Gore attackiert Klimawandel-Leugner Trump
Mit seinem neuen Film „An Inconvenient Sequel“ (Eine unbequeme Fortsetzung) ruft Friedensnobelpreisträger Al Gore zum Handeln für den Klimaschutz auf. Ein Interview von Klimaretter.info mit Al Gore
„Es ist noch nicht zu spät – seid unbequem!“, so das Motto seiner Kampagne. Der ehemalige US-Vizepräsident und Umweltaktivist spricht im klimaretter.info-Interview über gewaltlosen zivilen Widerstand, die Nachhaltigkeitsrevolution und seinen Glauben an die Zukunft der Menschheit.
klimaretter.info: Herr Gore, haben Sie bei Ihren Vortragsreisen eigentlich jetzt immer Gummistiefel im Gepäck?
Al Gore: (lacht) Sie meinen, wegen Miami …
In Ihrem neuen Klimafilm gibt es die Szene, in der Sie dort durch überflutete Uferstraßen laufen.
Gummistiefel mitzunehmen ist keine schlechte Idee. Daran sollte ich vielleicht jetzt immer denken, besonders wenn ich Küstenstädte besuche.
Wir sind hier in Berlin, da bringt der steigende Meeresspiegel keine Gefahr …
Das nicht. Allerdings hat es in Berlin in diesem Sommer extreme Regenfälle gegeben. Da wären Gummistiefel nicht schlecht gewesen.
Weltweit nehmen die Wetterextreme zu. Es gibt nicht nur mehr Hochwasser, auch Dürren werden intensiver, Hurrikane und Tornados wüten heftiger. Glauben Sie, wir haben überhaupt noch eine Chance, das beherrschbar zu halten?
Ja, die gibt es. Die Wissenschaftler sagen: Wir können es immer noch schaffen, die schlimmsten Konsequenzen der globalen Erwärmung zu verhindern. Leider hat der Klimawandel bereits einige Schäden angerichtet, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Der Meeresspiegel etwa wird weiter ansteigen, egal, was wir tun – weil einige Eisschilde bereits so weit abgeschmolzen sind, dass sich das nicht mehr stoppen lässt. Auch Schnee und Eis in den Alpen sind in jedem Fall in Gefahr. Aber die wirklich katastrophalen Veränderungen, an die die Menschheit sich nicht anpassen kann, können noch verhindert werden.
Es ist so ähnlich wie beim Gespräch zwischen Arzt und Raucher, wo der Raucher sagt: „Jetzt habe ich schon so lange geraucht, es nützt nichts mehr, jetzt noch damit aufzuhören.“ Der Arzt aber erklärt ihm, und zwar zu Recht: „Wenn du aufhörst, wird es dir künftig besser gehen, als wenn du weiter qualmst.“
Küstenstädte wie Miami sind schon jetzt bedroht, auch wenn wir auf den Klimaschutz-Arzt hören …
Nicht nur Miami und mit ihm große Teile von Florida sind durch den steigenden Meeresspiegel stark gefährdet. Ähnlich ist es in vielen Küstenregionen rund um die Erde. Man kann sie kaum alle aufzählen. Angefangen von den Malediven über Bangladesch, wo Millionen Menschen werden umziehen müssen, bis New York.
Umfragen zeigen: Viele junge Menschen sind wegen des Klimawandels sehr besorgt, aber nur wenige handeln nach ihren Einsichten. Sie leben wie alle anderen, sie fahren Auto, sie fliegen in den Urlaub. Was können sie tun?
Viele gute Leute sind in schlechten Systemen gefangen. Es ist deswegen ein wichtiger Teil der Lösung, das System zu ändern, also zum Beispiel dem CO2 einen Preis zu gegeben, weil das in unserem Wirtschaftssystem zählt. Tatsächlich verändern auch schon heute viele junge Leute ihr Leben, und nicht wenige ältere auch. Es geht darum, diese Veränderungen einfacher zu machen. Wir müssen die CO2-armen Muster überall verankern, dann wird das Umsteigen einfach.
Aber wie kommt man dorthin? Nur durch Aufklärung und Politik? Oder auch mit radikalen Aktionen? In Deutschland gibt es eine Szene von Aktivisten, die Kohle-Tagebaue blockieren. Gehört der zivile Ungehorsam dazu?
Ich respektiere solche Aktionen. Meine älteste Tochter ist festgenommen worden, als sie gegen dem Neubau einer Erdgas-Pipeline protestierte. Man sieht, wie sich die Zeiten geändert haben, wenn man heute sagt: „Ich bin so stolz darauf, dass meine Tochter festgenommen wurde.“ Der gewaltlose zivile Widerstand ist hier eine durchaus angemessene Strategie – schließlich steht die Zukunft der menschlichen Zivilisation auf dem Spiel.
Der Pariser Klimagipfel hat das Ziel verankert, die Erderwärmung bei 1,5 bis zwei Grad zu stoppen. Er liegt jetzt bald zwei Jahre zurück. Gibt es denn Hoffnung, dass genug passiert, um das Limit einzuhalten?
Es gibt Signale. Die Bewegung ist stärker geworden, ganz eindeutig.
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Quelle
Der Interview wurde von der Redaktion „KLIMARETTER.INFO“ (Susanne Götze und Joachim Wille) 2017 verfasst – das Nachrichten- und Debattenmagazin zu Klima und Energiewende – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung von „Klimaretter.info“ (post@klimaretter.info) weiterverbreitet werden!