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© Depositphotos | SergeyNivens | Luftverschmutzung ist das größte umweltbedingte Gesundheitsrisiko in Europa. Mehr als 400.000 Menschen sterben jedes Jahr vorzeitig an den Folgen von Luftverschmutzung in Europa, in Deutschland sind es allein mehr als 70.000 pro Jahr. Hauptursache ist die hohe Feinstaubbelastung, an der allein rund 379.000 Menschen im Jahr sterben.

EU-Umweltausschuss stimmt für saubere Luft

Wir fordern schärfere Grenzwerte und schnellere Vertragsverletzungsverfahren.

Der EU-Umweltausschuss beschloss am Donnerstag einen starken Bericht zur Umsetzung der EU-Gesetzgebung zur Luftqualität. Eine progressive Mehrheit aus Sozialdemokrat*innen, Liberalen, Grünen und Linken (43 Stimmen dafür, 33 dagegen, 3 Enthaltungen) beschloss ambitionierte Forderungen für saubere Luft. Dieses erfreuliche Ergebnis wurde vom sozialdemokratischen Berichterstatter Javi López aus Spanien mit der liberalen Frédérique Ries aus Belgien, der Linksfraktion und Grünen ausgehandelt. Für die Grünen war ich federführend am Verhandlungstisch. Das Endergebnis spiegelt die vorangegangen Versuche der Christdemokrat*innen, angeführt von Norbert Lins, CDU Baden-Württemberg, und Rechtskonservativen wider, die Ambition des Berichts deutlich zu senken. Die Christdemokrat*innen stimmten mit großer Mehrheit gegen den Bericht. Auch der einzige FDP-Abgeordnete im EU-Umweltausschuss stimmte gegen den Bericht und damit gegen seine liberale Fraktion. 

Luftverschmutzung ist das größte umweltbedingte Gesundheitsrisiko in Europa. Dennoch gab es im Umweltausschuss des Europaparlaments lange keine klaren Mehrheiten für einen besseren Schutz unserer Gesundheit und zur konsequenten Durchsetzung von EU-Recht. In einigen Schlüsselfragen konnten keine Kompromisse gefunden werden. Insbesondere die Frage, ob bestehende Gesetze verbessert und Grenzwerte für Schadstoffe in der Luft gesenkt werden sollten, spalteten den Ausschuss. Im Kern geht es um strengere Grenzwerte für Feinstaub, Stickstoffdioxid und Ammoniak und neue Regeln für Mikroplastik und Ruß. Flugverkehr, Industrieanlagen, Massentierhaltung in der Landwirtschaft, Reifenabrieb im Straßenverkehr und Holzheizungen sind besonders verantwortlich für diese Schadstoffe. Eine Mehrheit aus Sozialdemokrat*innen, Liberalen, Grünen und Linken für ambitionierte Ziele stand einer Koalition aus Christdemokrat*innen, Rechtskonservativen und Rechtsradikalen gegenüber. 

Die Luft ist fast überall schlechter als EU-Gesetze es erlauben. Teilweise werden EU-Grenzwerte gebrochen, die seit 2005 eingehalten werden müssen – aber Konsequenzen sind selten und zu langsam. Obwohl gegen 18 Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren laufen, wurden noch keinem Land finanzielle Strafen auferlegt. Aber Grenzwerte werden weiter jeden Tag überschritten. Der Umweltausschuss fordert deshalb heute schnellere Vertragsverletzungsverfahren, die unter anderem auch Deutschland treffen würden. Deutschland setzt seit 2010 jedes Jahr mehr Ammoniak in die Luft frei, als EU-Recht es erlaubt. In Deutschland ist die Massentierhaltung und Düngung in der industriellen Landwirtschaft verantwortlich für mehr als 90% aller Ammoniakemissionen, die zu gesundheitsschädlichem Feinstaub führen. Davon sind besonders Menschen in ländlichen Regionen betroffen. 

