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© Depositphotos | nirutdps | Deutschlands Braunkohlekraftwerke werden unter Schwarz-Rot noch eine Weile laufen.

Koalitionspapier: Schwarz-Rot bremst beim Klimaschutz ab

Größter Konfliktpunkt von Union und SPD bei Klima und Energie ist die Zukunft des Heizungsgesetzes. Das zeigt das Klimareporter° vorliegende Abschlusspapier der Verhandler. Vieles bleibt im Ungefähren und zeugt von wenig Ambition.

Auf elf Seiten hat die Arbeitsgruppe Klima und Energie der schwarz-roten Koalitionsverhandler pflichtgemäß aufgeschrieben, wie es mit dem Klimaschutz in Deutschland weitergehen soll. Gegenüber der Sondierung bietet das Klimareporter° vorliegende Abschlusspapier wenig Überraschendes – der größte Konflikt droht weiter beim Heizungsgesetz.

Auch in anderen Punkten brachte die Union ihre Stichworte wie grüne Moleküle und Kernenergie unter. Wichtige künftige Klimaprobleme wie Einbeziehung der Landwirtschaft in den Emissionshandel oder der Ausbau natürlicher CO2-Senken werden umschifft oder kommen nicht vor.

Klimaziel: Am Pariser Klimaabkommen will Schwarz-Rot ebenso festhalten wie am Ziel der Klimaneutralität bis 2045 in Deutschland. Eine diskutierte Verschiebung auf 2050 ist damit vom Tisch.

Das Klimaziel soll dabei, heißt es in dem Papier, mit einem Ansatz erreicht werden, der Klimaschutz, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und soziale Ausgewogenheit zusammenbringt und auf Innovationen setzt. Das klingt ganz nach Unionsvorstellungen. Was für Innovationen das sein sollen, bleibt aber weitgehend unklar.

Union will Heizungsgesetz abschaffen, weiß aber nicht, wie

Gebäudeenergiegesetz: Die Zukunft des sogenannten Heizungsgesetzes bleibt der größte Knackpunkt der angestrebten Koalition. Union und SPD vertreten weiter konträre Positionen.

CDU und CSU wollen das Heizungsgesetz weiterhin abschaffen, wie im Wahlkampf versprochen. Es solle, heißt es in ihrem in Klammern stehenden Passus, neues Recht geschaffen werden, das einen „Paradigmenwechsel“ vollziehe – weg von kurzfristiger Effizienzbetrachtung beim Einzelgebäude und hin zu einer langfristigen Betrachtung der Emissionseffizienz.

Wie die Union das Wahlversprechen konkret einlösen will, bleibt aber im Ungefähren. So will sie die Gebäudeeffizienzklassen mit Deutschlands Nachbarländern harmonisieren. Auch sollen Spielräume bei der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie ausgeschöpft werden.

Die SPD verweist dagegen klar auf den absehbaren gesetzgeberischen Vorgang und will das Gebäudeenergiegesetz „zügig“ novellieren. Allen Menschen solle bis 2045 „sozialverträglich klimaneutrales Heizen“ ermöglicht werden, schreiben die Sozialdemokraten.

SPD macht Zugeständnisse

Die SPD deutet aber auch Zugeständnisse in Richtung Union an. So sollen Regelungen „technologieoffener, flexibler und einfacher“ werden und die Förderung „verlässlich, unbürokratisch und effizient und sozial gestaffelt“, heißt es in ihrer Klammerbemerkung.

Auch sollen nach SPD-Vorstellungen Finanzierungsinstrumente wie zinsgünstige Kredite, soziale Heiz-Mietmodelle sowie Abschreibungsmöglichkeiten im vermieteten Gebäudebestand gestärkt werden. Für die SPD soll die CO2-Vermeidung „zur zentralen Steuerungsgröße werden, um die Gesamteffizienz eines Gebäudes durch Heizung, Gebäudehülle und Umfeldmaßnahmen zu verbessern“.

Ein spezieller Konflikt zeichnet sich hier ab, was die Zukunft der Gasnetze betrifft. Währen die Union die Netze erhalten will – auch wenn sie vermutlich viel weniger gebraucht werden –, will die SPD nur die für eine sichere Wärmeversorgung notwendigen Gasnetze nicht stilllegen.

Kraftwerksstrategie: Wie schon im Sondierungspapier vereinbart, hält auch die Arbeitsgruppe den Bau von 20.000 Megawatt neuer Gaskraftwerksleistung bis 2030 für nötig. Die neuen Gaskraftwerke sollen deutschlandweit vorrangig an bestehenden Kraftwerksstandorten entstehen, wird eine weitere Formulierung aus der Sondierung übernommen.

