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Herzstück des Europäischen Green Deals beschlossen

Nach dem Rat der Mitgliedsländer hat soeben auch das Europäische Parlament das Herzstück des Europäischen Green Deals beschlossen.

Das Paket enthält:
  • Die Verschärfung des EU-Emissionshandels für Energieproduktion und Industrie (ETS1)
  • Reform zur Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel
  • Die Absicherung für die energieintensive Industrie durch einen Grenzausgleichsmechanismus (“CBAM”)
  • Die Einführung eines zweiten Emissionshandels für die Bereiche Gebäude und Verkehr (ETS2)
  • Die Einführung eines EU-Klimasozialfonds

Der EU-Emissionshandel setzt harte Deckel für die Treibhausgasemissionen. Leider galt er bisher nur für gut 40% der Gesamtemissionen. Durch den neuen Emissionshandel für Gebäude und Verkehr sowie die Erweiterung des ETS1 für kleinere Industriebetriebe werden künftig über 85% aller EU-Treibhausgasemissionen vom Emissionshandel erfasst. Auch Verkehr und Gebäude, die beim Klimaschutz bisher besonders schlecht geliefert haben, sind nun durch einen echten Emissionsdeckel erfasst. Das ist der Kern des Erfolges heute. Zudem erhöhen wir die Emissionsminderungsanstrengung für Industrie und Kraftwerke auf -62% bis 2030 gegenüber 2005 (bisher sind es -43%).

Damit verdoppeln wir die jährliche Treibhausgasreduktion rechtsverbindlich und europaweit.

So kommen wir bei der Einhaltung unserer Klimaziele einen Riesenschritt weiter. Dieses Klimapaket wurde nur durch die Zuspitzung der Klimakrise und die Protestbewegung Fridays for Future. Sie hatte großen Einfluss auf das Ergebnis der Europawahlen 2019 samt Stärkung von uns Grünen und in vielen Mitgliedsstaaten. Mit dem Green Deal und den heute beschlossenen Maßnahmen setzt sich Europa klimapolitisch weltweit an die Spitze. Das Paket wurde mit der proeuropäischen Mehrheit aus Konservativen/Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen beschlossen. Rechtsextreme, Rechtspopulisten und Linke haben dagegen mindestens große Teile des Pakets abgelehnt.

Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass die Verschärfung des Klimaschutzes längst überfällig war und von der Klimawissenschaft lange und einhellig gefordert wurde. Ebenso wahr ist, dass wir damit noch nicht unseren gerechten Beitrag zum 1,5 Grad Ziel leisten. Doch wir sind einen großen Schritt vorangekommen.

Die EU-Kommission und die Mehrheit im Europaparlament haben den Deal stärker gemacht. Innerhalb des Rates der Mitgliedsländer hat die Bundesregierung sich erfolgreich für den Klimaschutz eingesetzt. Die Ausweitung des Emissionshandels auf Gebäude und Verkehr haben wir gegen harten Widerstand aus dem Europaparlament und etlichen Mitgliedsstaaten durchgesetzt. Das Europaparlament hat sich ihrerseits für einen starken Klimasozialfonds, die Ausweitung des Emissionshandels auf mehr Industriebetriebe, weniger freie Zertifikate für die Industrie und ein insgesamt höheres Ambitionsniveau eingesetzt.

Anders als ordnungspolitische Maßnahmen oder finanzielle Förderungen für Klimaschutz in einzelnen Bereichen setzt der Emissionshandel einen harte Grenze für Treibhausgasemissionen durch. Es braucht keine immer neuen politischen Entscheidungen, sondern der Marktpreis setzt die politisch vereinbarte Senkung der Emissionen durch. Dieser “marktwirtschaftliche Umweltschutz” und seine Ausweitung ist ein großer Fortschritt, den wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben.

Aber es ist ein Missverständnis zu glauben, dass der Emissionshandel andere Maßnahmen wie Ordnungsrecht, technologische Standards, ökologische Infrastruktur oder Fördermaßnahmen ersetzt.

