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Energiesparhäuser werden europaweit Standard

Nicht nur in Deutschland werden mit der Novellierung der EnEV die Vorschriften für energiesparende Häuser schärfer. Im Jahr 2020 soll das Passivhaus in der gesamten EU zum Standard für Neubauten werden. Auch im Nachbarland Frankreich stellen sich daher Anbieter auf energieeffiziente Lösungen ein. Von Nicole Allé

Nach der neuen Energieeinsparverordnung EnEV 2014, die am 1. Mai in Kraft tritt, dürfen Gebäudehüllen künftig nur noch 20 Prozent weniger Wärme entweichen als bisher – daran kommt dann kein Neubau mehr vorbei, und auch für die Sanierung wird es spannend. Enormer Handlungsbedarf herrscht insbesondere bei Altbauten sowie Gebäuden aus den 1950er- und 60er-Jahren, die gar nicht oder nur ungenügend gedämmt sind. Noch nie gab es so günstige KfW-Kredite für den Effizienzhaus-Neubau oder die energetische Sanierung. Es fehlen allerdings steuerliche Anreize, beklagen Experten und grundsätzlich Bauwillige zögern deshalb, da sie auf bessere Konditionen warten.

Wer sich für den Bau eines Hauses entschieden hat, steht zunächst vor der Qual der Wahl – welcher Standard soll gebaut werden, der vorgeschriebene oder doch etwas darüber – denn die Anforderungen werden ja weiter wachsen, wenn auch voraussichtlich eher moderat. Energieeffizienzhaus oder gleich ein Passivhaus, ein Null-Energiehaus oder sogar ein Plusenergiehaus? Da scheiden sich die Baugeister, sowohl bei Architekten, Bauausführenden als auch bei den Bauherren. Ob „normales Effizienzhaus“ mit KfW 70 Standard etwa, Passivhaus oder Nullenergiehaus, das ist oft Emotionssache. Die einen wollen auf keinen Fall ein „luftdicht gedämmtes“ Haus, oder ihnen erscheint eine energiesparsame Hülle wie beim Passivhaus zu teuer – sie setzen lieber auf den Einsatz Erneuerbarer Energien und mehr Haustechnik, etwa mit einer Photovoltaikanlage, Wärmepumpe o.ä..

Wie soll das energieeffiziente Haus aussehen, wie soll es gebaut sein und funktionieren? Hier gibt es viele verschiedene Ideen und Lösungsansätze. Heute werden Gebäude entwickelt, die eine intelligente Eigenversorgung mit Wärme und Strom aus der Sonne besitzen. „Im Neu-baubereich können sich Menschen schon heute mit bezahlbaren, energieautarken Häusern unabhängig machen“, sagt Timo Leukefeld, Architekt und seit Oktober Bewohner des energieautarken Hauses im sächsischen Freiberg. Das Haus erzeugt, speichert und nutzt solare Energie und sichert so seine Eigenversorgung mit Wärme und Strom, zusätzlich kann mit selbst erzeugtem Solarstrom ein Elektroauto betankt werden.

Auch Fertighaus-Hersteller haben sich auf die neuen EnEV-Anforderungen längst eingestellt und bieten sogar schon Plus-Energie-Häuser an, die mehr Energie erzeugen, als die Bewohner verbrauchen. Im Fertighauspark in Köln-Frechen sind im Monitoring des Modellprogramms Effizienzhaus Plus Netzwerk des Bundes einige solcher Plusenergiehäuser entstanden. Das erste Bestandsprojekt, ein für die Gegend typisches Gebäude, das zum Plusenergiehaus saniert wurde, steht in Darmstadt. Ulrich Tichelmann, Professor für Tragwerksentwicklung und Bauphysik am Fachbereich Architektur der TU Darmstadt, wollte damit zeigen, dass es in der Praxis funktioniert und finanziell machbar ist.

Die Modellprojekte werden im Rahmen eines wissenschaftlichen Begleitprogramms ausgewertet. Mit den Ergebnissen soll das Energiemanagement von modernen Gebäuden verbessert und die notwendigen Komponenten für die energieeffiziente Gebäudehülle und die Nutzung Erneuerbarer Energien weiterentwickelt werden. Zudem werden die Nutzer befragt, etwa ob Raumklima und Behaglichkeit stimmen oder ob sie mit der Technik klar kommen.

