Der 52-Gigawatt-Deckel für Photovoltaik fällt – Einigung bei Windkraft erreicht
Die schwarz-rote Koalition einigt sich auf neue Abstandsregeln für die Windenergie an Land. In der Folge kann endlich auch der 52 Gigawatt-Deckel für die Photovoltaik aus dem EEG gestrichen werden.
Nach langen Verhandlungen hat sich die Bundesregierung auf eine Regelung für Mindestabstände von Windrädern an Land zur Wohnbebauung geeinigt. Das haben die Vize-Fraktionschefs Carsten Linnemann (CDU) und Matthias Miersch (SPD) gegenüber der dpa bestätigt. Damit ist der Weg frei für die Aufhebung des 52-Gigawatt-Deckels für die Photovoltaik im EEG. Denn mit der Einigung kann nun ein Klimaschutzpaket Gesetz werden, das die Beschränkung des Photovoltaik-Ausbaus unter dem EEG auf 52 Gigawatt aufhebt. Ein solches Limit war mit der EEG-Novelle 2011 beschlossen worden. Es sieht ein Ende der Förderung für alle Photovoltaik-Anlagen bis 750 Kilowatt beim Erreichen der Marke vor.
Beim gegenwärtigen Zubau wäre die 52-Gigawatt-Schwelle wohl spätestens im Herbst erreicht worden. Sie hatte die Stimmung der deutschen Solarindustrie zuletzt erheblich gedrückt. Dem Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) zufolge hatte sich der Geschäftserwartungsindex zwischen Januar und April dieses Jahres halbiert.
Die Reaktionen
Der BSW-Solar begrüßt die Meldungen zum Ende des Solardeckels. „Wir hoffen, dass dies tatsächlich die lang ersehnte Rettung ist. Jetzt dürfen wir keine Zeit mehr verlieren. Bereits in der kommenden Woche muss die Einigung Gesetzeskraft erlangen, damit der Solardeckel gerade noch rechtzeitig fällt,“ erklärt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Verbands.
Nach Berechnungen des BSW-Solar könnte die bei einer installierten Photovoltaik-Leistung in Höhe von 52 Gigawatt greifende Förderbeschränkung andernfalls bereits im Juli 2020 erreicht werden. Bei einem Ausbleiben der Entdeckelung würde sich der Solarmarkt in Deutschland nach Einschätzung des Verbandes mehr als halbieren. Schon eine vorübergehende Förderunterbrechung würde massive Schäden in der Solarwirtschaft anrichten. Nach einer Repräsentativbefragung im Februar hatten sich drei Viertel der Bürger für eine Fortsetzung der Solarförderung ausgesprochen, um die Umsetzung der Klimaziele nicht zu gefährden.
Die Grünen hatten mehrfach Vorstöße mit eigenen EEG-Änderungsentwürfen zur Streichung des 52-Gigawatt-Deckels unternommen, scheiterten jedoch immer an der Ablehung durch die Regierungsfraktionen. „Es ist unglaublich, wie lang die große Koalition für diese dürren Sätze gebraucht hat. Viele Fragen bleiben nach wie vor offen“, kommentierte die energiepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Julia Verlinden. Ganz traut sie wohl den Worten von CDU, CSU und SPD noch nicht. „Die Ankündigung, dass der Solardeckel nun unverzüglich fallen soll, kommt mir aus den letzten Wochen und Monaten bekannt vor. Passiert ist aber nichts. Wenn diese Koalition noch einen Funken Glaubwürdigkeit in der Energiepolitik retten will, muss sie jetzt umgehend liefern“, so Verlinden weiter. „Nachdem die Koalition erst am vergangenen Mittwoch den Gesetzentwurf von uns Grünen zur Aufhebung des Solardeckels abgelehnt hat, gibt es mit dem gleichlautenden Vorschlag des Bundesrates noch eine geeignete Vorlage im Verfahren.“
Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) sieht in der Einigung ein positives Signal für die Energiewirtschaft. „Endlich hat die Große Koalition den Gordischen Knoten durchschlagen und den Stillstand bei einigen energiepolitischen Aspekten beendet“, erklärt BEE-Präsidentin Simone Peter. „Die Einigung ist ein überfälliges Signal für alle Unternehmen, die in Zukunftstechnologien investieren wollen. Durch die unverzügliche Streichung des Photovoltaik-Deckels kann jetzt in letzter Minute der befürchtete Stillstand beim Ausbau der Photovoltaik abgewendet werden; so werden tausende Arbeitsplätze gesichert und wichtige Investitionen ausgelöst, die gerade in der Coronakrise als Konjunkturmotor dienen können.“ Mit dem Kompromiss bei der Windenergie könne die Branche leben.
