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Das dicke Geschäft mit dem Zucker

Es fällt schwer, sich den süßen Versuchungen zu entziehen. Macht Zucker süchtig?

Es fällt schwer, sich den süßen Versuchungen zu entziehen. Was nicht zuletzt an diesem einen Stoff iegt, dem wir fast alle verfallen sind und über den Wissenschaftler streiten, ob er tatsächlich süchtig macht: Zucker. Warum, fragt man sich, muss einen ausgerechnet diese, für viele Leckereien scheinbar unverzichtbare Zutat, dick werden und die Zähne faulen lassen? Hätte die Natur das nicht anders einrichten können?

Nun, eigentlich hat sie das. Wir müssen die Alternative nur nutzen: Stevia. Der Extrakt dieser Wunderpflanze aus Südamerika, Steviosid, ist 300 Mal süßer als Zucker, völlig frei von Kalorien und angeblich sogar gut für die Zähne; er hemmt die Bildung von Zahnbelag. Umso erstaunlicher, dass wir Europäer die Pflanze bislang links liegen ließen. Schließlich wurde das „Süßkraut“ schon vor über 100 Jahren von einem Schweizer Botaniker entdeckt. Die Ureinwohner Paraguays essen es seit Jahrhunderten. Und auch in Japan wird es seit zig Jahren zum Süßen verwendet: vom Tee über Naschwerk bis zur Zahnpasta. Die EU-Kommission aber konnte sich erst jetzt, im November 2011 dazu durchringen, Steviosid in Lebensmitteln und Getränken zuzulassen.

Nun ist Vorsicht bei der Zulassung neuer Lebensmittel-Zusätze prinzipiell begrüßenswert. Das sollte für einen pflanzlichen Süßstoff genauso gelten wie zum Beispiel für Konservierungsstoffe. Schaut man allerdings genau hin, woher die Zweifel an Stevia rührten, schüttelt man den Kopf: Anfang der 80er Jahre hatten Studien in den USA an Mäusen, Ratten und Hamstern dem Steviosid-Abbauprodukt Steviol eine leicht krebserregende Wirkung zugeschrieben, auch die männliche Fruchtbarkeit sollte es beeinträchtigen. Allerdings finanzierte diese Studien zum Teil die chemische Lebensmittelindustrie, die viel Geld mit anderen, künstlichen Zuckerersatzstoffen verdient. Und mit den Studiendaten wurde offenbar in einer Weise umgegangen, dass selbst Wasser sich als krebserregend herausgestellt hätte. Auch die Fruchtbarkeitsstörungen traten erst bei absurd hohen Dosierungen auf, wie der Agrarforscher Ralf Pude von der Universität Bonn anmerkt: „Ein Erwachsener müsste täglich mehr als die Hälfte seines Körpergewichts an frischen Steviabättern zu sich nehmen, um auf vergleichbare Konzentrationen zu kommen.“

Ein Deutscher verzehrt im Schnitt rund 130 Gramm Zucker pro Tag. Dem entsprechen gut 0,4 Gramm Steviosid. Eine vollkommen vertretbare Menge, wie nun auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit bestätigt hat. Zumal sich in Südamerika und Japan bis heute keinerlei Zusammenhang mit entsprechenden Gesundheitsschäden zeigen. Und im Übrigen: Auch etablierte künstliche Süßstoffe wie Aspartam und Saccharin sind bedenklich. Es gab also keinen triftigen Grund, Stevia zu blockieren. Aber eine massive Lobby, die dicke Geschäfte mit dem Zucker macht.

Unsere Titelgeschichte zeigt, warum Zucker bis heute unsere Ernährung derart dominiert und dass es höchste Zeit ist, sich von ihm zu verabschieden.

Quelle

natur+kosmos | Jan Berndorff 2011

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