Das Europaparlament kontrolliert regelmäßig die Umsetzung von EU-Recht in den Mitgliedstaaten und beschließt, wenn nötig, Empfehlungen zur besseren Durchsetzung. Diese Empfehlungen sind rechtlich nicht bindend, erklären aber die Positionen des Parlaments im Hinblick auf bereits angekündigte Überarbeitungen der EU-Luftqualitätsrichtlinie und der Richtlinie über Industrieemissionen. Damit hat der Bericht gute Chancen, europäisches Recht und seine Durchsetzung zu verändern. Der Bericht zur Luftqualität wird am 24/25 März vom Plenum des Europaparlaments final angenommen werden. Es wird dann sicher neue Versuche geben, den nun im Umweltausschuss gefassten Beschluss abzuschwächen.

Sven Giegold, Verhandlungsführer für die Fraktion Grüne/EFA und Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament, erklärt: “Der EU-Umweltausschuss stimmt für saubere Luft. Wir können 400.000 Tote nicht einfach akzeptieren. Es ist ein Armutszeugnis, dass die Luft in Europa weiterhin so schlecht ist. Die EU-Kommission muss endlich ernst machen im Kampf gegen Luftverschmutzung. Neue Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und andere EU-Länder sind lange überfällig. Wo Verfahren schon eröffnet sind, muss die Kommission diese schneller zu einem Abschluss vor dem Europäischen Gerichtshof bringen.

Das Gift in der Luft muss ein Ende haben. Die Ambition eines Europas mit Null-Schadstoffen ist heute in weiter Ferne. Es benötigt ein drastisches Umsteuern in Industrie, Verkehr und Landwirtschaft. Dafür legen wir mit dem heutigen Beschluss den Grundstein. Das Europaparlament stellt heute klare Forderungen zur Reduzierung der Emissionen der Industrie. Ausnahmen für Kohlekraftwerke und Zementwerke sollen bald ein Ende haben. Neue Grenzwerte für Ultrafeinstaub werden besonders Menschen in der Nähe eines Flughafens zu Gute kommen. Völlig unreguliert entstehen jedes Jahr zehntausende Tonnen Mikroplastik durch Reifenabrieb im Straßenverkehr. Der Umweltausschuss fordert neue Regeln zum Schutz vor diesen Schadstoffen. Ich bin froh, dass der Umweltausschuss heute den Empfehlungen der Wissenschaft gefolgt ist. Damit senden wir ein starkes Signal an die EU-Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten für saubere Luft und die EInhaltung von EU-Recht überall. 

Das deutliche Ergebnis der Schlussabstimmung täuscht über die vielen Versuche der Christdemokraten und Konservativen hinweg, die Ambition des Parlaments deutlich zu senken. Es spricht Bände, wenn Vertreter von CDU/CSU sich nicht auf Minimalkompromisse zum Schutz unserer Gesundheit einlassen können. Ich freue mich, dass dennoch eine ambitionierte Mehrheit im EU-Umweltausschuss für saubere Luft gestimmt hat.”

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Link zu den beschlossenen Kompromissen (nur auf Englisch verfügbar)

Hintergrund

Luftverschmutzung ist das größte umweltbedingte Gesundheitsrisiko in Europa. Mehr als 400.000 Menschen sterben jedes Jahr vorzeitig an den Folgen von Luftverschmutzung in Europa, in Deutschland sind es allein mehr als 70.000 pro Jahr. Hauptursache ist die hohe Feinstaubbelastung, an der allein rund 379.000 Menschen im Jahr sterben. Feinstaub entsteht in vielen industriellen Prozessen, im Straßenverkehr und in der Landwirtschaft, wenn Ammoniak in der Luft mit anderen Schadstoffen zu gefährlichem Feinstaub reagiert. Auch Stickstoffdioxid und Ozon sind verantwortlich für zehntausende vorzeitige Todesfälle jedes Jahr. Stickstoffdioxid wird vor allem im Straßenverkehr ausgestoßen. 

Hier können Sie den Hintergrund weiterlesen

Quelle

Sven Giegold 2021

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