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Chinesen, Amerikaner und künftige Generationen

Warum meine Tochter anscheinend mehr Ahnung hat von internationaler Klimapolitik als ich: Oh Gott, bin ich alt! Dachte ich heute Morgen, da mir einfiel, wie unsäglich lange ich mich schon mit Klimaschutz beschäftige. Als ich in der Zeitung die Worte Durban und Klima las, fiel mir ein, ich war doch tatsächlich bereits im Jahre 1995 in Berlin bei einem Klimagipfel. 1995! Das war vor 16 Jahren und extrem spannend mit den ganzen internationalen Delegationen. Kolumne von Martin Unfried

Damals lebte die künftige Generation noch gar nicht, von der wir immer sprachen und deren Lebensgrundlage es zu schützen galt. Heute wohnt diese als pubertierende Vegetarier und Biobaumwollfreunde in meinem Haus.

Meine Tochter hat in dieser Woche ein Referat zum Thema gehalten. Wie selbstverständlich geht sie davon aus, dass wir den Klimawandel nicht mehr aufhalten können. Sie hat einfach nachgelesen, dass auf internationalen Konferenzen nicht genug rauskomme und hat mir erzählt, dass Länder wie die USA und China sowieso nicht bereit seien, sich auf konkrete Ziele einzulassen.

Ich war ein bisschen geschockt, nuschelte aber kleinlaut, das könne man so sagen. Meine Tochter wusste auch, was das echte Problem sei: Staaten mit billiger Kohle hätten wenig Interesse, diese im Boden liegen zu lassen. Okay, auch da sei was dran, murmelte ich defensiv. Meine Tochter wies dann noch auf das unveränderte, weltweite Wachstumsmodell hin.

Ich muss bekennen, meine Tochter schätzt die Lage etwas realistischer ein, als ich das lange Zeit getan habe. Ich dachte die ganzen Jahre nach 1995, da könnte doch international ein Durchbruch gelingen. 1995 beispielsweise sprachen viele vom großen Verhandlungserfolg.

Angela Merkel, damals deutsche Umweltministerin, wurde für ihre intelligente Verhandlungsführung gelobt, und für ein „Berliner Mandat“ als wichtigen Schritt in Richtung Kyoto. Heute wissen wir: Ein kleiner Schritt für Merkel, aber ein großer Witz für die Menschheit.

Meine Tochter analysierte trocken: das Kyoto-Protokoll mit seinen lauwarmen Verpflichtungen für lediglich 37 Staaten war natürlich nicht genug. Die repräsentieren lediglich 30% der weltweiten Emissionen. China und die USA dagegen 45%. So findet meine Tochter es nicht weiter erstaunlich, dass die weltweiten Emissionen heftig gestiegen sind, seit ich damals in Berlin war. Exorbitant gestiegen. Seit 2002 habe China die Emissionen verdoppelt.

Und auch bei den Europäern habe sich eines nicht grundsätzlich geändert: „Wir emittieren immer noch pro Kopf fast das 10fache dessen, was klimaverträglich ist“, meinte meine Tochter kühl.

Da konterte ich aber mit den tollen Zielen der EU in Sachen „low carbon economy“: 80-90% weniger Emissionen bis 2050! Das werde dann echt so eine Art Nirvana der Erneuerbaren Energien! Meine Tochter lächelte mitleidig, war aber nicht wirklich überzeugt.

Eigentlich schlimm, denn es ist ihre Zukunft. Im Jahr 2050 wird sie 52 sein, ich wahrscheinlich nicht mehr Rennrad fahren. Idiotischer Weise bleibe ich ein verbissen optimistischer Vater. Ich sagte, aus Durban höre man gerade, dass die Chinesen sich doch bewegen würden. Ja, die hätten doch zum ersten Mal in Aussicht gestellt, ab 2020 vielleicht, womöglich, eventuell, unter Umständen, CO2-Ziele zu akzeptieren!

Und dann, fügte ich verzweifelt hinzu, müssten sich die Amerikaner doch auch bewegen! Gut. Meine Tochter weiß jetzt zumindest, dass ich von internationaler Klimapolitik keine Ahnung habe.

Quelle

Martin Unfried 2011Ökosex 2011

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