jedes Jahr die EEG-Umlage für das Folgejahr bekannt gegeben. Sie sinkt erstmalig, allerdings nur um 0,07 Cent/kWh. Gabriel titelt sofort „Anstieg der EEG-Umlage aufgehalten“. Dabei weiß er, dass diese Entwicklung nichts mit seiner Politik zu tun hat, sondern allein aus einer zu hoch angesetzten Liquiditätsreserve des vergangenen Jahr resultiert.
Studiert man die Prognose der EEG-Umlage 2015 oder die Kontodaten der Übertragungsnetzbetreiber über das Jahr 2014 und vergleicht sie mit den Vorjahren, sieht man eines der größten Probleme sogar noch wachsen. Die Einnahmen der Erneuerbaren Energien an der Strombörse sind weiter gesunken. Der Strom wird aufgrund der von Sigmar Gabriel 2010 eingeführten Ausgleichsmechanismusverordnung an der Börse geradezu verschachert. Die eigentlich niedrigen Kosten der Erneuerbaren Energien scheinen am Ende durch intransparente Verschiebungen fälschlicherweise hoch.
Eine Emailaktion „verschachert & verschoben“ fordert langfristigere Konzepte, eine gerechte Kostenverteilung und eine transparente EEG Umlage, die den wahren Preis der Erneuerbaren Energien widerspiegelt. Das wäre dann allerhöchstens die Hälfte der jetzigen 6,17 Cent/kWh, eigentlich sogar weniger als 3 Cent/kWh. Der Rest geht auf das Konto unnötiger und oft auch ungerechter Umverteilungseffekte.
Die Forderungen in Kürze:
EU-Emissionszertifikate verknappen
Der derzeitige EU-Emissionshandel verfehlt seine Wirkung. Bei einem Preis für CO2-Emissionszertifikate von rund 6 Euro pro Tonne werden keine Anreize für ernsthafte Einsparungen gesetzt. Schlimmer noch: Der Betrieb von Kohlekraftwerken rechnet sich, während sparsamere Gaskraftwerke aus dem Markt gedrängt werden. So kommen die flexiblen Partner für die Erneuerbaren Energien unter Druck. Zusätzlich lassen die fallenden Preise an der Strombörse die EEG-Umlage und damit die Strompreise der meisten Verbraucher steigen. Erhöhte CO2-Zertifikate würden den Klimaschutz vorantreiben und gleichzeitig zum Partner der Erneuerbaren Energien werden.
Die Anstrengungen des Europaparlaments zur Verknappung der Zertifikatemenge zeigen keine Wirkung. Das bloße Aufschieben der Versteigerung von Zertifikaten, das sog. Backloading, löst keine Probleme, sondern kann höchstens verzögernde Wirkung entfalten.
energie neu denken fordert:
Ab sofort eine Verringerung der Mengen der ausgegebenen Zertifikate, um einen Preiseffekt und die gewünschte Lenkungsfunktion zu erreichen.
Industrierabatte wirkungsvoll steuern
Die Auswirkungen der Neuregelungen der Industrierabatte sind marginal. Einerseits dürfte die Anzahl der Betriebe, die aufgrund ihrer Stromintensität privilegiert werden, nur sehr leicht sinken. Andererseits reduziert sich durch die EEG-Novelle die privilegierte Strommenge nur um knapp 10 Prozent.
Finanziell beläuft sich die Mehrbelastung für das produzierende Gewerbe auf etwa 100 Millionen Euro und somit einen Anteil von lediglich 0,5 Prozent an der Finanzierung der gesamten Umlage. Durchschnittlich zahlen alle sogenannten privilegierten Letztverbraucher nur knapp 0,19 ct/kWh EEG-Umlage, statt die von Haushalten, Dienstleistungsbetrieben und Gewerbe getragenen 6,24 ct/kWh (jetzt 6,17 Cent/kWh).
Kurz gesagt macht die Regelung alles komplizierter, intransparenter und eröffnet mehr Schlupflöcher. Es werden immer noch 5,1 Milliarden Euro von der energieintensiven Industrie auf Haushalte, Gewerbe, Handel, Dienstleistung und kleinere Betriebe abgewälzt.
Zudem zielt die Wirkung der Entlastungen in die falsche Richtung. Aktuell profitieren von den großzügigen Vergünstigungen auch Unternehmen wie Vattenfall, Wiesenhof, Nestlé oder zum Beispiel eine „Tierkörperbeseitigungsanstalt“. Klimaschutz und Ökologie werden dabei vollkommen übergangen. Die knapp einhundert privilegierten Unternehmen, die Schlachthäuser betreiben oder in der Fleischverarbeitung tätig sind, verzerren den inländischen Markt und benachteiligen somit kleinere, regionale Produzenten. Das Argument des internationalen Wettbewerbs greift nicht nur für Vattenfalls bestehende Braunkohletagebaue ins Leere.
energie neu denken fordert:
Die Industrierabatte an Kriterien knüpfen, die ökonomisch und ökologisch zielführend sind. Das Argument der internationalen Konkurrenz muss eingehalten werden, darf aber nicht gelten:
- wenn dadurch der inländische Markt verzerrt wird oder
- ökologisch unsinnige Technologien gefördert werden.
