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Der Planet Erde geht kaputt

Der aktuelle Putin-Krieg in der Ukraine macht auch den Zusammenhang von Frieden und Klimaschutz deutlich.

Darauf weist auch die Rede des UN-Generalsekretärs Guterres hin, die wohl eine der bedeutendsten politischen Dokumente des letzten Jahres ist. Sie macht auch deutlich, dass wir die Klimakrise neben dem Putin-Krieg nicht vergessen dürfen. Nur erneuerbare Energien schaffen Frieden.

Angesichts dramatischer planetarer Grenzüberschreitungen hat der Generalsekretär der Vereinten Nationen am 2. Dezember 2020 in einer Rede an der Columbia University in New York City die Menschheit aufgefordert, den „Krieg gegen die Natur“ zu beenden. In der englischsprachigen Welt wurde diese Rede mit dem Titel „The state of the planet is broken“ viel diskutiert, doch der Krieg gegen die Natur geht unbegrenzt weiter. In der deutschsprachigen Welt wurde die Rede zwar erwähnt, aber nicht übersetzt.

Die Sonnenseite will dieses Manko gut machen und hat Professor Udo E. Simonis gebeten, die Rede ins Deutsche zu übersetzen.


Der Planet Erde geht kaputt – was dagegen getan werden muss

Die globale Lage | Antonio Guterres

Wir treffen uns heute hier im letzten Monat eines höchst ungewöhnlichen Jahres. Wir sehen uns mit einer verheerenden Pandemie, einem neuen Höhepunkt der globalen Erwärmung, einem neuen Tiefpunkt der Umweltzerstörung und mit neuen Rückschlägen bei unseren Bemühungen um globale Ziele für eine gerechtere, integrative und nachhaltige Entwicklung konfrontiert. Um es vereinfacht auszudrücken: Der Planet Erde geht kaputt. Die Menschheit führt einen Krieg gegen die Natur. Das ist selbstmörderisch. Die Natur schlägt zurück – und sie tut es bereits mit wachsender Heftigkeit. Die biologische Vielfalt bricht zusammen. Eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht.  Ökosysteme verschwinden vor unseren Augen. Wüsten breiten sich aus. Feuchtgebiete gehen verloren. 

Jedes Jahr verlieren wir rund 10 Millionen Hektar Wald. Die Ozeane sind überfischt – und sie ersticken langsam an Plastikmüll. Das Kohlendioxid, das sie aufnehmen, lässt die Meere versauern. Korallenriffe werden zunehmend gebleicht und sterben ab… 

Und da Menschen immer weiter in die Lebensräume von Tieren eindringen und wilde Gebiete zerstören, können mehr Viren und andere Krankheitserreger von Tieren auf Menschen übergehen. Etwa75 Prozent der neuen und neu auftretenden Infektionskrankheiten beim Menschen sind zoonotischer Art. 

Neue Berichte der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) verdeutlichen, wie nah wir an der Klimakatastrophe sind. 

Das Jahr 2020 wird eines der drei wärmsten Jahre in der Geschichte der Menschheit werden – selbst unter Berücksichtigung der Abkühlung durch die diesjährige La Nina. Das vergangene Jahrzehnt war das wärmste in der Geschichte der Menschheit. Die Erwärmung der Ozeane hat ein Rekordniveau erreicht, 2019 wurden mehr als 80 Prozent der Weltmeere von Hitzewellen heimgesucht. In der Arktis war es außergewöhnlich warm, mit Temperaturen von mehr als 3 Grad Celsius über dem Durchschnitt – und mehr als 5 Grad in Nordsibirien. Das arktische Meereis war im Oktober so niedrig wie nie zuvor – und jetzt friert es so langsam wieder zu wie nie zuvor. Das Grönlandeis hat seinen langfristigen Rückgang fortgesetzt und verliert etwa 278 Gigatonnen pro Jahr. Der Permafrost taut auf und setzt dabei Methan frei, ein äußerst starkes und langlebiges Treibhausgas. 

Apokalyptische Brände und Überschwemmungen, Wirbelstürme und Hurrikane sind zunehmend die neue Normalität. In der nordatlantischen Hurrikan-Saison sind jüngst 30 Stürme aufgetreten, mehr als das Doppelte des langjährigen Durchschnitts und ein neuer Rekord für eine ganze Saison. Mittelamerika war von zwei aufeinanderfolgenden Hurrikanen betroffen, die Teil der intensivsten Sturmperiode der letzten Jahre waren. Im Jahr 2019 haben diese Katastrophen die Welt mehr als 150 Milliarden Dollar gekostet. 

Die COVID-Einschränkungen haben die Emissionen und die Verschmutzung vorübergehend verringert. Aber die Kohlendioxidwerte sind immer noch auf einem Rekordhoch – Tendenz steigend. Der Kohlendioxidgehalt hat 148 Prozent des vorindustriellen Niveaus erreicht und der Aufwärtstrend hat sich trotz der Pandemie fortgesetzt. Methan stieg sogar noch höher an – auf 260 Prozent. Distickstoffoxid, ein eben falls starkes Treibhausgas, aber auch ein Gas, das die Ozonschicht schädigt, ist um 123 Prozent angestiegen. 

Noch immer ist die Klimapolitik der Herausforderung nicht gewachsen. Die Emissionen sind heute rund 62 Prozent höher als zu Beginn der internationalen Klimaverhandlungen im Jahr 1990. Jedes Zehntel Grad Erwärmung zählt. Heute sind wir bei 1,2 Grad Erwärmung angelangt und erleben bereits in allen Regionen und auf allen Kontinenten beispiellose Klimaextreme und -schwankungen. Wenn nichts dagegen getan wird, steuern wir auf einen donnernden Temperaturanstieg von 3 bis 5 Grad Celsius in diesem Jahrhundert zu. 

Die Botschaft der Klimawissenschaft ist glasklar: Um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, muss die Welt die Produktion fossiler Brennstoffe bis 2030 jedes Jahr um etwa 6 Prozent senken. Stattdessen geht die Welt in die entgegengesetzte Richtung – mit einem jährlichen Anstieg von 2 Prozent. 

Die Folgen des Angriffs auf den Planeten Erde behindern auch die globalen Bemühungen zur Beseitigung der Armut und gefährden die Ernährungssicherheit der Weltbevölkerung. Und sie machen die Arbeit für den Frieden noch schwieriger, da die Störungen zu Instabilität, Vertreibung und vielfältigen Konflikten führen.

Franz Alt "Krieg um Öl oder Frieden durch die Sonne
© Riemann-Verlag/Bertelsmann Gruppe

Es ist kein Zufall, dass 70 Prozent der am stärksten vom Klimawandel bedrohten Länder auch zu den politisch und wirtschaftlich schwächsten gehören. Und es ist kein Zufall, dass von den 15 Ländern, die am anfälligsten für Klimarisiken sind, 8 eine friedenserhaltende oder politische Sondermission der Vereinten Nationen beherbergen. 

Die Auswirkungen des Klimawandels treffen die schwächsten Menschen der Welt am stärksten. Diejenigen, die am wenigsten zur Entstehung des Problems beigetragen haben, leiden am meisten. …

Quelle

Dr. Dr. h.c. Udo E. Simonis 2021 ist Professor Emeritus für Umweltpolitik am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) 

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