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EU-Deckel für Agrosprit

Deutlicher als erwartet hat sich der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments für eine Neuausrichtung der EU-Agrokraftstoffpolitik ausgesprochen.

Den Fehlentwicklungen der Vergangenheit wie negativen Klimabilanzen und Konkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung wollen die Abgeordneten mit schärferen Nachhaltigkeitsregeln begegnen. Mit 43 zu 26 Stimmen bei einer Enthaltung votierte der Ausschuss für eine Deckelung konventioneller Biokraftstoffe wie Palm- und Rapsöl bei 5,5 Prozent des Gesamtkraftstoffverbrauchs.

Die EU-Kommission hatte für den Verkehrssektor eine Biokraftstoff-Quote von fünf Prozent vorgeschlagen. Zwar kamen die Abgeordneten im Umweltausschuss nun mit dem zusätzlichen halben Prozent der Industrie entgegen, sie dehnten aber zugleich den Geltungsbereich des Deckels auf alle landbasierten Agrotreibstoffe aus – nicht nur solche aus Nahrungsmitteln. Das soll verhindern, dass Energiepflanzen auf Flächen angebaut werden, die dann für den Nahrungsmittelanbau fehlen.

Um das EU-Ziel von zehn Prozent erneuerbaren Energien im Verkehrsbereich zu erreichen, fehlen nun noch 4,5 Prozentpunkte. Ausfüllen sollen diesen Anteil nach dem Willen der Abgeordneten Elektrofahrzeuge, die mit Ökostrom betrieben werden, sowie mit 2,5 Prozentpunkten sogenannte Agrokraftstoffe der zweiten Generation. Die Markteinführung solcher Spritsorten aus Reststoffen, Algen und Bakterien soll von der EU gefördert werden.

Gleichzeitig werden die Klimaziele für den Verkehrssektor verschärft, um indirekte Landnutzungsänderungen (ILUC) genauer zu verfolgen und möglichst auszuschließen. ILUC-Faktoren sollen in der EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie und der Erneuerbare-Energien-Richtlinie berücksichtigt werden. Die Details stehen aber noch nicht fest.

„Endlich hat die Einsicht obsiegt, dass es einen unheilvollen Zusammenhang zwischen der Erzeugung von Nahrungsmitteln und der Kraftstofferzeugung aus Palmöl, Raps oder Sojaöl gibt“, freute sich der Grünen-Abgeordnete und Agrarpolitiker Martin Häusling

Das alte Ziel, den Agrosprit-Anteil bis 2020 auf zehn Prozent zu steigern, sei nun Geschichte. Zwar sei auch die neue Quote von 5,5 Prozent möglicherweise noch zu hoch angesetzt, sagte Häusling. „Wichtig aber ist, dass die frühere, viel zu hohe Vorgabe gestrichen und damit endlich der Tank-Teller-Konflikt von allen Parteien klar benannt wird.“

Nicht ganz so optimistisch sehen Umwelt- und Entwicklungsverbände das Abstimmungsergebnis. „Angesichts von 900 Millionen Hungernden müsste die Förderung von Biosprit eigentlich komplett beendet werden“, sagte Marita Wiggerthale von Oxfam Deutschland. Das befürchtete „Worst-Case-Szenario“ habe aber trotz des massiven Drucks der Biosprit- und Agrarlobby abgewendet werden können, so die Agrarexpertin.

Auch der WWF begrüßte die Entscheidung, warnte aber vor Schlupflöchern. So bleibe es Mitgliedsstaaten freigestellt, auch ohne genügende Anstrengungen im Verkehrsbereich das EU-Klimaziel von 20 Prozent Erneuerbaren zu erfüllen, sagte WWF-Experte Johannes Erhard. Außerdem würden Biokraftstoffe der zweiten Generation mehrfach angerechnet.

Von einem „fatalen Signal“ war dagegen beim Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland (OVID) die Rede. „Geht es nach dem Umweltausschuss, soll eine nachhaltig arbeitende Branche im Sinne eines vermeintlichen Umweltschutzes geopfert werden“, empörte sich Verbandschef Wilhelm Thywissen. Nun drohten der Verlust von 220.000 Arbeitsplätzen und von Investitionen in Milliardenhöhe. Thywissen rief das EU-Parlament auf, für eine höhere Quote zu stimmen und auf die „wissenschaftlich ungesicherten“ ILUC-Faktoren völlig zu verzichten.

Im September kommen die neuen Agrosprit-Regeln im Plenum des Europaparlaments zur Abstimmung. Danach müssen sich noch die EU-Staaten mit dem Parlament einigen.

Die Zeitung Die Zeit überschrieb heute einen Hintergrundbericht mit den Worten: „Bis die EU ihre Politik reformiert, werden noch viele Bäume gefällt.“

Quelle

KLIMARETTER.INFO | mb 2013

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