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© Fotolia.com | HartmutRauhut | Trotz jahrzehntelanger Warnungen aus der Wissenschaft entlassen die Schornsteine noch immer klimaschädliche Emissionen im großen Stil.

Datteln 4 löst international Kritik: „Deutschland muss besser sein als das“

Das umstrittene Steinkohlekraftwerk Datteln 4 nimmt heute seinen regulären Betrieb auf. Nicht nur hierzulande, auch international stößt die Inbetriebnahme eines neuen Kohlekraftwerks im Jahr 2020 auf Unverständnis.

In den vergangenen Wochen stieg aus den Kühltürmen von Datteln 4 schon Dampf auf. Das umstrittene Steinkohlekraftwerk bei Recklinghausen hat bereits viel Strom produziert und ins Netz eingespeist, obwohl es noch im Testbetrieb lief. Den regulären Betrieb will der Betreiber Uniper am morgigen Samstag aufnehmen.

In Nordrhein-Westfalen, wo das Steinkohlekraftwerk steht, finden das viele falsch. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Umweltorganisation BUND hervor. Demnach lehnen 63 Prozent der Menschen in dem Bundesland die Inbetriebnahme ab. Nur 25 Prozent sind dafür.

Klimaaktivist:innen von Ende Gelände und Fridays for Future protestierten am Freitagvormittag vor der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen in Berlin gegen den Start des Kraftwerks. Auch morgen will ein breites Bündnis aus Umweltorganisationen und anderen Gruppen vor dem Kraftwerk demonstrieren.

Dass der Eigentümer Uniper auch im Jahr 2020 noch daran festhält, ein neues Kohlekraftwerk ans Netz zu nehmen, sei grob unverantwortlich, findet Jan Kowalzig von der Entwicklungsorganisation Oxfam. „Die Inbetriebnahme von Datteln 4 findet statt, während in den ärmeren Ländern der Klimawandel Armut, Hunger und Ungerechtigkeit weiter verschärft und zunehmend die Lebensgrundlagen der Menschen zerstört“, so Kowalzig.

„Überschwemmungen und Heuschreckenschwärme bedrohen die Ernten in Ostafrika, gerade erst haben die Zyklone Amphan und Harold schwere Verwüstungen in Bangladesch, Indien und mehreren pazifischen Inselsaaten angerichtet“, erinnert der Klimaexperte.

Klimapolitischer Affront

Das Kraftwerk, dessen Effizienz die Ingenieure der Branche beständig loben, wird zu höheren Emissionen führen, auch wenn – wie versprochen – im Gegenzug alte Kraftwerke eingemottet werden. Die Bundesregierung rechnet laut einem Bericht der Tageszeitung Taz über die gesamte Laufzeit mit zusätzlichen zehn Millionen COdurch Datteln 4, denn das Kraftwerk wird mehr Volllaststunden haben als ein altes.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin hat sogar Mehremissionen von 40 Millionen Tonnen CO2 errechnet, weil Datteln Gaskraftwerke aus dem Markt drängen wird, die geringere Emissionen haben.

Zwar plant das Bundeswirtschaftsministerium laut Taz, die Mehremissionen von Datteln 4 durch weitere Stilllegungen auszugleichen, aber schon jetzt ist die Inbetriebnahme ein klimapolitischer Affront, der auch im Ausland Unmut hervorruft.

„Dass Deutschland ein neues Kohlekraftwerk ans Netz nimmt, lässt darauf schließen, dass sogar bei den ‚Klimavorreitern‘ die Energiewende nicht gradlinig verläuft oder nicht gut geplant ist“, sagt Kanika Chawla, Expertin für Energiefinanzierung beim indischen Thinktank Council for Environment, Energy and Water (CEEW). Das offenbare die Scheinheiligkeit der entwickelten Welt, wenn von Indien verlangt werde, seine Abhängigkeit von der Kohleverstromung zu reduzieren.

Indien deckt seinen Strombedarf zu zwei Dritteln mit Kohle, 2030 sollen es immer noch 50 Prozent sein. Entwicklungs- und Schwellenländer argumentieren auf internationalen Klimakonferenzen stets, dass die Industriestaaten historisch bereits viele Emissionen verursacht haben. Deshalb und wegen ihres technologischen Vorsprungs müssten sie Verantwortung übernehmen und bei den Emissionsminderungen vorangehen.

Verwunderung in Afrika

Aus dieser Sicht ist es unverständlich, wenn ein solches Industrieland wenige Jahrzehnte vor der beschlossenen weltweiten Klimaneutralität jetzt ein neues Kohlekraftwerk in Betrieb nimmt.

Auch Deutschlands internationalem Image schadet das Datteln-Projekt. Eigentlich gilt Deutschland international in der Energiewende und in der Klimapolitik als progressiv – doch das neue Steinkohlekraftwerk stößt alte Verbündete vor den Kopf.

„In einer Welt mit Klimabremsern an der Spitze der USA, Russlands, Brasiliens und großer Ölstaaten am Golf brauchen wir zur Bekämpfung der Klimakrise eine progressive Allianz“, sagt Mohamed Adow, Direktor des Thinktanks Power Shift Africa in Nairobi.

Afrikaner:innen hätten Deutschland oft als Verbündeten und Klimavorreiter wahrgenommen, aber jetzt sähen sie, wie das Land ein neues Kohlekraftwerk eröffnet, während alle über den Ausstieg aus den fossilen Energien reden.

„Während Afrika ans Herz gelegt wird, das Potenzial der erneuerbaren Energien auszuschöpfen, baut Deutschland ein Kraftwerk für den schädlichsten aller fossilen Energieträger“, sagt Adow. „Deutschland muss besser sein als das.“

Quelle

Der Bericht wurde von
der Redaktion „klimareporter.de“ (Sandra Kirchner)
2020
 verfasst – der Artikel darf nicht ohne
Genehmigung (post@klimareporter.de)
weiterverbreitet werden! 

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