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„Inszenierte Parade“ und Reality Show – Climate Week in New York

Ban Ki Moon hat die weltweite Elite der Entscheider zu sich geladen, um ihnen konkrete Zusagen im Kampf gegen den Klimawandel abzuringen.

Internationale Nichtregierungsorganisationen reagieren mit Respekt, Skepsis und Ablehnung. Ein chinesischer Greenpeace-Mann versucht es mit einer ganz eigenen Strategie.

Zum ersten Mal seit fünf Jahren kommen am Dienstag die Führer der Welt zusammen, um über das zu sprechen, was als ökologisches Desaster schlechthin gilt: die Erderwärmung. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon drängt die mehr als 120 politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger, die auf dem Klimagipfel am 23. September in New York erwartet werden, zu substanziellen Zusagen, „damit die Welt einen Pfad einschlagen kann, der die globale Erwärmung begrenzt“, wie Ban fordert.

Die Szenarien treiben jeden um, der ein paar Jahrzehnte vorausdenkt: extreme Wetterphänomene, übersäuerte Meere, abschmelzende Pole. Rückgang der Artenvielfalt, Anstieg der Meeresspiegel, Gefährdung der Welternährung. Was geschehen müsste, wissen alle: Der Treibhausgas-Ausstoß muss schnell und wirksam reduziert, der unvermeidbare Klimawandel abgefedert werden. Doch was ist von einem Event zu erwarten, das nur einen einzigen Tag dauert?

Timothy Gore von der „Grow“-Kampagne der internationalen Hilfsorganisation Oxfam glaubt nicht, dass sich ein Problem wie der Klimawandel mit einem solchen Gipfel lösen lässt. Allerdings räumt er ein: Sollte der politische Wille zum Handeln erkennbar werden, könnte das Treffen in New York durchaus einen Wendepunkt markieren. Einige Staats- und Regierungschefs würden sicherlich die Gelegenheit nutzen, um genau diese Handlungsbereitschaft zu demonstrieren.

Der Gipfel der Freiwilligkeit

Gleichzeitig aber sieht der Oxfam-Experte genügend Anzeichen dafür, dass die nötigen Zugeständnisse und Zusagen ausbleiben werden. „Freiwillige Initiativen sollen im Mittelpunkt stehen – das bedeutet, dass es keine Garantien dafür gibt, dass die auf dem Gipfel gemachten Ankündigungen belastbar genug sind.“

Zum Beispiel die Finanzzusagen: Der „Grüne Klimafonds“, der 2011 aufgelegt worden war, soll ab 2020 rund 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr aus den Industriestaaten mobilisieren, um Mittel für Klimaschutz und Klimaanpassung in den Entwicklungsländern bereitzustellen.

Dazu wäre es jetzt schon höchste Zeit, meint Dipti Bhatnagar von der Organisation Justiça Ambiental aus Mosambik, Koordinatorin für Klimagerechtigkeit und Energie bei Friends of the Earth International. Sie macht sich keine Illusionen:  „Am 23. September werden wir erleben, wie Politik und Wirtschaft mit ihren Zusagen weit hinter dem zurückbleiben, was wir brauchen, um einen gefährlichen Klimawandel abzuwenden.“

Für die Umweltrechtlerin ist Ban Ki Moons Klimagipfel die komplett falsche Veranstaltung. „Allein der Gedanke, dass es unsere Entscheidungsträger bei freiwilligen, unverbindlichen Zusagen belassen werden, ist an sich schon ein Unding angesichts der Hunderttausenden Menschen, die jedes Jahr durch die Auswirkungen des Klimawandels zu Tode kommen“, empört sich Bhatnagar. „Wir brauchen ehrgeizige und verbindliche Ziele zur Verringerung der CO2-Emissionen in den Industrieländern – und keine Parade von Staats- und Wirtschaftsführern, die versuchen, sich in einem guten Licht darzustellen. Doch genau das werden wir erleben auf diesem Eintags-Gipfel.“

Am gestrign Sonntag sind in New York und vielen anderen Städten der Welt die Menschen zu Hunderttausenden auf die Straße gegangen, um entschlossene und wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel zu fordern. Morgen beginnt dann die Climate Week New York, unter anderem mit dem Weltgipfel der indigenen Völker.

