Deutsches Stromnetz: Ausbau zu langsam
Experte kritisiert mangelndes Interesse der Länder.
Der Ausbau der Stromleitungen in Deutschland im Zuge der Energiewende geht nur langsam voran. Die Hälfte von 24 besonders wichtigen Ausbauprojekten verzögert sich, erst 214 von insgesamt 1.807 Kilometern sind bislang fertiggestellt, wie die Bundesnetzagentur laut einem Bericht des Handelsblattes bemängelt.
Problem nicht ernst genommen
Die bestehenden Netze sind dem „Monitoringbericht 2011“ der Netzagentur zufolge durch die Vielzahl der in den vergangenen Jahren zu erfüllenden Transportaufgaben und die Veränderung der Erzeugungsstruktur am Rand der Belastbarkeit angekommen. Der Zeitverzug liegt zwischen einem und vier Jahren.
„Das Thema ist ziemlich komplex“, meint Holger Krawinkel, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv), im Gespräch mit pressetext. „Das Hauptproblem ist die zu geringe personelle Ausstattung der Planstellen, denn viele Länder haben oft auch gar kein Interesse an einem Ausbau“, so Krawinkel. Vor allem die Länder in Mitteldeutschland hätten nichts davon, wenn Strom vom Norden in den Süden transportiert wird. Es gebe natürlich auch Widerstände seitens der Bevölkerung.
Der schleppende Ausbau wird anhand von zwei Beispielen deutlich: Die Leitung zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein ist zwar im ersteren Bundesland fertig, in Schleswig-Holstein liegen jedoch nicht ein Mal die Planungsbeschlüsse vor. Ein anderes Beispiel ist die Stromleitung zwischen Koblenz und Köln. „Während man das Netz in Rheinland-Pfalz bereits fertiggestellt hat, wurde in Nordrhein-Westfalen noch gar nichts gemacht“, kritisiert Krawinkel.
Unklare Versorgungslage
Ein weiteres Problem sind laut dem Experten die unklaren Interessen der Netzbetreiber: „Oft ist die Versorgungslage nicht eindeutig, daher ist auch keine vernünftige Netzplanung möglich. Diese Tatsache schreckt natürlich auch die Netztreiber ab, denn diese haben natürlich eine entsprechende Rendite im Auge.“ So kann es durchaus passieren, dass Leitungen gebaut werden, die man dann letztendlich nicht braucht. „Zum Beispiel, wenn das Bundesland Bayern höhere Investition in die Windenergie beschließt, dann benötigt das Land keinen Strom aus dem Norden“, erklärt der Energiefachmann.
Für einen adäquaten bundesweiten Netzausbau sei ein komplexes Planungsverfahren notwendig: „Bund und Länder müssen ein Mengengerüst erstellen und feststellen, wo ein Ausbaubedarf besteht“, unterstreicht Krawinkel.
Quelle
pressetext 2011Dieter N. Unrath 2011