EU-Taxonomie: „Klimapolitische Bankrotterklärung“
EU-Kommission legt endgültigen Taxonomie-Text vor und ignoriert Kritik an Greenwashing von Atomkraft und Gas.
- Trotz Warnungen von Mitgliedsstaaten und Expertengremien nimmt Kommission offiziell fossiles Gas und Atomkraft in die EU-Taxonomie auf
- Bundesregierung hatte sich im Vorfeld gegen die Aufnahme von Atomkraft aber für bedingte Aufnahme von fossilem Gas ausgesprochen
- Deutsche Umwelthilfe fordert Ministerrat und EU-Parlament auf, das Greenwashing der Kommission noch zu stoppen
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert den heute endgültig vorgelegten delegierten Rechtsakt zur Taxonomie der EU-Kommission als klimapolitische Bankrotterklärung. Er stuft Atomkraft und fossiles Gas als angeblich nachhaltig ein. Anstatt also wirklich nachhaltige Investitionen zu stärken, untergräbt die Kommission ambitioniertere bestehende Standards. Zudem werden damit die Weichen gestellt, dass Gas- und Atomkraftwerke durch den hunderte Milliarden Euro schweren EU-Wiederaufbaufonds finanziert werden können, dessen Mittelverwendung sich an der Taxonomie orientiert. Zuvor hatten sich zahlreiche Mitgliedsstaaten und Expertengremien gegen ein Greenwashing von Atomkraft und Gas ausgesprochen. Gegenüber einer früheren Fassung wurden die Kriterien für fossile Gaskraftwerke unter anderem auf Druck der Bundesregierung sogar noch abgeschwächt.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, kommentiert:
„Anstatt Finanzströme in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zu lenken, lässt die Kommission das Vorzeigeprojekt der EU-Taxonomie zu einem grünen Feigenblatt für Atomkraft und fossiles Gas verkommen. Damit wird das ganze Finanzlabel entwertet, denn bereits geltende Standards für grüne Finanzprodukte schließen diese beiden umweltschädlichen Technologien klar aus. Die Ampelkoalition hat sich in besonders unrühmlicher Weise dafür eingesetzt, das Greenwashing von Gas-Kraftwerken sogar noch zu erleichtern. Doch selbst wenn ein begrenzter Zubau von neuen Gas-Kraftwerken im Zuge des Kohleausstiegs notwendig ist, macht dies einen fossilen Energieträger noch lange nicht zu einer grünen Technologie. Ihre klimapolitische Glaubwürdigkeit kann die neue Bundesregierung nur retten, wenn sie im EU-Rat gegen den Kommissionsentwurf stimmt. Falls der Rat den Rechtsakt durchwinkt, muss das Europäische Parlament ihn im Plenum ablehnen und die Kommission zur Neuauflage auffordern. Notfalls muss die Bundesregierung sich der Klage von Österreich und Luxemburg gegen die Taxonomie anschließen.“
Ein kürzlich von der DUH veröffentlichtes Rechtsgutachten hat bereits gezeigt, dass der erste Entwurf des delegierten Rechtsakts gegen die rechtlichen Grundlagen der Taxonomie-Verordnung verstößt. Gegenüber diesem Entwurf wurden die Kriterien für Erdgas nun nochmals abgeschwächt. Insbesondere wird das Kriterium, dass neue Erdgaskraftwerke 55 Prozent weniger CO2-Emissionen ausstoßen müssen als das Kraftwerk, das sie ersetzen, nun auf den gesamten Lebenszeitraum des neuen Kraftwerks angewendet. Das heißt, dass in der Anfangsphase deutlich höhere Emissionen möglich sind, solange zum Ende der Betriebsdauer auf grünen Wasserstoff umgestellt wird.
Die Pläne der Kommission waren im Vorfeld der Veröffentlichung bereits massiver Kritik ausgesetzt. Neben den Taxonomie-Berichterstattern des Europäischen Parlaments Bas Eickhout und Sirpa Pietikäinen sprach sich auch das eigens für die Taxonomie geschaffene Beratergremium der Kommission, die „Platform on Sustainable Finance“, entschieden gegen das Greenwashing von Erdgas und Atomkraft aus. Zuvor hatte neben Umweltgruppen auch die Investorenvereinigung IIGCC in einem offenen Brief gegen die Einbeziehung von Erdgas protestiert. Ein Anfang Januar gestarteter Eilappell der Bündnispartner DUH, BUND, Campact, Bürgerbewegung Finanzwende, Greenpeace, IPPNW, NABU, Umweltinstitut München und Uranium Network hatte in kürzester Zeit über 330.000 Unterschriften gegen das grüne Atom- und Gas-Label gesammelt.
Falls der Kommissionsentwurf in den kommenden Monaten vom Rat und dem Europäischen Parlament nicht gestoppt wird, haben Österreich und Luxemburg angekündigt, vor dem Europäischen Gerichtshof dagegen zu klagen.