EU beschließt umfassenden Emissionshandel – Klimaschutz ade!
Vor Kurzem gab es die Einigung auf EU-Ebene für die Ausweitung des Europäischen Emissionshandels (ETS). Ein Bericht von Hans-Josef Fell
Viel gelobt von Seiten der Sozialdemokraten, Liberalen und Konservativen bis hin zu den Grünen im EU-Parlament wird die Einigung als Durchbruch für den Klimaschutz gefeiert.
Der Emissionshandel hat bisher keinen Klimaschutz gebracht
Der Emissionshandel gilt weltweit als das wichtigste Instrument für den Klimaschutz.
In Wirklichkeit hat er jedoch so gut wie nichts bewirkt.
Dennoch – oder eher deswegen? – weitet er sich über Europa hinaus u.a. auf China, Mexiko, einige US-Bundesstaaten sowie Kanada und Neuseeland aus.
Seit Einführung des EU-Emissionshandels 2005 sind die Emissionen in der EU bis 2021 um etwa 36 Prozent und in Deutschland um etwa 31 Prozent gesunken. Damit argumentieren viele Befürworter des ETS.
Doch dafür ist nicht der Emissionshandel die Ursache. Dieser wurde bisher weitgehend im Stromsektor angewandt, wo der Ausbau der Erneuerbaren Energien der alles entscheidende Grund für die Minderung der CO2-Emissionen ist. Hauptsächlich die Emissionen gesenkt haben Gesetze für Einspeisevergütungen – wie das deutsche EEG. Keine einzige Anlage der Erneuerbaren Energien wurde je mit Hilfe des Emissionshandels finanziert. Keine einzige Bank finanziert Erneuerbare Energie-Projekte auf der Basis des Emissionshandels, denn dieser bietet – anders als eine gesetzlich geregelt Einspeisevergütung – keinerlei direkte Refinanzierungseinnahmen. Von einer nennenswerten Wirkung des Emissionshandels im Stromsektor kann also keine Rede sein.
Die Erneuerbaren Energien wurden im Wesentlichen mit der Förderung der Einspeisevergütung finanziert und in jüngerer Zeit auch ohne Förderung privatwirtschaftlich mit direkter Vermarktung (PPA). Möglich wurde dies mit dem Erfolg des EEG, da mit diesem Gesetz die Investitionskosten in den letzten 20 Jahren drastisch gesunken sind. Der Emissionshandel spielte dabei ebenfalls keine Rolle.
Der Emissionshandel soll die Energiepreise treiben – die dann doch wieder nach unten subventioniert werden
Das Grundprinzip des Emissionshandels besteht darin, dass die Emissionshandelspreise so hoch sein sollen, dass im Markt zu emissionsärmeren Alternativen gegriffen wird. Im Energiesektor sollen also die Preise für Erdöl, Erdgas und Kohle so hoch sein, dass sich Erneuerbare Energien noch besser lohnen.
Dabei könnte der Emissionshandel erst dann Wirkung erzielen, wenn die Emissionshandelspreise tatsächlich so hoch wären, dass sie den Verursacherkosten entsprechen würden. Laut Umweltbundesamt (UBA) hätten diese 2022 bei etwa 237 Euro pro Tonne Kohlendioxid liegen müssen.
Jedoch lag der Emissionshandelspreis 2022 nie über 100 Euro pro Tonne CO2.
Die jetzige Einigung zum Emissionshandel wird für die Verbraucher von fossiler Energie eine moderate Preissteigerung bringen.
Berechnungen von Verivox ergeben für die jüngste Einigung des EU-Emissionshandels beispielhaft: Ein Paar, das im Jahr im Durchschnitt 12.000 Kilowattstunden Erdgas verbraucht, zahlt 2023 86 Euro mehr, im nächsten Jahr 100 Euro, 2025 schließlich 129 Euro und 2026 zwischen 158 und 187 Euro.
