Groko: Das steht zu Umwelt und Klima im neuen Vertrag
Die Verhandler von Union und SPD für eine große Koalition haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Was sind die wichtigsten Beschlüsse in den Bereichen Klima, Energie, Verkehr und Gebäude? Von Friederike Meier und Susanne Schwarz
Es mag nicht die Absicht des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) gewesen sein, die Unionsparteien und die SPD als Gegner statt als Team zu präsentieren, als er am Dienstagabend die Koalitionsverhandlungen mit einem überlangen Fußballspiel verglich. Der Koalitionsvertrag liest sich jedoch zuweilen so: Zu manchen Themen haben beide Parteien Pläne in das Papier geschrieben – auch wenn die sich gegenseitig widersprechen.
Am Mittwochmorgen einigten sich die Parteien dann nach einer langen Verhandlungsnacht auf einen Koalitionsvertrag. Damit die Koalition wirklich zustande kommt, müssen die Parteien ihn allerdings noch bestätigen – im Falle der SPD in Form eines Mitgliederentscheids. Wenn die Verhandlungen ein Fußballspiel waren, dann sind in Sachen Klimaschutz wenig Tore gefallen – andere Themen stehen im Vordergrund. Die wichtigsten klima- und energiepolitischen Pläne der neuen Groko im Überblick:
Klima
- Das Klimaziel für das Jahr 2020 wird aufgegeben – nicht ausdrücklich, aber implizit. Man wolle „Ergänzungen vornehmen, um die Handlungslücke zur Erreichung des Klimaziels 2020 so schnell wie möglich zu schließen“, steht im Koalitionsvertrag. Gegenüber 1990 will Deutschland seinen Treibhausgasausstoß eigentlich um 40 Prozent mindern. Die bisherigen Pläne zum Klimaschutz reichen nur für 32 Prozent aus.
- Um den Kohleausstieg sollen sich andere kümmern: Statt eine eigene Agenda dafür zu entwickeln, wollen Union und SPD eine Komission auf die Planung des Kohleausstiegs ansetzen – auch wenn deren Name „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ diese Aufgabe gut verbirgt. Das neue Gremium, das bereits im Klimaschutzplan 2050 vom vorletzten Jahr genannt wird, soll – und das ist neu für die große Koalition – ein Abschlussdatum für die Kohleverstromung vorschlagen.
- Das Klimaziel für 2030, nämlich 55 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen als 1990, soll im kommenden Jahr zum Gesetz werden.
- Der europäische Emissionshandel bleibt „Leitinstrument“. Gemeinsam mit Frankreich Initiativen für einen sektorübergreifenden CO2-Preis vorzuschlagen, steht – anders als in Vorgängerversionen des Koalitionsvertrags – nicht mehr auf dem Plan.
- Union und SPD wollen einen umfassenden Schutz vor „Carbon Leakage“ bieten, also vor der Abwanderung von Unternehmen wegen der Kosten des Klimaschutzes. Anders gesagt: Die Industrierabatte bei der EEG-Umlage, die die kleineren Stromkunden bezahlen, bleiben.
- Es soll mehr Geld für Klimaschutz aus Deutschland zu armen Ländern fließen. Aber: Das soll nicht durch klassische Klimafinanzierung laufen, etwa über den Grünen Klimafonds. Stattdessen soll mehr Geld in öffentliche Entwicklungszusammenarbeit gesteckt werden. Solche Projekte haben zwar teilweise Klimaschutz oder Klimaanpassung zum Ziel – aber natürlich auch anderes. Das macht die Anrechnung problematisch: Dürfen solche Zahlungen einfach als Klimafinanzierung gewertet werden? Industrie- und Entwicklungsländer sind sich dabei uneinig.
Energie
- Im Energiebereich hat sich seit dem letzten Stand der Verhandlungen kaum etwas geändert. Nach wie vor ist geplant, bis 2030 den Anteil der erneuerbaren Energien auf „etwa 65 Prozent“ zu erhöhen. Eine kleine, aber möglicherweise bedeutsame Änderung gibt es aber doch: In einem Zwischenstand der Verhandlungen war vergangene Woche von 65 Prozent „am Bruttostromverbrauch“ die Rede. Diese Präzisierung fällt nun weg, es könnte also auch der Nettostromverbrauch gemeint sein. Weil der Bruttostromverbrauch auch die Netzverluste und den Eigenbedarf der Kraftwerke einbezieht, würde das eine Abschwächung des Ziels bedeuten.
- Windenergie an Land und Photovoltaik sollen mit einer zusätzlichen Kapazität von je 4.000 Megawatt gefördert werden. Außerdem soll es einen Zusatzbeitrag der Offshore-Windenergie geben. Diese Sonderausschreibungen sollen je zur Hälfte 2019 und 2020 wirksam werden.