Das Gegenteil ist der Fall. Denn wenn die Preise für die Emissionszertifikate durch die Decke gehen, werden sich z.B. Pendler*innen oder Bewohner*innen unsanierter Häuser mit niedrigen Einkommen in “Energiearmut” getrieben. Ebenso schaden hohe Zertifikatspreise der Industrie im internationalen Wettbewerb – selbst mit einem Grenzausgleich. Letztlich sind daher zu hohe Zertifikatspreise auch ein politisches Risiko für den Klimaschutz, weil die Akzeptanz für den Emissionshandel selbst unter Druck kommt.

Preisinstrumente und ökologische Industriepolitik, Zertifikate und Ordnungsrecht – sind eben kein Widerspruch, sondern ergänzen einander. Klimaschutz braucht den Einsatz der gesamten Gesellschaft. Der Emissionshandel sorgt aber für Transparenz und einen automatisch wirkenden Korrekturmechanismus, der allen gemeinsam zeigt, ob wir auf dem beschlossenen Kurs sind.

Doch gerade mit der Ausweitung auf Gebäude und Verkehr stellen sich soziale Fragen.

Daher hat Europa hier Neuland betreten: Erstmals im europäischen Recht überhaupt, beschließt die EU im Mehrheitsverfahren einen starken sozialen Ausgleich. Erstmals beschließt die EU parallel zu einer regulatorischen Maßnahme im Binnenmarkt gleichzeitig einen Ausgleich sozialer Folgekosten. Dabei startet der Klimasozialfonds schon in 2026, während der ETS2 erst zum 1.1.2027 startet. Insgesamt stellen die EU sowie die Mitgliedsstaaten rund 87 Mrd. Euro zur Verfügung, um Klimaschutz sozial gerecht zu machen. Nun liegt es an den Mitgliedsstaaten, diese Gelder so auszugeben, dass die verletzlichsten Mitbürger*innen präzise erreicht werden.

Genauso wie Klimaschutz sozial gerecht sein muss, fördert effektiver Klimaschutz Innovation, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Daher war der Bundesregierung wichtig, dass das Auslaufen der kostenlosen Zertifikate nicht zu schnell geschieht. Ebenso kommt es nun darauf an, den Green Deal mit grüner Industriepolitik in eine neue Phase zu führen.

Im Rat wie im Parlament war das Gesamtpaket von Green Deal-Maßnahmen ein komplexer Kompromiss.

Dazu gehörte auch das Ende des konventionellen Verbrennungsmotors für PKWs. Das Veto des Verbrenner-Aus hatte das Potenzial den gesamten Green Deal zu gefährden. Daher haben wir unermüdlich an einem Kompromiss mit der EU-Kommission gearbeitet. Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, dass es zu dieser Blockade nicht gekommen ist. Das Verbrenner-Aus ist gut für das Klima und gute Industriepolitik.

Als Koordinator der Staatssekretärsrunde für den Green Deal habe ich nun mein Gesellenstück abgelegt. Den Hauptteil der Arbeit hat unser großartiges Team von Beamt*innen im BMWK geleistet. Dabei haben wir eng mit dem Bundeskanzleramt, dem Umweltministerium und anderen Häusern zusammengearbeitet. Ebenso wichtig war die enge Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament. Besonders bedanken möchte ich mich dort bei Michael Bloss, Pascal Canfin, Peter Liese, Mohammed Chahim und Tiemo Wölken. Alle haben einen wichtigen Beitrag zu diesem Erfolg geleistet!

Doch nun geht es weiter. Mit den industriepolitischen Vorschlägen im Rahmen des Green Deals tritt der Green Deal in eine neue und notwendige Phase.

Ebenso gilt es bei der Kreislaufwirtschaft und Entgiftung von Produkten Fortschritte zu machen. Die EU-Kommission hat auch hier Vorschläge vorgelegt. Vorschläge für effektive Maßnahmen im Bereich der Landwirtschaft fehlen leider noch. Damit schmerzt umso mehr, dass der Landwirtschaftssektor vom Emissionshandel ausgenommen bleibt. Und schließlich: Bei den Treibhausgasemissionen beginnen nun die Diskussionen um das EU-Klimaziel für 2040.

Quelle

Sven Giegold 2023 | Seit Dezember 2021 Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

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