Gaskrise: Energiesparverordnung beschlossen
Das Bundeskabinett billigte gestern zwei Verordnungen mit Maßnahmen zur Energieeinsparung für die kommenden beiden Winter. Einsparen sollen alle gemeinsam: Bürger, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen.
25.08.2022 – Die Energiesparmaßnahmen für den Winter sind beschlossene Sache. Mit zwei Verordnungen werden zunächst Maßnahmen für die kommenden beiden Heizperioden in den Blick genommen. Einsparen sollen alle, von Privatbürgern über Unternehmen bis zu öffentlichen Einrichtungen.
Energie über den Winter sichern
Die Verordnungen basieren auf dem Energiesicherungsgesetz (§ 30 EnSiG) und sollen zur Versorgungssicherheit beitragen. Die Maßnahmen betreffen öffentliche Körperschaften, Unternehmen und private Haushalte. Neben der Einsparung von Gas soll auch der Stromverbrauch gesenkt werden, da noch immer auch Gas zur Stromerzeugung genutzt wird.
Eine Verordnung mit Kurzfristmaßnahmen gilt ab dem ersten September für sechs Monate. Die zweite Verordnung beinhaltet mittelfristige Maßnahmen und gilt ab dem ersten Oktober für die kommenden zwei Jahre. Letztere bedarf noch der Zustimmung des Bundesrats.
Deutschland muss seinen Gasverbrauch um 20 Prozent senken
Mit den Verordnungen werden zugleich auf die Einsparvorgaben der Europäischen Union adressiert. Angesichts der von Russland künstlich verursachten Gasknappheit haben sich die EU-Staaten verpflichtet, ihren Gasverbrauch ab August dieses Jahres um mindestens 15 Prozent zu verringern. Als Referenz dient der Durchschnittsverbrauch der letzten fünf Jahre. Deutschland, das über die letzten Jahre besonders abhängig von russischem Gas war, muss seinen Gasverbrauch demnach um 20 Prozent senken.
Die beschlossenen Maßnahmen senken den Gasverbrauch nach ersten Schätzungen um ungefähr zwei Prozent. Zugleich rechnen sich die Maßnahmen für private Haushalte, Unternehmen und die der öffentlichen Hand. Werden sie umgesetzt, lässt sich in den kommenden beiden Jahren ein Einsparvolumen von gut 10,8 Mrd. Euro erreichen.
Kurzfristige Maßnahmen für öffentliche Einrichtungen und Unternehmen
Diese Verordnung (EnSikuMaV) umfasst Maßnahmen, die sehr kurzfristig umgesetzt werden können. Bereits diese Heizsaison soll so der Energiebedarf verringert werden. Einen besonderen Schwerpunkt bilden öffentliche Gebäude. Arbeitsstätten sollen regulär nur noch auf 19 Grad anstelle der bisher vorgegebenen 20 Grad beheizt werden. Dabei gelten die 19 Grad auch als Mindesttemperatur. Flure oder große Hallen, Foyers oder Technikräume sollen in der kommenden Periode regulär gar nicht beheizt werden. Ausnahmen gelten in beiden Fällen aus Sicherheitsgründen oder für besondere Nutzungsbedürfnisse, zum Beispiel in medizinische Einrichtungen, Einrichtungen der Behindertenhilfe, Pflegeeinrichtungen, Schulen oder Kindertagesstätten.
Trinkwassererwärmungsanlagen in öffentlichen Nichtwohngebäuden sollen abgeschaltet werden. Ladentüren dürfen nicht mehr dauerhaft offengehalten werden, um den Wärmeverlust in Gebäuden zu reduzieren.
Die Beleuchtung von Gebäuden oder Baudenkmälern von außen mit Ausnahme von Sicherheits- und Notbeleuchtung wird zudem untersagt. Der Betrieb beleuchteter oder lichtemittierender Werbeanlagen ist von 22 Uhr bis 6 Uhr des Folgetages untersagt. Ausgenommen bleiben kurzzeitige Beleuchtungen bei Kulturveranstaltungen und Volksfesten sowie allgemein alle Fälle, in denen die Beleuchtung zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit oder zur Abwehr anderer Gefahren erforderlich ist und nicht kurzfristig durch andere Maßnahmen ersetzt werden kann.
Kurzfristige Maßnahmen für Privatbürger
Mieter bekommen mehr Spielraum, um Energie einzusparen, indem die Mindestheiztemperatur für Räume ausgesetzt wird. Entsprechendes Lüften soll sicherstellen, dass die Gebäude nicht geschädigt werden. Private Schwimm- und Badebecken dürfen über den Winter nicht mit Gas oder Strom aus dem Stromnetz geheizt werden. Öffentliche beziehungsweise gewerbliche Schwimmbäder sind nicht betroffen.
