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Keine Lust auf Energieeffizienz

Viele Politiker reiben sich in Brüssel derzeit verwundert die Augen über die Energiepolitik der deutschen Bundesregierung.

Die endlose Debatte um die neue EU-Effizienzrichtlinie zeigt den mangelnden Willen der Bundesregierung, das Thema Energieeffizienz entschieden anzugehen – und liefert nebenbei ein aufschlussreiches Beispiel dafür, welche Lobbygruppen in Berlin das Sagen haben.

Viele Politiker reiben sich in Brüssel derzeit verwundert die Augen über die Energiepolitik der deutschen Bundesregierung. Allen voran Claude Turmes, Grünen-Abgeordneter aus Luxemburg und Berichterstatter des EU-Parlaments zur Effizienzrichtlinie. „Im Grunde genommen machen wir das hier seit fünf Jahren alles wegen Angela Merkel“, so Turmes gegenüber dem Internetportal klimaretter.info. Ausgerechnet an ihr drohe nun auf der Zielgeraden alles zu scheitern. „Deutschland sagt nein. Laut, kategorisch, unverrückbar.“

Rückblende: Bereits 2007 setzte sich die EU in ihrer 20-20-20-Strategie zum Ziel, bis 2020 den CO2-Ausstoß um 20 Prozent zu verringern, den Anteil der erneuerbaren Energien auf 20 Prozent zu steigern und 20 Prozent des Energieverbrauchs durch Effizienzmaßnahmen einzusparen. Um die Steigerung der Energieeffizienz zu erreichen, arbeitete die EU-Kommission die sogenannte Effizienzrichtlinie aus, die in Ausschüssen des Parlaments inzwischen zu einem Kompromiss überarbeitet wurde. Unter anderem ist vorgesehen, die Energieversorger dazu zu verpflichten, jährlich 1,5 Prozent weniger Energie zu verkaufen. Die Einsparungen sollen durch Maßnahmen bei den Endkunden wie z.B. Wärmedämmung oder Stromsparinitiativen erreicht werden. Daneben soll die öffentliche Hand ihre Sanierungsquote bei Bestandsgebäuden auf 2,5 Prozent anheben, Verbraucher sollen durch zwingend vorgeschriebene intelligente Zähler ihren Energieverbrauch und ihre Rechnungen besser kontrollieren können. Die Zustimmung im Parlament scheint sicher, einige sprechen gar von einer „Effizienz-Euphorie“ im Plenum. Fehlt nur noch die Zustimmung der EU-Länder im Europäischen Rat – doch diese droht am Widerstand einzelner Länder, angeführt durch den Platzhirsch Deutschland, zu scheitern.

Die Bundesregierung sperrt sich vehement gegen alle verbindlichen Zielsetzungen. Vielmehr verabschiedeten die Minister Rösler und Röttgen ein eigenes Ergebnispapier mit einem Kompromissvorschlag, der mehr Flexibilität für die einzelnen Mitgliedstaaten fordert und nach dem Maßnahmen aus der Vergangenheit angerechnet werden könnten. Rösler lehnt Vorgaben gegenüber Energieversorgern als „Planwirtschaft“ ab. In Brüssel herrscht völliges Unverständnis über diesen erneuten Bremsklotz. „Die Sache ist schwierig, weil es mächtige Konzerne gibt, die sehr viel Geld mit dem Verkauf von Energie verdienen. Wo viel Geld verdient wird, da ist viel Lobbyismus im Spiel“, weiß Claude Turmes. Bei der Bundesregierung scheint die Lobbyarbeit der Stromkonzerne jedenfalls zu fruchten. Unterstützt werden diese von den bei CDU und FDP einflussreichen Industrieverbänden. Der Bundesverband der Deutschen Industrie forderte jüngst in einer Stellungnahme gar, dass es möglich sein müsse, bei entsprechendem Wirtschaftswachstum mehr statt weniger Energie zu verbrauchen. Man wolle marktorientierte und kosteneffiziente Lösungen.

Gegen diese Allianz tun sich Klimaschützer und Effizienzexperten schwer. Dabei sorgt die der Bundesregierung nicht nur in Brüssel für Kopfschütteln. Führende Energieforscher aus Deutschland appelierten bereits im Januar an Kanzlerin Merkel, auf europäischer Ebene endlich eine konstruktive Haltung einzunehmen: „Eine erfolgreiche Effizienzpolitik kann nicht allein auf den marktwirtschaftlichen Selbstlauf setzen, sondern muss als große Innovationsaufgabe verstanden werden und auf alle Wirkungsmechanismen setzen: auf Förderung, Motivation, Information und Fortbildung, aber auch auf ordnungsrechtliche Instrumente, Marktüberwachung und Zusammenarbeit mit der Wirschaft.“

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, wie viel Potenzial im Effizienzbereich steckt. Mit 20 Prozent eingesparter Energie könnten in der EU bis 2020 rund 860 Millionen Tonnen CO2 eingespart und damit rund 400 Millionen Tonnen Rohöleinheiten weniger Primärenergie verbraucht werden – was ca. 1000 Kohlekraftwerken entspricht, die dadurch überflüssig würden. Allein durch Energiesparmaßnahmen beim Endkunden erhoffen sich die EU-Experten Einsparungen von 15 bis 20 Prozent, bei der Elektrizität sogar bis zu 40 Prozent. Eine simple Botschaft, die in Berlin vor der nächsten entscheidenden Verhandlungsrunde in Brüssel hoffentlich doch noch Gehör findet.

Quelle

Energieagentur Regio Freiburg GmbH 2012Dieser Text ist in der Solarregion Ausgabe 2/2012 erschienen. 

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