Wegen dieser moderaten Preissteigerungen wird kaum jemand auf eine Heizung mit Erneuerbaren Energien umsteigen. Die CO2-Emissionen werden also weiter gehen, der Emissionshandel wird wieder unwirksam verpuffen.
Sollte der Energiepreisanstieg aber dennoch für viele hoch sein, also seine erwünschte Klimawirkung zeigen, so ist laut EU-Kommissar Frans Timmermans vorgesehen einen Ausgleich für die hohen Energierechnungen mit Steuergeldern zu zahlen.
Damit wird die ganze Absurdität des EU-Emissionshandels offensichtlich: Mit den steigenden CO2-Preisen sollen auch die Energiepreise steigen. Wenn diese Energiepreise aber steigen, soll es soziale Abfederungen geben, sprich, für die meisten wird dann der Energiepreis kaum steigen … Wo bleibt dann die Wirkung des Emissionshandels?
Im letzten Jahr haben wir genau gesehen, wie die Politik handelt:
Als wegen Verknappungen auf den Weltmärkten die Erdöl- und Erdgaspreise – insbesondere als Auswirkung des Ukrainekrieges – gestiegen waren, gab es plötzlich Tankrabatte und Heizkostenzuschüsse für alle, ohne Ansehen der sozialen Not.
Die hohen fossilen Energiepreise in 2022 haben tatsächlich zu starken Einsparungen geführt
Eigentlich war 2022 genau die für den Klimaschutz erhoffte Wirkung von hohen Erdgas- und Erdölpreisen eingetreten, einen höheren Emissionshandelspreis hätte es gar nicht gebraucht.
Und tatsächlich gab es 2022 einen enormen Einspareffekt beim Erdgas: Laut einer aktuellen Studie des Centre for Sustainability der Hertie School wurden die von der Bundesregierung und der EU-Kommission ausgegebenen Sparziele sogar deutlich übertroffen. Der Erdgasverbrauch sank zwischen September und Dezember 2022 um etwa 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Autoren der Studie betonen, dass dies aufgrund der hohen Erdgaspreise geschah.
Doch die Einsparungen hätten wohl noch höher sein können, die Klimawirkung also stärker, wenn nicht mit Steuergeldern die Heiz- und Spritrechnungen für die Verbraucher wieder gesenkt worden wären – wohlgemerkt für alle, nicht nur für die Bedürftigen.
Genau dies soll nach Timmermans wieder im Emissionshandel passieren, wenn die Energiepreise infolge höherer Emissionszertifikats-Preise steigen.
Merken denn die EU-Politiker, EU-Beamten und EU-Regierungen mitsamt ihren wissenschaftlichen Beratern gar nicht, wie absurd ihre Beschlüsse sind?
Für den Klimaschutz beschließen sie höhere CO2-Preise und sobald dann logischerweise die Energiepreise steigen, beschließen sie wieder steuerliche Energiepreishilfen. Der Effekt: Klimaschutz bleibt auf der Strecke.
Ausweitung auf Gebäude und Verkehr wird keinen Klimaschutz bringen – Industrie weiter weitgehend befreit
Zudem hat sich die EU-Ebene darauf geeinigt, dass der EU-Emissionshandel auch auf Gebäude und den Verkehr ausgeweitet werden soll.
Im Industriesektor wurde gleich die Unwirksamkeit mitbeschlossen, denn bis 2034 soll die Industrie weiterhin kostenlose Zertifikate erhalten. Klimaschutz also erst nach 2034?
Die Ausweitung auf den Verkehrssektor wird auch keine Klimaschutzwirkung bringen, wie man seit nunmehr zwei Jahren in Deutschland sehen kann.
Der Emissionshandel im Verkehr wurde noch unter Kanzlerin Merkel eingeführt. Aktuell sind alle Zeitungen voll davon, dass der Verkehrssektor eben keinen Beitrag zum Klimaschutz bringt, weshalb Verkehrsminister Volker Wissing massiv unter Druck steht.