Gas- und Wärmelieferanten werden verpflichtet, ihre Kunden über den Energieverbrauch und die damit verbundenen Kosten, über die Auswirkungen der aktuellen und möglicherweise noch kommenden Energiepreissteigerungen und über mögliche Einsparpotenziale frühzeitig, mindestens aber zu Beginn der Heizsaison zu informieren. Eigentümer von Wohngebäuden, deren Wohngebäude leitungsgebunden mit Gas oder Wärme beliefert werden, haben den Nutzern diese Informationen weiterzuleiten. Eigentümer von Wohngebäuden mit mindestens zehn Wohneinheiten müssen auf dieser Grundlage zudem spezifische Informationen zu Energieverbrauch und Energiekosten der jeweiligen Wohneinheit geben. Bei erneuten Preissteigerungen sind erneut Informationen bereitzustellen.
Mittelfristige Maßnahmen
Die zweite Verordnung (EnSimiMaV) umfasst Maßnahmen, die einen höheren, mittelfristigen Zeitbedarf für die Umsetzung erfordern. Der Fokus liegt hier auf einer Steigerung der Energieeffizienz in öffentlichen, privaten und Firmengebäuden. Um das zu erreichen, werden alle Eigentümer und Eigentümerinnen von Gebäuden mit Gasheizungen verpflichtet, in den nächsten zwei Jahren einen Heizungscheck durchzuführen.
Weiterhin müssen Eigentümer von großen Gebäuden mit zentraler Wärmeversorgung auf Erdgasbasis einen hydraulischen Abgleich vornehmen, sofern ein solcher bislang nicht durchgeführt wurde. Dies gilt für Firmen und öffentliche Gebäude ab 1000 Quadratmetern sowie für große Wohngebäude ab sechs Wohneinheiten. Dies wird als Instandhaltungsmaßnahme gehandelt, die Kosten trägt deshalb der Eigentümer oder der Vermieter.
Unternehmen mit einem Energieverbrauch ab 10 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr werden ab dem 1. Oktober verpflichtet, wirtschaftliche Energieeffizienzmaßnahmen durchzuführen. Diese Verpflichtung gilt für Unternehmen, die bereits ein Energieaudit – also eine Analyse ihrer Verbräuche und ihrer Einsparpotentiale – nach den Vorgaben des Energiedienstleistungsgesetzes durchgeführt haben. Kurzfristige Maßnahmen, die hier in Frage kommen sind der Austausch von Beleuchtungen mit LED, Optimierungen von Arbeitsabläufen und technischer Systeme. Auch Unternehmen sind dazu verpflichtet, den hydraulischen Abgleich vorzunehmen sowie ineffiziente Heizungspumpen auszutauschen.
Gemeinsam an einem Strang ziehen
Die beiden Verordnungen sind Teil eines Maßnahmenbündels. Neben den unmittelbaren Einspareffekten sollen die Maßnahmen auch eine Signal- und Vorbildwirkung haben. Sie zielen somit auch darauf ab, freiwillige Energiesparmaßnahmen anzustoßen. Durch die Umsetzung der Energieeinsparverordnungen lässt sich nur ein kleiner Teil der erforderlichen Einsparungen erreichen. Nötig ist eine nationale Kraftanstrengung. Dafür braucht es ein starkes Zusammenspiel von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, von Bund, Ländern, Kommunen, Sozialpartnern, Gewerkschaften, Handwerk und Verbänden sowie der Zivilgesellschaft, heißt es aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck betont „Die Bundesregierung verfolgt konsequent ihre Politik, um von russischen Energielieferungen unabhängig zu werden. Wir treiben den Bau von Flüssiggas-Terminals voran, damit wir überhaupt eine alternative Infrastruktur für Gas haben. Wir sichern die Befüllung der Gasspeicher auch mit Milliardenhilfen ab. Und wir stellen die Funktionsfähigkeit des Gasmarktes und damit der Gasversorgung sicher, unter anderem durch die Rettung eines der größten Gasimporteure in Deutschland, an dem sich der Staat beteiligt. All dies trägt maßgeblich dazu bei, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Es kommt aber auch ganz wesentlich darauf an, deutlich mehr Gas einzusparen: in der öffentlichen Verwaltung, in Unternehmen, in möglichst vielen Privathaushalten. Dafür leisten die heute im Kabinett verabschiedeten Verordnungen einen wichtigen Beitrag. Wir stehen vor einer nationalen Kraftanstrengung, und es braucht ein starkes Zusammenspiel von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, von Bund, Ländern, Kommunen, Sozialpartnern, Gewerkschaften, Handwerk und Verbänden sowie der Zivilgesellschaft. Jeder Beitrag zählt.“
Quelle
Der Bericht wurde von der Redaktion “energiezukunft“ (jb) 2022 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | energiezukunft | Heft 31/2021 | „Dezentral Erneuerbar – ein Update“ | Jetzt lesen | Download