Hände weg von Iran und Syrien
Friedensbewegung macht mobil gegen Kriegsdrohungen
Im Anschluss an eine bundesweite friedenspolitischen Aktionsberatung, zu der der Friedensratschlag am Sonntag nach Kassel eingeladen hatte, erlärte der Sprecher des Bündnisses:
In dramatischer Weise haben die USA, die EU und mit ihr die Bundesrepublik Deutschland die Drohkulisse gegenüber Syrien und Iran ständig erhöht. In beiden Fällen geht es aber – entgegen den offiziellen Bekundungen – nicht um Menschenrechte und Atompolitik, sondern um die Vorherrschaft in einer der geostrategisch bedeutendsten Regionen.
Libyen, darin waren sich die Teilnehmer/innen der Beratung einig, dürfe nicht zur Blaupause einer Militärintervention in Syrien werden. Innergesellschaftliche Auseinandersetzungen – so unversöhnlich sie momentan auch geführt werden mögen – dürfen keinen Vorwand für ein militärisches Eingreifen Dritter bieten. Libyen hat doch gerade gezeigt, dass der angebliche „Schutz“ der Bevölkerung vor den Angriffen des Regimes nicht funktioniert hat: Selbst nach Angaben der „Rebellen“ starben in dem NATO-Krieg 40- bis 50 Tausend Menschen.
Die Friedenskonferenz stellt fest: „Die Gestaltung der politischen und gesellschaftlichen Ordnung eines Landes ist ausschließlich Angelegenheit seiner Bevölkerung. Sich mit ihr zu solidarisieren heißt vor allem, die Gewaltspirale zu beenden und sich jeglicher Intervention von außen zu widersetzen. Die Überwindung autoritärer Herrschaftsstrukturen und Ausbeutung ist nur in Abwesenheit äußerer Einmischung möglich.“
Zudem ist es blauäugig zu meinen, in Syrien stünden sich unbewaffnete Demonstranten und eine martialisch ausgerüstete Armee Al-Assads gegenüber. Längst sind Teile der Opposition bewaffnet, haben Armeeangehörige samt Waffen die Seiten gewechselt und kämpfen nun im Rahmen der „Freien Syrischen Armee“ gegen das Regime in Damaskus. Alle bewaffneten Kräfte müssen ihre Kämpfe einstellen und in Waffenstillstandsverhandlungen einwilligen. Alles andere, vor allem aber ein Angriff von Außen, kann leicht zu einem Flächenbrand werden.
Von bürgerkriegsähnlichen Zuständen ist der Iran weit entfernt. Aus anderen Gründen ist das öl- und erdgasreiche Land im Visier der Westmächte. Ihm wird vorgeworfen, an der Atombombe zu basteln. Dabei enthält der im November 2011 veröffentlichte Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) keine belastbaren Belege für ein aktuelles iranisches Atomwaffenprogramm. Der Iran besteht aber auf seinem Recht auf ein „ziviles“ Atomenergieprogramm.
Dazu ist grundsätzlich festzustellen: Teheran nimmt tatsächlich nur das allen Staaten im Atomwaffensperrvertrag garantierte Recht für sich in Anspruch, den kompletten Kreislauf der Atomenergieproduktion nutzen zu können. Das muss uns als Friedensbewegung nicht gefallen – zumal wir spätestens seit Fukushima wissen, dass auch die zivile Nutzung der Kernkraft lebensbedrohend und letztlich eben nicht beherrschbar ist. Niemandem in der Welt wird es aber einfallen, die Länder, die auf Kernenergie setzen, mit Sanktionen zu bestrafen und militärisch zu bedrohen.
Dennoch haben die USA und die EU die „Strafmaßnahmen“ gegen Iran in einer Weise verschärft, die immer näher an einen Krieg heranführt. Das jüngst beschlossene totale Embargo gegen Ölimporte aus dem Iran und die Sanktionen gegen die iranische Zentralbank verfolgen das Ziel, den internationalen Ölhandel mit Iran ganz zum Erliegen zu bringen und stellen damit de facto einen Wirtschaftskrieg dar, in dessen Folge das Land destabilisiert werden soll.
Gegenmaßnahmen sind somit programmiert, die Spannungen und die wechselseitige Kriegsrhetorik werden sich gefährlich hochschaukeln. Verlierer ist wie immer in solchen Fällen die Zivilgesellschaft, die jeglicher Möglichkeit beraubt wird, demokratische und soziale Fortschritte gegen das herrschende System durchzusetzen. Wer es also wirklich ehrlich meint mit dem Wunsch nach mehr Demokratie und Partizipation der Menschen im Iran, muss sich jeglichem gewaltsamen Einmischungsversuch von Außen widersetzen.
Der von der Friedensberatung am Sonntag einstimmig verabschiedete Aufruf „Hände weg von Iran und Syrien“ enthält als Alternative zur Eskalation u.a. folgende Forderungen, die sich vor allem an die eigene Regierung, aber auch an NATO und EU richten:
- Verbot jeglicher Waffenexporte
- Beendigung der konfliktverschärfenden Sanktionen
- Keine Abschiebung von Deserteuren und Flüchtlingen
- Gesprächsangebote an den Iran über Kooperation und gemeinsame Sicherheit
- Aufnahme von Verhandlungen zur Einrichtung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen/Mittleren Osten.
Quelle
Bundesausschuss Friedensratschlag | Peter Strutynski 2012