Wie das? Ich dachte es gibt einen Emissionshandel im Verkehrssektor! Er sollte doch den Klimaschutz im Verkehr bringen!
Es zeigt sich also gerade in Deutschland, dass der Emissionshandel im Verkehr komplett versagt.
Dass er nicht wirken kann, hatte ich bereits anhand meiner Emissionshandels-Prämien von je 300 Euro für meine beiden E-Mobile beschrieben. Diese waren überhaupt kein Anreiz für mich (und wohl alle anderen E-Autokäufer) ein E-Auto zu kaufen. Vielmehr ist diese Prämie ein Anreiz für all jene, die weiter CO2 emittieren wollen, mir und anderen E-Autofahrern diese Prämie zu zahlen.
Es ist unbegreiflich, warum die Verhandler im EU-Parlament, alle Wissenschaftler, die die Studien dafür machen, die EU-Kommission und die Regierungen der EU nicht erkennen, dass der Emissionshandel nichts anderes ist als Schwindel.
Er ist schlicht eine umfassende Erlaubnis für die Klimazerstörer weiter CO2 zu emittieren. Sie zahlen offensichtlich nur umfangreich aus der Portokasse für ihre Emissionen statt diese endlich zu stoppen.
Selbst Klimaforscher haben das nicht verstanden. So hat gerade Ottmar Edenhofer vom Klimaforschungsinstitut Potsdam auf dem CDU-Klimaschutzkongress den Emissionshandel in höchsten Tönen gelobt.
Dabei hatte ich schon um 2000 einige Streitgespräche mit Edenhofer über die Unwirksamkeit des Emissionshandels gegenüber der Wirksamkeit des EEG geführt. Schon damals konnte oder wollte er meinen Argumenten nicht folgen. Dass er aber bis heute nicht erkennt, dass das EEG – im Gegensatz zum Emissionshandel – Klimawirksamkeit erzielt hat und der Emissionshandel eben nicht, lässt zumindest Zweifel an seiner Analysefähigkeit aufkommen …
Emissionshandel dient nur den klimaschädlichen fossilen Geschäftsinteressen und die Aufheizung der Erde geht weiter
Heute nach über 2 Jahrzehnten Unwirksamkeit des Emissionshandels wird klar:
Wer für diese Unvernunft der EU-Institutionen nun einen umfassenden Emissionshandel einzuführen, eine Begründung sucht, wird sie schnell finden: Der Emissionshandel ist nicht dafür da Klimaschutz zu organisieren, sondern die Geschäfte der fossilen Wirtschaft in den Sektoren, Strom, Heizungen, Verkehr und Industrie weiter gewähren zu lassen.
Hermann Scheer und mir war dies alles schon im Jahre 2000 klar: der Emissionshandel ist nichts anderes als die Täuschung der fossilen Wirtschaft Klimaschutz zu tun, in Wirklichkeit geht es ihnen nur um das Weiterführen ihrer fossilen Geschäfte.
Wir hatten im Jahre 2000 daher im Bundestag der Einführung des nationalen Emissionshandles nicht zugestimmt.
Doch die rot-grüne Mehrheit unter Umweltminister Jürgen Trittin sah das damals anders und so haben wir eben bis heute zwar einen Emissionshandel aber keinen Klimaschutz.
Aus Gründen des Bestandsschutzes der fossilen Geschäftsinteressen wird bis heute wird das untaugliche Instrument Emissionshandel als das wirksamste Instrument für den Klimaschutz propagiert und seine Ausweitung in der EU und weltweit weiter beschlossen.
Damit rast die Weltgemeinschaft immer schneller auf eine um 3°C aufgeheizte Erde zu, in der es keine menschliche Zivilisation wie heute mehr geben wird.
Quelle
Hans-Josef Fell 2023 | Präsident der Energy Watch Group (EWG) und Autor des EEG