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Geheime Schiedsgerichte: Die große Abzocke

50 Milliarden Dollar: Diese Summe zahlten Staaten und Steuerzahler seit 1991 an Öl-, Kohle- und Atomkonzerne, weil die Unternehmen sich durch Gesetze eingeschränkt sahen. Möglich wird das durch geheime Schiedsgerichte und die Energiecharta. Von Susanne Götze

Einen regelrechten Bürgeraufstand gab es vor vier Jahren, als das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA ausgehandelt wurde. Zehntausende demonstrierten in Europas Hauptstädten gegen das Dumping bei Umwelt- und Sozialstandards, noch mehr protestierten mit ihrer Unterschrift. Im Mittelpunkt der Kritik standen damals geheime Schiedsgerichte wie das Investitionsschiedsgericht ICSID, die es Unternehmen ermöglichen, Staaten zu verklagen, wenn sie sich etwa durch gesetzliche Regelungen im Umweltschutz benachteiligt fühlen.

Zwar wurden die TTIP-Verhandlungen vertagt, das ändert aber nichts am Wirken der geheimen Schiedsgerichte, die schon seit den 1990er Jahren in vielen Staaten ein etabliertes Rechtsmittel für Unternehmen sind. Öl,- Kohle- und Atomkonzerne knöpften den Staaten dort bereits über 50 Milliarden US-Dollar ab. Das ergab eine Untersuchung mit dem – etwas pathetischen – Titel „Ein Vertrag, sie alle zu knechten“, soeben vorgelegt von den Organisationen Transnational Institute (TNI) in Amsterdam und Corporate Europe Observatory (CEO) in Brüssel. Über insgesamt 35 Milliarden Dollar wird demnach vor den Gerichten noch gestritten.

Möglich sind diese Schiedsgerichte durch die seit 1998 geltende Energiecharta. Eigentlich sollte die Vereinbarung dazu dienen, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs die Energiewirtschaft der ehemaligen Sowjetunion und der osteuropäischen Staaten in den Westen zu integrieren. Der Vertrag sollte ausländische Investoren vor plötzlichen staatlichen Eingriffen schützen.

Während die Konzerne in den ersten zehn Jahren nur knapp 20-mal vor diese Gericht zogen, greifen sie nun deutlich häufiger auf das Rechtsmittel zurück und verlangen höhere Entschädigungen, so die Studie von TNI und CEO.

Öl-, Gas- und Kohlekonzerne hätten insgesamt bereits 114 Mal geklagt – etwa wegen des deutschen Atomausstiegs, Verboten neuer Ölbohrungen, Steuern auf fossile Brennstoffe und Umweltschutzmaßnahmen. Die Mehrheit der klagenden Investoren kämen aus westlichen Ländern wie Deutschland, den Niederlanden oder Großbritannien. In 61 Prozent der entschiedenen Fälle habe das Urteil den klagenden Investor begünstigt, so die Autoren.

Hier können Sie den Bericht weiterlesen

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Klagen gegen Staaten

Zwischen 2013 und 2017 wurden laut der Studie insgesamt 75 Klagen auf Grundlage der Energiecharta eingereicht. Drei Beispielfälle:

  • Der britische Öl- und Gaskonzern Rockhopper verklagte den italienischen Staat im vergangenen Jahr, weil dieser Öl-Bohrungen in der Adria aus ökologischen Gründen untersagt hatte.
  • Der schwedische Konzern Vattenfall klagte bereits 2009 das erste Mal gegen Deutschland wegen strengerer Umweltvorschriften rund um seine Kohlekraftwerke. Seit 2014 läuft die Klage des Konzerns aufgrund der finanziellen Einbußen durch den Atomausstieg.
  • Tschechische und österreichische Stromkonzerne klagen gegen den bulgarischen Staat, weil dieser die hohen Energiepreise gedeckelte. Laut der Studie beläuft sich die Forderung der Unternehmen auf „hunderte Millionen Euro“.
Quelle

Der Bericht wurde von
der Redaktion „klimareporter.de“ (Susanne Götze)
2018
 verfasst – der Artikel darf nicht ohne
Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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