Martin Kaiser leitet das globale Klimaprojekt bei Greenpeace, er meint: „Es ist gut, dass Ban Ki Moon jetzt einen Weltgipfel ausrichtet. Wir selbst werden am 21. September auf den Straßen von New York unterwegs sein und mit dem längsten Klimamarsch aller Zeiten den Führenden unmissverständlich klar machen, dass sie endlich handeln müssen.“

Finanzierungsstopp für Kohlekraftwerke

Kaiser fordert von den Staatschefs und Unternehmensführern, dass sie mit konkreten Zusagen nach New York kommen. Von den Unternehmern erwarte Greenpeace genaue Angaben, wann sie die 100-prozentige Umstellung ihrer Aktivitäten auf erneuerbare Energien vollzogen haben werden.

Die Staaten wiederum müssten sich verpflichten, sich spätestens 2050 von fossilen Brennstoffen verabschiedet zu haben. Zunächst gehe es um konkrete Schritte wie einen Stopp der Finanzierung für Kohlekraftwerke. „Wir erwarten von den Regierungen auch die Bekanntgabe neuer, zusätzlicher Mittel für den Grünen Klimafonds, um den klimaanfälligen Ländern bei der Anpassung zu helfen und die Welt auf saubere und sichere Energieträger umzustellen.“

Bhatnagar ergänzt: „Wir brauchen auch eine verlässliche öffentliche Finanzierung durch die Industrie- und Entwicklungsländer über das UN-System.“ Die Regierungen der reichen Länder müssten mehr Verantwortung in der Welt übernehmen, um eine Klimakatastrophe zu verhindern, kritisiert die Aktivistin aus dem Süden. Sie ließen ihre Politik von einer Minderheit wohlhabender Wirtschafts- und Finanzeliten, von der fossilen Brennstoffindustrie und multinationalen Konzernen bestimmen.

„Gegen den Klimawandel helfen nur ehrgeizige Emissions-Einschnitte bei den Industriestaaten bei gleichzeitigem Technologietransfer in die Entwicklungsländer“, legt Bhatnagar nach. „Und wir brauchen eine vollständige Umstellung unserer Energie- und Ernährungssysteme.“

Für Gore von Oxfam ist noch etwas anderes von Belang: mehr Transparenz, um überhaupt beurteilen zu können, ob die Ankündigungen mit den jüngsten Erkenntnissen der Klimaforschung Schritt halten und die Interessen derer berücksichtigen, die die Hauptlast des Klimawandels tragen müssen. Auf die Frage nach der Rolle des Privatsektors meint er, dass die Unternehmen wichtig seien. Einige engagierten sich auch schon im Kampf gegen den Klimawandel. So sei es Oxfam im Nahrungsmittelsektor gelungen, auch große Unternehmen zu konkreten Zusagen für CO2-Einsparungen in ihren Lieferketten zu bewegen.

Insgesamt werde der Gipfel aber zeigen, dass viel zu große Teile des Privatsektors stark hinterherhinken, fügt Gore hinzu. Die Firmen-Initiativen, die in New York zu erwarten seien, würden sich dem erforderlichen Transformationsprozess kaum gewachsen zeigen. „Das sollte uns klarmachen, dass wir gegen den Klimawandel starke Regierungen brauchen. Freiwillige Selbstverpflichtungen können Regierungshandeln nicht ersetzen.“

„Schluss mit den fossilen Subventionen“

Bhatnagar von Friends of the Earth ist sich sogar sicher, dass dem Privatsektor im Kampf gegen den Klimawandel nicht zu trauen ist. Umweltzerstörer, denen Profit vor Zukunftssicherung gehe, hätten in der privaten Wirtschaft einen zu großen Einfluss. „Sie verschärfen den Klimawandel mit jedem Tag, und dann werden sie auch noch massiv staatlich unterstützt“, schimpft sie. „Mit den öffentlichen Subventionen muss endlich Schluss sein.“

Li Shuo von Greenpeace China drückt sich vorsichtiger aus. Die neue chinesische Regierung werde auf dem Ban-Ki-Moon-Gipfel ihr Debüt auf der internationalen Klimabühne geben, schickt er voraus. Die Volksrepublik habe schon wichtige Fortschritte gegen den Kohleboom zu Hause vorzuweisen. Nun sollte die Regierung die Gelegenheit ergreifen und von der „Die anderen zuerst“-Taktik abrücken, die Fortschritte bei früheren Klimasgeprächen ausgebremst habe.

„Wäre es nicht wunderbar, wenn China, ermutigt durch die Ergebnisse zu Hause, die Führung übernähme, um der Welt ein neues globales Klimaabkommen zu verschaffen?“, fragt Li. „Zum Beispiel könnte unsere Regierung in New York bekannt geben, dass sie den Höhepunkt ihrer Treibhausgasemissionen weit vor 2030 erreichen wird.“

Quelle

klimaretter.info 2014

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