„Der Solardeckel und das Abstandsgerangel sind nun da, wo sie hingehören, ein Kapitel politischer Possen in den energiewirtschaftlichen Geschichtsbüchern“, kommentierte Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne) die Einigung der Regierungsfraktionen. Neben der Einigung bei Photovoltaik und Windkraft hob er als „erstaunlich Ermutigendes“ die Ausführungen zur Planungsbeschleunigung hervor. Die durchgehende Modernisierung, Vereinfachung und Entbürokratisierung der Beteiligungs-, Planungs- und Genehmigungsprozesse können die Kräfte freigesetzen, die momentan noch „im Verhau der energiegesetzlichen Überregulierung feststecken“. „Es gilt nun den Rahmen klug so zu entschlacken, dass die Energiewirtschaft zu einem wesentlichen Treiber der notwendeigen wirtschaftlichen Erholung werden kann.“, so Busch weiter. Nach Ansicht des bne gehören dazu eine angemessene Beteiligung der Kommunen an den Einnahmen von Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen, weiterentwickelte Prosumermodelle, eine Reform der Umlagen, Abgaben und Netzentgelte sowie zu guter Letzt die Umsetzung der EU-Erneuerbaren-Energien-Richtlinie.
Auch beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßte man das Ende einer „monatelangen Hängepartie“. „Es ist erfreulich, dass die Regierungsfraktionen insbesondere mit Blick auf die überfällige Abschaffung des PV-Deckels endlich den gordischen Knoten durchschlagen haben“, erklärte Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. „Wenn jetzt wieder mehr in regenerative Energieerzeugung investiert werden kann, ist das auch gut für die durch die Corona-Krise geschwächte Wirtschaft. Dafür ist auch die vereinbarte Modernisierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren essentiell.“ Der BDEW forderte die Bundesregierung zudem auf, sich jetzt um die Neuregelung der Steuer- und Abgabenbelastung auf den Strompreis zu kümmern. „Hier würde sich eine Senkung der EEG-Umlage und eine Senkung der Stromsteuer anbieten. Das würde Wirtschaft und Verbraucher entlasten und zugleich umweltfreundliche Technologien wettbewerbsfähiger machen“, sagte Andreae.
Mit Blick auf die Einigung von Union und SPD erklärte der Grünen-Umweltminister von Baden-Württemberg, Franz Untersteller, dass ihn die Einigung zur Aufhebung des 52-Gigawatt-Deckels persönlich am meisten freue. „Denn jetzt herrscht endlich wieder Planungssicherheit beim Photovoltaik-Ausbau, was nicht nur dem Klimaschutz, sondern auch dem Handwerk nützt“, sagte der Minister. Vor allem für Baden-Württemberg sei das eine sehr gute Nachricht, „weil wir hier im Land gerade eine Photovoltaik-Pflicht für Nicht-Wohngebäude planen.“ Berlins grüne Energiesenatorin Ramona Pop ergänzte: „Seit Jahren machen wir darauf aufmerksam, dass der Photovoltaik-Deckel die Energiewende blockiert. Die Bundesregierung hat wertvolle Zeit beim dringend notwendigen Ausbau der Solarenergie verloren.“Das Gesetz zur Streichung müsse schnell verabschiedet werden. Danach müssten weitere wichtige Verbesserungen kommen, etwa bei Photovoltaik-Mieterstrom oder den Rahmenbedigungen für dezentrale Energieversorgung.
„Die Branche ist erleichtert, dass der Solar-Deckel nun endlich gestrichen werden soll“, sagt Franz Pöter, der Geschäftsführer des Solar Clusters Baden-Württemberg. „Dass sich dies über acht Monate hingezogen hat, bleibt ein Ärgernis. Tausende Arbeitsplätze standen auf dem Spiel. Der Weg ist nun frei, den Photovoltaik-Deckel im Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) zu streichen. Dies muss jetzt unverzüglich geschehen, möglichst in der nächsten Woche“, fordert Pöter
Von einem „faulen Kompromiss“ spricht hingegen Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). „Die Abschaffung des Photovoltaik-Deckels hatte die Große Koalition bereits im Dezember 2019 versprochen. Die Einlösung des Versprechens kommt spät und die Hängepartei hat bereits großen Schaden in der Branche ausgelöst“, kommentierte er. „Für die Windenergie bleiben die pauschalen Abstandsregeln eine schlechte Idee. Ob auf Bundes- oder Landesebene: Pauschale Abstände tragen nicht zu Akzeptanz bei, erschweren aber den Bau neuer Windenergieanlagen.“ Die DUH forderte die Bundesländer auf, keine pauschalen Abstandsregelungen und damit neuen Hürden für die Erneuerbaren zu schaffen.
Eher zurückhaltend zeigt sich auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). „Die Einigung der Koalitionäre ist ein Schritt in die richtige Richtung, der leider viel zu kurz ausfällt. So wird es nichts mit der dringend notwendigen energiepolitischen Wende. Ein echter Durchbruch wäre eine umfassende EEG-Novelle gewesen, die ambitionierte Ausbauziele und -pfade für Wind und Photovoltaik festlegt und die EU-Vorgaben für Bürgerenergie umsetzt“, erklärt Geschäftsführerin Antje von Broock. Stattdessen mache die Koalition jetzt „viel Lärm um wenig“. Nach Ansicht der BUND hätte die Abschaffung des 52 Gigawatt-Deckels für die Photovoltaik auch bereits mit der Mini-EEG-Novelle in der vergangenen Woche erfolgen können.
Quelle
Der Bericht wurde von
der Redaktion „pv-magazine“ (Ralph
Diermann + Sandra Enkhardt) 2020 verfasst –
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