Energie aus Biomasse rechnet sich langfristig auch mit Waldschutz
Werden Wälder weltweit vor der Abholzung und Umwandlung in Felder für Energiepflanzen geschützt, verringert dies das wirtschaftliche Potenzial der Bioenergie nur vorübergehend.
Denn wenn es weniger zusätzliche Anbauflächen gibt, so können ertragssteigernde Investitionen in der Landwirtschaft dies langfristig durchaus ausgleichen. Das zeigt eine jetzt erschienene Studie. Allerdings würde in diesem Szenario die Nahrungsproduktion teils deutlich teurer.
Energie aus Ackerpflanzen zu gewinnen statt aus Kohle und Öl, kann widersinnige Wirkungen haben. „Die Nutzung von Biomasse kann zu zusätzlichen Treibhausgasemissionen führen – nämlich wenn Wälder gerodet werden, um auf den Flächen Energiepflanzen anzubauen“, erklärt Alexander Popp vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Leitautor der nun in den Environmental Research Letters erschienenen Studie. Wälder binden viel CO2. Zugleich gilt Biomasse aber als Zukunftsenergie. Deshalb hat das neunköpfige Forscherteam in aufwändigen Computersimulationen errechnet, wieviel Bioenergie möglich ist, wenn die Wälder geschützt werden. „Wir ermitteln nicht nur das biophysikalische Potenzial“, betont Popp, „sondern wir spielen auch ökonomisch durch, welches Maß an Bioenergie sich im Wettbewerb mit anderen Energieformen am Ende wirklich lohnt.“
Erstmals wurde hierbei ein Landnutzungsmodell mit einem Modell des Energiesystems und einem Vegetationsmodell auf eine Weise gekoppelt, die der Simulation eine detaillierte und dynamische Abwägung unterschiedlicher Kosten und Nutzen erlaubt. Dabei wurde eine Vielfalt von Faktoren einbezogen: der technologische Wandel, die Ausweitung von Anbauflächen, auch die Veränderung von Essgewohnheiten beim zunehmenden Wohlstand von Gesellschaften.
Das Ergebnis: Biomasse kann im Jahr 2095 bis zu 270 Exajoule zur Energieversorgung beitragen – hauptsächlich in Verbindung mit Carbon Capture and Storage (CCS). Dies sind nur zehn Prozent weniger, als ohne Waldschutz möglich wäre. Damit könnte etwa ein Fünftel des geschätzten weltweiten Energiebedarfs Ende des Jahrhunderts gedeckt werden. Im Jahr 2055 sieht es noch anders aus. Hier zeigt sich, dass ein Schutz von Wäldern vor der Flächenumwandlung vorübergehend das wirtschaftliche Potenzial der Bioenergie deutlich reduziert – nämlich um 30 Prozent (von 100 auf 70 Exajoule). Angesichts der Bedeutung von CCS für den Beitrag der Bioenergie zum Klimaschutz muss allerdings beachtet werden, dass die tatsächliche Verfügbarkeit dieser Technologie noch unsicher ist.
Werden die Wälder von der Umwandlung zu Anbauflächen für Energiepflanzen ausgeschlossen, so verschärft dies den Wettbewerb um Ackerland zwischen Bioenergie und Nahrungsproduktion. Das gilt auch, wenn wie in der vorliegenden Studie an Stelle essbarer Arten wie Mais und Zuckerrüben vor allem Pappeln und Miscanthusgras als Energiepflanzen vorgesehen sind. Dies führt zu einem Kostenanstieg in der Nahrungsproduktion. „Will man hohe Potenziale an Bioenergie erreichen und zugleich die Wälder schützen, dann muss deutlich mehr in Forschung zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität investiert werden“, erklärt Popp. „Und in neue Wege, den technologischen Wandel tatsächlich etwa zu den Kleinbauern in Entwicklungsländern zu bringen.“
Soll das Ziel erreicht werden, gefährlichen Klimawandel zu verhindern, so komme man nur schwer an einem Ausbau der Energie aus Biomasse vorbei, sagt Ottmar Edenhofer, Ko-Autor der Studie und Chef-Ökonom des PIK. „Ohne Bioenergie plus CCS, also das Auffangen und Speichern von CO2 bei der Verbrennung der Pflanzen in Kraftwerken, würde Klimaschutz vielen Studien zufolge arg teuer.“ Zugleich zeige sich aber, wie unangebracht manch einseitiges Lob der Bioenergie sei. „Auch diese Energieform hat ihren Preis“, so Edenhofer. „Politische Maßnahmen sollten deshalb nicht einseitig auf die Bioenergie zielen, sondern Fragen der Landnutzung und Welternährung einbeziehen.“
Quelle
Potsdam Institut für Klimafolgenforschung 2011