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Fast ein Marathon: von Fessenheim nach Schönau

Für eine radioaktive Wolke ist die Strecke ein Klacks: bei leichtem Westwind (Windstärke 2) käme eine Wolke aus Fessenheim nach ca. 5 Stunden in Schönau an.

Für Läuferinnen und Läufer ist diese Strecke eine Herausforderung, die einem Marathon nahe kommt: ca. 38 km mit rund 1000 Höhenmetern.

Ein Team aus der Nachbarschaft des AKW nimmt die Herausforderung an. Exakt 29 Jahre nachdem die Wolke aus Tschernobyl nach Südbaden kam, macht sich eine Laufgruppe auf den Weg. Damals brauchte die Tschernobyl-Wolke für eine Distanz von 1600 km knapp 4 Tage. Mit etwa der halben Geschwindigkeit wird die Gruppe von Fessenheim nach Schönau laufen. Im besten Sinne des Wortes eine Bewegung weg von der alten Dinosaurier-Technologie, hin zur EWS Schönau, dem Symbol für eine erneuerbare, enkeltaugliche Energiezukunft. Beim Willkommenshock auf dem EWS-Gelände können die Läuferinnen und Läufer wieder neue Energie tanken.

Bei der Planung der Aktion entstand ein Gespür für die Dimensionen: So eine Strecke läuft man nicht eben aus dem Stand. Das sind nicht nur die Luftlinien-Abstände unserer Wohnorte zum AKW. In der offiziellen Notfallschutzbroschüre zeigt das Schaubild, dass Schönau oder auch der Freiburger Osten nur knapp außerhalb des 25 km Radius um das AKW liegen. „Eine Evakuierung erfolgt bevorzugt im Privat-PKW“ heißt es tatsächlich in der Broschüre. Ein Blick auf die Verkehrssituation in Freiburg nach einem SC-Spiel macht schnell klar: Im Falle einer Katastrophe ist man wahrscheinlich zu Fuß schneller. Nun soll es am 29-ten Tschernobyl-Tag zum Glück kein Lauf ums Leben, sondern FÜR das Leben werden. Und wer sich der Gruppe anschließen möchte, verliert sein Leben nicht, wenn er es nur bis Bremgarten (7km), Tunsel (11km), Schmidhofen (14 km), Staufen (17km), Münstertal (22km) oder ans Wiedener Eck (30km) schafft. Spontan kam bei den Organisatoren die Idee auf, dass die Teilstreckenläufer sich in den genannten Orten an den offiziellen Evakuierungssammelstellen von lieben Freunden abholen lassen könnten. Doch in der Liste der Sammelstellen in der Notfallschutzbroschüre kommen Schmidhofen, Staufen und Münstertal nicht vor. Einzig in Tunsel wird die Turnhalle an der Michaelstraße angegeben. Wer jetzt an Szenen aus Gudrun Pausewangs Roman „die Wolke“ denkt, dem wird klar: das hier muss eine fiktive Flucht bleiben.

Im ältesten AKW Frankreichs müssen die seit 1977 unter der Belastung von Druck, Temperatur und Neutronenbeschuss zusehends ermüdenden Bauteile in den Ruhestand gebracht werden, bevor die Risse dem Materialstress nachgeben. „Der Druck aus der Bevölkerung muss den Druck im maroden Druckbehälter übersteigen.“ so Dr. Eva Stegen, eine Freiburger Bürgerin, die den Lauf mit Hilfe des erfahrene Ultraläufers Jürgen Wetzel aus Schönau organisiert. „Es darf nicht sein, dass der Französische Präsident sich im Laufe seiner Amtszeit schleichend von seinen Wahlversprechungen verabschiedet, die Altmeiler 2016 vom Netz zu nehmen.“

Doch nicht nur im Bezug auf die versprödenden Materialien ist die Situation angespannt. Die im Niedergang befindliche Atombranche leidet seit Fukushima nochmals verschärft unter finanziellem Druck: alterndes Fachpersonal, Nachwuchssorgen, mangelnde Neubau-Nachfrage. Bei den einzigen europäischen Referenzprojekten Flamanville und Olkiluoto laufen Zeitplan und Kosten völlig aus dem Ruder. Konsortialpartner ergreifen ob der Kostenlawine die Flucht oder streiten sich mit den Übriggebliebenen vor Gericht. In der Folge musste das einstige französische Nuklear-Flaggschiff Areva im März einen Jahresverlust von fast 5 Mrd. € bekannt geben. Die desaströsen Bilanzen schlagen sich in der Bewertung der Ratingagenturen nieder: Standard & Poors stufte Areva nunmehr als „Junk“ ein und auch der staatliche Stromkonzern EdF wurde herabgestuft. Hinzu kommt das „Problem“ Strommarkt: die Erneuerbaren drücken die Großhandelspreise auf immer neue Rekordtiefstände. Die angespannte Finanzlage in der Branche führt dazu, dass ausgerechnet bei den Wartungsaufträgen gespart wird – eine hochbrisante Konstellation.

Diese explosive Gemengelage führt dazu, dass die Aktiven im Dreiländereck noch einmal alle Kräfte mobilisieren wollen, um den Präsidenten laut und deutlich an sein Wahlversprechen zu erinnern: “Jetzt wird nicht gekniffen. Fessenheim wird jetzt stillgelegt!“ Ein Albtraum für die vielen Menschen, die sich seit Jahren für die Schließung der Pannenreaktoren engagieren, wenn ihnen dasselbe widerführe, wie seinerzeit der Japanischen Ärztin, die zum Tschernobyl-Tag 2011 auf der Berliner IPPNW-Tagung sprach. Von ganzem Herzen hatte sie sich jahrelang in ihrer Heimat für den Atomausstieg eingesetzt und musste nun unter Tränen berichten, dass es jetzt ihr Land, ihre Region, ihre Freunde erwischt hatte.

Deswegen soll es am 26. April 2015 nochmal ein kraftvolles Signal geben: vielfältig, fröhlich, bunt und eben auch sportlich.

Der Lauf ist privat organisiert, zwar von einer überzeugten Mitarbeiterin der EWS Schönau, aber in ihrer Eigenschaft als Freiburger Bürgerin. Die Teilnahme kostet nichts, es gibt keine Bestzeiten, keinen Wettkampf. Wir laufen gemeinsam in der Gruppe. Jeder, der es für sich verantworten kann, im 6,5-er Schnitt mit zu laufen, ist herzlich eingeladen, unsere Gruppe zu verstärken. www.von-fessenheim-nach-schoenau.de

Sonntag, 26.4.2015  –  Treffpunkt 11.30 Uhr am AKW  –  Start 13.00 Uhr

Infos zur Großdemonstration am AKW: www.bund-freiburg.de + www.fessenheimstop.org



von-fessenheim-nach-schoenau.de | Frank Dörr | Eva Stegen + Jürgen Wetzel vor dem AKW Fessenheimvon-fessenheim-nach-schoenau.de
Quelle

Dr. Eva Stegen 2015

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