Bundesregierung schickt eigene Schiffsflotte ohne Abgastechnik auf See
Vorbildfunktion in Sachen Klimaschutz sieht anders aus.
Eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen an die Bundesregierung zeigt: Beinahe die gesamte Schiffsflotte des Bundes ist derzeit ohne Abgastechnik auf hoher See unterwegs. Von den 16 Schiffen, die in den vergangenen zehn Jahren geordert wurden, haben 15 weder Stickoxidkatalysatoren noch Dieselrußpartikelfilter an Bord. Mit ihrem extrem hohen Ausstoß an Luftschadstoffen tragen die Schiffe so massiv zur Belastung des Klimas und der Atemluft bei.
Die Kampagne „Rußfrei fürs Klima“, die bereits seit mehreren Jahren strengere Emissionsvorgaben für Marine, Polizei- und Forschungsschiffe fordert, hat auf ihrer Webseite die Antworten der Ministerien veröffentlicht. Zwar zeigen die Schreiben, dass inzwischen alle Schiffe mit vergleichsweise sauberem Treibstoff fahren. Doch auf wirkungsvolle und verfügbare Abgastechnik wurde bislang verzichtet. Besonders brisant sind dabei die Abgase jener Schiffe, die durch die hochsensiblen Gebiete der Arktis fahren. Dort tragen insbesondere die Rußemissionen von Schiffen massiv zur Klimaerwärmung und dem Abschmelzen der Gletscher bei.
„Die Bundesregierung fordert in ihrer kürzlich veröffentlichten Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie von allen Anderen den Einsatz von SCR-Katalysatoren und Dieselrußpartikelfiltern. Sie selbst hat aber gerade erst ihr Forschungsschiff ‚Sonne‘ auf Kiel gelegt, das keinen Dieselrußpartikelfilter haben wird. Dabei ist die Technik längst verfügbar und könnte unmittelbar zum Gesundheits- und Klimaschutz beitragen“, sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Auch bei zahlreichen weiteren bereits geplanten Neubauten gebe es keine verbindliche Zusage, auf moderne Abgastechnik zu setzen. Dabei, so Miller, sollten Neubauten grundsätzlich mit wirksamer Abgastechnik ausgestattet und die bestehende Flotte nachgerüstet werden.
„Es ist unfassbar, dass die Bundesregierung Schiffe, die den Klimawandel untersuchen sollen, ohne Abgastechnik in die Arktis schickt. Damit trägt sie bewusst zum Klimawandel bei, anstatt ihn zu bekämpfen“, ergänzte BUND-Geschäftsführer Olaf Bandt. Es müsse selbstverständlich sein, dass Schiffe die in der Verantwortung der Bundesregierung vom Stapel laufen, den neuesten und besten Umweltstandards entsprächen. Stattdessen setze sie auf Flüssiggas (LNG), einen weiteren fossilen Treibstoff, der nur unter bestimmten Bedingungen klimaschonender sei.
Die Antworten der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage seien, wie erwartet, enttäuschend ausgefallen, kommentierte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch: „Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung nicht nur bisher versäumt hat die eignen Schiffe zum Schutz des Klimas aber auch der Gesundheit der auf den Schiffen tätigen Crew und Wissenschaftlern mit wirksamer Abgastechnik auszurüsten, sondern vielmehr nicht erkennen lässt, dass dieser Missstand durch Nachrüstungen und durch Auflagen in der Neubeschaffung sofort behoben wird. Anstatt mit gutem Beispiel voranzugehen, erschreckt uns die Regierung auch im Jahr der Luft mit Tatenlosigkeit gegenüber des wichtigsten Umweltproblems Europas – der Luftreinhaltung.“
Michael Ziesak, Bundesvorsitzender des ökologischen Verkehrsclubs VCD fügte hinzu: „Für die gesundheits- und klimaschädlichen Emissionen hat sich die Bundesregierung kein Minderungsziel gesetzt, obwohl die Reduktion im Schiffsbereich schnell eine Entlastung bringen könnte.“ In ihren Antworten argumentiere die Bundesregierung vor allem mit aktuell geltenden Vorschriften. „Ambitionierter Klima- und Gesundheitsschutz sieht anders aus und sollte über die leider sehr laschen Vorgaben der International Maritime Organisation (IMO) hinausgehen“, so Ziesak.
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Hintergrund
Die Kampagnen „Rußfrei fürs Klima“ und „Clean Air“ begleiten das aktuelle, von EU-Umweltkommissar Janez Potočnik ausgerufene „Jahr der Luft“ kritisch. Beide Kampagnen werden von den deutschen Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Deutsche Umwelthilfe (DUH), Naturschutzbund (NABU) sowie Verkehrsclub Deutschland (VCD) getragen. Bereits seit 2009 engagieren sich die Partnerorganisationen für bessere Luftqualität in Deutschland und Europa.
Vor allem die negativen Auswirkungen auf Umwelt, Klima und Gesundheit durch Luftschadstoffe wie Dieselruß, Stickoxide, Schwefeldioxid und Ammoniak sollen ins Bewusstsein von Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit gebracht und Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung eingefordert werden.
Quelle
NABU 2013