- Immobilienunternehmen, die ihren Mietern Mieterstrom anbieten, sollen nicht mehr die Steuerprivilegien verlieren, von denen ihre Konkurrenten profitieren, die auf Mieterstrom verzichten.
Verkehr
- Bei der Elektromobilität ist geplant, gewerblichen E-Fahrzeugen Steuervorteile zu verschaffen. Geplant ist eine Sonderabschreibung von 50 Prozent im ersten Jahr beim Kauf eines E-Fahrzeugs. Außerdem soll die „bestehende Förderkulisse wo erforderlich über das Jahr 2020 hinaus fortgeführt und ergänzt“ werden. Damit ist wohl die Elektroauto-Prämie gemeint, die sich allerdings bisher als Flop erweist. Bis 2020 sollen mindestens 100.000 Ladepunkte für E-Fahrzeuge zusätzlich verfügbar gemacht werden, davon ein Drittel Schnellladesäulen.
- Allerdings scheint die Groko nicht ganz hinter der Förderung der Elektromobilität zu stehen. Unter dem Stichpunkt „Industrie“ findet sich im Koalitionsvertrag der Satz: „Es ist daher von besonderer Bedeutung, dass der Weg zu einer nachhaltigen Mobilität technologieoffen und ohne politische Technologiefestsetzung erfolgt.“ Außerdem wollen Union und SPD „emissionsarme und saubere Verbrennungsmotoren“ fördern.
- Die Groko will den ÖPNV fördern. Dazu sollen die Mittel für das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz „bis 2021 auf jährlich eine Milliarde Euro erhöht werden.“ Das wäre ein Fortschritt, denn bisher stellt der Bund den Gemeinden nach diesem Gesetz jährlich rund 330 Millionen Euro zur Verfügung, um Großprojekte im Nahverkehr finanzieren zu können.
- Bei der Luftreinhaltung wollen die Verhandler nach wie vor Fahrverbote für Dieselfahrzeuge vermeiden. Sie ziehen dafür auch „Hardware-Nachrüstungen“ in Betracht – allerdings nur „soweit technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar“. Für die Entscheidung über die Maßnahmen sollen außerdem Entwicklungen wie Gerichtsbeschlüsse abgewartet werden. Noch in diesem Monat entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig darüber, ob mit der derzeitigen Gesetzeslage Fahrverbote rechtlich möglich sind.
- Mit einem „Schienenpakt“ will die künftige Groko bis 2030 die Fahrgast-Zahlen der Bahn verdoppeln und auch mehr Güterverkehr auf die Schiene verlagern. Außerdem will sie die Elektrifizierung vorantreiben: „Bis 2025 wollen wir 70 Prozent des Schienennetzes in Deutschland elektrifizieren.“ Derzeit sind 60 Prozent der Schienen in Deutschland elektrifiziert.
Gebäude
- Die Groko will die energetische Gebäudesanierung steuerlich fördern. „Dabei werden wir für die Antragsteller ein Wahlrecht zwischen einer Zuschussförderung und einer Reduzierung des zu versteuernden Einkommens vorsehen“, heißt es im Vertrag. Konkrete finanzielle Zusagen dazu gibt es nicht mehr. In einer Zwischenversion hatte es noch geheißen, dass die energetische Gebäudesanierung mit einer Milliarde Euro jährlich gefördert werden soll.
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Was bisher in der Energieeinsparverordnung, im Energieeinsparungsgesetz und im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz einzeln steht, wollen die möglichen Koalitionäre in einem Gebäudeenergiegesetz zusammenfassen. Für dieses Gesetz hatte es schon in der vergangenen Groko einen Gesetzentwurf gegeben, doch wegen der Intervention einiger Unionspolitiker kam das Gesetz nie zum Abschluss. Ob das unter dieser Groko plötzlich gelingen wird, ist offen.
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Die Groko will den Bund zum Vorbild machen: Mehr öffentliche Gebäude sollen energieeffizient werden – „unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots und der Kosteneffizienz“. Was das genau heißt oder wann eine bestimmte Zielmarke erreicht werden soll, steht allerdings nicht im Koalitionsvertrag.
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Union und SPD wollen mehr und bessere Energieberatungen anbieten.
(Foto: Ansgar Koreng/Wikimedia)
Quelle
Der Hintergrund wurde von der Redaktion „KLIMARETTER.INFO“ (Von Friederike Meier und Susanne Schwarz) 2018 verfasst – das Nachrichten- und Debattenmagazin zu Klima und Energiewende – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung von „Klimaretter.info“ (post@klimaretter.info) weiterverbreitet werden!