Die 10-H-Abstandsregel muss weg
2008 entstanden im fränkischen Wilhermsdorf die ersten Windkraftwerke (WKW). Mit knapp 200 Metern Gesamthöhe waren sie damals die größten in ganz Bayern.
Und diese Ökostromproduzenten über dem Zenngrund ziehen bis heute Neugierige an. So wollten dieser Tage Politiker von den Grünen und weitere 20 Gäste vom Betreiber etwas über dessen zehnjährige Erfahrungen wissen.
Der, Erich Wust, ist keiner, den man sofort in Schubladen wie „Links“ oder „Alternativ“ stecken würde. Doch der Markt Erlbacher Unternehmer lebt den regionalen Ansatz, Ökoenergie zu produzieren. Etwa 100 Bürgerwindkraftwerke hat er nach eigener Aussage schon organisiert und errichtet – die ersten waren die der „WUW Windkraft Unterulsenbach Wilhermsdorf. WUW war die Blaupause“, erklärt Wust.
Momentan drehen sich gemächlich die Rotoren von sechs Maschinen nördlich und südlich der Marktgemeinde. Daran besitzen viele Dutzend Menschen Anteile, die meisten aus der Nachbarschaft. Sie haben 25 Prozent der Investitionen aufgebracht, für den Rest haben Banken der Gegend Kredite gegeben. Wust: „Dieses Konzept verfolge ich bei allen Bürgerwindanlagen.“
Die WUW-Anlagen seien im Übrigen für die Anleger rentabel. Zwar liege die durchschnittliche Windgeschwindigkeit von 5,6 Metern pro Sekunde (m/s) etwas unter der Gutachter-Prognose von 5,9 m/s. Doch 9,7 Cent pro kWh Vergütung und die Chance, per Direktvermarktung von den Netzbetreibern zusätzliche Einnahmen zu erhalten lassen Erträge auch in Franken zu. „Dabei sagt Ministerpräsident Söder, es gibt bei uns keinen Wind“, macht Martin Stümpfig Stimmung pro WKW.
Dennoch konzentriert sich Ökostrom-Projektentwickler Wust seit ein paar Jahren stärker auf sein zweites Betätigungsfeld Photovoltaik (PV), also Solarstrom. Denn in Bayern gilt „10H“, jene Abstandsregel, nach der neue WKW mindestens das Zehnfache ihrer Gesamthöhe von einer Siedlung entfernt sein müssen.
Trotz Ausnahmeregelung, wonach Gemeinden Wind-Bebauungsgebiete ausweisen können, „gibt es zurzeit nur noch eine Handvoll Baugenehmigungen pro Jahr. Es gibt dank 10H die Schere im Kopf der Gemeindeverantwortlichen, dass Windkraft etwas Böses ist“: So erklärt sich Martin Stümpfig aus Feuchtwangen die Windkraftflaute im Freistaat. Der Grünen-MdL fordert deshalb „10H muss weg!“ Er sieht diesen Punkt „ganz oben auf der Sondierungsliste“, würde seine Partei nach der Landtagswahl von der CSU zu Gesprächen über eine Koalition eingeladen.
Stümpfig weiß aber: „Von heute auf morgen würde auch ohne 10H kein neues WKW kommen.“ Vier bis fünf Jahre könne es von der Idee bis zur Inbetriebnahme dauern. Doch ohne Windstrom sei das Klimaschutzziel seiner Partei, „Bayern 2030 zu 100 Prozent mit sauberem Strom versorgen“ nicht zu schaffen. „Regionale Speicher“ fordert dazu ein Besucher, „denn wenn man Ökostrom über neue Hochspannungsleitungen durch ganz Deutschland leitet, fehlt die Akzeptanz“.
Doch da hat der MdL eine andere Sichtweise. Den Netzausbau, den der Bundestag beschlossen hat und die Bundesnetzagentur plant, findet er OK. Regionale Speicher wünscht er sich trotzdem. Es gebe dafür aber momentan „keine Gegenfinanzierung, wie man am Beispiel Stausee Happurg sieht“.
Dieses Pumpspeicherkraftwerk nahe Hersbruck steht seit Jahren still, das „Oberwasser“ ist leer und wird nicht renoviert. Und neue Kraftwerke dieser Art stehen bekanntlich stark in der Kritik vieler Umweltschützer. Wie es ohnehin gegen Ökostromproduktion fast überall massive Gegnerschaft gibt. Bei Windkraft führen sie gerade Todesgefahren für Fledermäuse oder seltene Vögel wie Rotmilane ins Feld.
Doch laut Martin Stümpfig, früher am Landratsamt Ansbach im Umweltschutz tätig, reichen die Vorgaben der Bundesimmissionsschutzverordnung BImschV, damit möglichst keine Tiere sterben müssen. So würden heute WKW durch Sensoren stundenlang abgeschaltet, wenn Fledermäuse umherflattern.
Gegner gab es auch bei den Wilhermsdorfer WUW-Kraftwerken. Einer, der die WKW bis heute kritisch sieht, war kurz auch bei diesem Treffen zwischen Wust und den Grünen dabei. Ob er noch hörte, als Erich Wust diesen Vergleich zog? „Wenn ein Rotmilan durch Windschlag stirbt, gibt es sofort Proteste. Wenn aber einer von einem Auto überfahren wird, passiert nichts.“
Quelle
Der
Bericht wurde von der Deutsche
Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. (Heinz Wraneschitz) 2018 verfasst – der
Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | SONNENENERGIE 03/2018 |
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