In Deutschland bieten Fertighaushersteller wie etwa Weberhaus, Schwörerhaus, Luxhaus, Huf Haus oder Baufritz bereits Effizienzhäuser an; Baufritz erhält bei der Auszeichnung des großen deutschen Fertighauspreises Golden Cube den „Ökologie Cube 2014“ für das Architektenhaus „Kieffer“, ein modernes, kubisches Gebäude. Das mediterrane Fertighaus Top Line 440 im französischen Poing vom Fertighaushersteller Haas war der Gewinner des Leser Cubes im vergangenen Jahr – in Anlehnung an ein traditionelles Landhaus im französischen Süden, aber eben energieeffizienter, mit modulierender Luft-/Wasser-Wärmepumpe und kontrollierter Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung.

Die neuen energieoptimierten Häuser können modern oder klassisch aussehen, die Energieeffizienz sieht man ihnen nicht unbedingt an. Systeme gibt es viele: Dämmung aus Styropor oder Mineralwolle, Stein- oder Holzbau, viel Haustechnik oder ganz reduziert – ein ganz entscheidender Faktor ist die Gebäudehülle. Soll es vor allem ökologisch sein, hoch wärmedämmend, massiv oder Leichtbau? Altbewährt oder ein neues System, das vielleicht kostengünstiger aber dafür noch keine Langzeitwerte aufweist?

Die Energiesparhäuser des französischen Herstellers Euromac 2 aus Lothringen (Lorraine) etwa bieten eine Alternative zu herkömmlichen Baustoffen wie Ziegel oder Holz. Die Schalungselemente für die Hauswände bestehen aus Styropor, was der Wärmedämmung nach innen und außen dient. Anders als bei herkömmlichen Bauten, bei denen man erst die Schalungselemente entfernt und anschließend die Wärmedämmung anbringt, fällt dieser Arbeitsschritt weg. Die Schalungselemente aus Styropor sind fester Bestandteil der Wand. „Die einzelnen Elemente sind leicht wie Legosteine. Wir stellen sie auf, lassen den Beton einfließen – fertig“, erläutert Michel Kratz, Chef des Unternehmens, das auch eine Vertretung in Deutschland hat. Eine solche Wand ist um 30 bis 40 Prozent preisgünstiger als eine Wand aus Ziegelsteinen.

Diese und andere technische Lösungen für Effizienzhäuser mit KfW 70 und 55 Standard im Wohnungsbau werden am 15. Januar 2014 auf der Deubaukom Messe in Essen vorgestellt. Im März können sich Bauinteressierte dann auf den 1. Hamburger Energietagen über bewährte und neue Systeme zur Dämmung und energetischen Sanierung informieren. An innovativen Dämmmaterialien wird hier zum Beispiel ein mit Basaltfasern verstärktes, nicht brennbares und schlagfestes Fassadendämmsystem vorgestellt. Natürlicher Basalt wird unter anderem für die Hitzeschilde in der Raumfahrt eingesetzt.

Und auch optisch muss niemand mehr Kompromisse eingehen: Zu 100 Prozent aus Ton gebrannte Klinkerriemchen lassen sich zum Beispiel problemlos mit Wärmedämm-Verbundsystemen verbinden. Neu sind zudem vorgehängte hinterlüftete Fassadensysteme, die sowohl beim Neubau als auch in der Sanierung Energieeinsparungen bis zum Passivhausniveau ermöglichen. „Zudem können diese Systeme Photovoltaik-Module integrieren. Dadurch kombinieren sie moderne Dämmstandards und aktive Energieerzeugung“, so ein Sprecher des Wärmedämmspezialisten Sto AG.

Für welches System man sich letzten Endes entscheidet, wie effizient, ökologisch und auch kostenintensiv man bauen will, müssen Architekt und Bauherr gemeinsam entscheiden. Umfassende Beratung wird immer wichtiger, je mehr Möglichkeiten es gibt. Wer neu baut, sollte aber in jedem Fall vorausdenken und dabei auch immer das Kosten-Nutzen-Verhältnis gut abwägen.

Quelle

energiezukunft | Nicole Allé 2014

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