Kraftwerkseigenverbrauch ohne Marktverzerrungen
Alle Betreiber von Photovoltaik-Anlagen oder KWK-Anlagen ab einer Leistung von 10 kWp, die ihren selbst erzeugten Strom auch selbst an Ort und Stelle verbrauchen, sollen nach der EEG-Novelle seit 1. August 40 2014 Prozent der EEG-Umlage auf ihren Eigenverbrauch zahlen. Hier werden effiziente, ökologische und notwendige Techniken ausgebremst, während Betreiber großer Kohle-, Atom- oder Gaskraftwerke, für den in der Produktion genutzten Strom keinen einzigen Cent Umlage zahlen.
Würde man den hier angesprochenen sogenannten Kraftwerkseigenverbrauch mit der EEG-Umlage belegen, könnten nach Berechnungen des Energy Brainpool Einnahmen in Höhe von 2,4 Milliarden Euro erzielt werden, die die Umlage um etwa 10 Prozent sinken lassen würden.
energie neu denken fordert:
Sinnlosen Marktverzerrungen durch eine gerechte Angleichung der EEG-Umlage entgegenwirken. Gerade Kraftwerke mit hohen sekundären Nebenkosten müssen endlich an den gemeinsamen Kosten in Form der EEG-Umlage beteiligt werden.
Bestandsschutz sozial regeln
Durch das neue EEG werden zum ersten Mal auch Stromproduzenten zu Umlagezahlungen für ihren selbst verbrauchten Strom verpflichtet, die sogenannten Eigenversorger. Dabei sieht diese Regelung jedoch bedeutende Ausnahmen vor: Bestehende Anlagen genießen besonderen Schutz, sofern der Betreiber der Anlage mit dem Verbraucher des Stroms identisch ist und der Strom in unmittelbarer Nähe der Verbrauchsstelle erzeugt wird.
Handelt es sich allerdings um Anlagen, die bereits vor dem 1.9.2011 in Betrieb gegangen sind, gilt der Punkt mit der räumlichen Nähe nicht mehr. Industrielle Großverbraucher, die sich vor über drei Jahren Anteile an Kraftwerken gesichert haben, haben weiterhin die Möglichkeit, ohne Zuschläge diesen Strom an einem beliebigen Ort in das deutsche Stromnetz einzuspeisen und an einem anderen Ort zu verbrauchen. Das behindert das Netz, ist ineffizient und geht in der Regel mit hohen CO2-Emissionen einher. Eine Netzentlastung und eine klimapolitisch sinnvolle Steuerung sind nur durch eine Streichung dieser Bestandsprivilegien möglich.
energie neu denken fordert:
Bestandsprivilegien an Faktoren wie zum Beispiel Effizienz oder ausreichende Netzkapazitäten knüpfen. Wenigstens bei niedrigen oder negativen Preisen oder physikalischen Netzengpässen müssen diese Kraftwerke per Verordnung außer Betrieb genommen werden. Sonst trägt die Solidargemeinschaft dadurch unnötig steigenden Netzkosten über zusätzliche Redispatch-Maßnahmen.
Die dynamische EEG-Umlage einführen und den Markt den Erneuerbaren Energien angleichen
Damit die Kosten der Energiewende wirklich sinken und gerecht verteilt werden, benötigt Deutschland dringend ein neues Strommarktdesign für die Erneuerbaren Energien. Der meiste Stromhandel läuft derzeit auf lange Sicht am Terminmarkt. Die Erneuerbaren Energien werden kurzfristig angeboten. Zu diesem Zeitpunkt haben fast alle Verbraucher genug oder sogar zu viel Strom. Dadurch fallen die Preise und die Erneuerbaren Energien erwirtschaften extrem wenige Einnahmen. Dieser Systemfehler entsteht durch Ihre Ausgleichsmechanismusverordnung und muss dringend behoben werden.
Bis eine langfristig tragfähige Lösung entsteht, könnte zum Beispiel auch eine dynamische EEG-Umlage vorübergehend dringende Probleme lösen. Mit der dynamischen EEG-Umlage wird die derzeitige EEG-Umlage in konstanter Höhe durch eine Umlage in variabler Höhe ersetzt, die insbesondere abhängig ist von der Einspeisung der Erneuerbaren Energien, von der Tageszeit oder dem Wochentag. Die EEG-Umlage soll zu Zeiten mit teurem Börsenstrom hoch sein. Der Strom wird dann zusätzlich verteuert. Wenn der Strom an der Börse günstig ist, soll umgekehrt die EEG-Umlage deutlich sinken. Dies führt dazu, dass die als Zielgruppe definierten Großverbraucher vermehrt günstigen Börsenstrom nutzen, ihren Strombedarf zu teuren Zeiten reduzieren, Eigenkraftwerke abstellen und generell Strom einsparen.
Die dynamische EEG-Umlage könnte dadurch negativen Strompreisen entgegenwirken, Kraftwerke zur Eigenversorgung ins allgemeine Stromsystem einbinden und insgesamt den Wert der Erneuerbaren Energien steigern. Dies führt für alle zu zusätzlicher Versorgungssicherheit und einer Entlastung bei den Kosten der Netznutzungsentgelte.
Die Idee für dieses System hatte die Bundesnetzagentur. Ausgearbeitet und geprüft wurde es von der AGORA Energiewende
energie neu denken fordert:
Einführung der dynamischen EEG-Umlage, bis ein tragfähiges neues Strommarktdesign zugunsten der Erneuerbaren Energien implementiert wird.
Neue Aktion zur EEG-Umlage: Verschachert & Verschoben
Quelle
KLIMARETTER.INFO | Trudel Meier-Staude 2014
Die Umweltaktivistin Trudel Meier-Staude lebt in München und engagiert sich seit vielen Jahren für einen konzernunabhängigen Strommarkt
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