Neue Kraftwerke sollen nun „technologieoffen“ sein

Weggefallen ist gegenüber der Sondierung aber das Ziel, per neuer Gaskraft auch die Strompreise zu senken. Dafür soll die Auslastung der Anlagen „regional nach Bedarfen gesteuert werden“, heißt es im Papier. Der windkraftreiche Norden braucht auch wirklich weniger neue Gasanlagen.

Neu gegenüber dem Sondierungspapier ist weiter, dass die Ausschreibungen für die neuen Kraftwerke „technologieoffen“ sein sollen. Dadurch und durch einen „marktwirtschaftlichen Kapazitätsmechanismus“ könne ein „Technologiemix aus Kraftwerken und Erzeugungsanlagen (Bioenergie, KWK etc.) sowie Speichern und Flexibilitäten entstehen“, ist zu lesen. Damit landet Schwarz-Rot wieder bei der Strategie des scheidenden grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck.

Kohleausstieg: Beim Aus für die Kohleverstromung enttäuschen Union und SPD. Sie wollen am Ausstiegspfad für die Braunkohleverstromung bis spätestens 2038 festhalten. Alle Voraussagen, die Kohleverstromung würde spätestens 2030 unwirtschaftlich, schiebt man beiseite.

Zudem machen die Koalitionäre den Kohleausstieg davon abhängig, wie schnell es gelingt, steuerbare Gaskraftwerke neu zu bauen. Das verschiebt den Kohleausstieg weiter.

Atomkraft: Bei der Kraftwerksfrage findet sich auch ein längerer Unions-Passus zur Kernenergie. Diese könne mit Blick auf Klimaziele und Versorgungssicherheit eine bedeutende Rolle spielen, behaupten die Konservativen.

Konkret solle „schnellstmöglich“ eine Bestandsaufnahme angestrebt werden, ob eine Wiederaufnahme des Betriebs der zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke unter vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand noch möglich ist. Bis dahin soll der Rückbau „umgehend“ und „möglichst durch eine freiwillige Vereinbarung mit den Betreiberunternehmen“ gestoppt werden.

Man braucht kein großer Prophet zu sein für die Voraussage, dass sich die Betreiber nicht oder nur äußerst ungern auf so eine Vereinbarung einlassen werden. Für sie ist das Kapitel Atomkraft in Deutschland beendet.

Klimageld wird aus europäischen Mitteln bezahlt

Klimageld: Zur seit Jahren diskutierten Rückgabe von CO2-Kosten an die Bevölkerung stellt die Vorlage von Union und SPD klar, dass damit frühestens 2027 zu rechnen ist, und zwar zeitgleich mit der Einführung des zweiten europäischen Emissionshandels (ETS 2) für Verkehr und Gebäude. Denn für das Klimageld sollen auch die Mittel des mit dem ETS 2 entstehenden europäischen Klimasozialfonds genutzt werden, sind sich Union und SPD einig.

Auch wird es wohl keine Pro-Kopf-Rückzahlung geben. Man wolle „unbürokratische und sozial gestaffelte Entlastungen und Förderungen beim Wohnen und bei der Mobilität auf den Weg bringen“, ist sich die Arbeitsgruppe einig. Klimageld soll es zudem auch für stark betroffene Wirtschaftsbranchen geben.

Energiepreise: Bei den Preisen für Energie bleibt es bei der schon im Sondierungspapier angekündigten Entlastung um fünf Cent je Kilowattstunde. Aufgegriffen wird auch der von der Ampel mehrfach angekündigte, aber nie eingeführte Industriestrompreis für energieintensive Unternehmen.

Neu ist dagegen, dass Union und SPD die Gasspeicherumlage streichen wollen. Sie war von der Ampel in der Energiekrise eingeführt worden, um eine ausreichende Füllung der Speicher über den Winter zu sichern. Die Umlage hatte sich aber als Kostentreiber entpuppt.

An ihrer Stelle wolle man nun „geeignete Instrumente“ auf den Weg bringen, um eine „versorgungssichere und kostengünstigere Befüllung der Gasspeicher sicherzustellen“, heißt es im Papier dazu noch recht unkonkret.

Umweltrecht: Wie schon die Ampel will auch die neue Koalition den Ausbau der erneuerbaren Energien durch Planungserleichterung beschleunigen. Die Union holt hier eine alte Forderung hervor und will bei Energiewendeprojekten auf den naturschutzrechtlichen Ausgleich verzichten.

Uneinigkeit beim Flächenziel für Windkraft

Dazu müsste aller Voraussicht nach europäisches Recht geändert werden, was nicht so einfach sein dürfte. Zudem hat die Ampel für die Planungserleichterung schon viel getan. Ob noch mehr „Vereinfachung“ wirkt, darf bezweifelt werden.

So wurden bei der jüngsten Windkraft-Ausschreibung fix und fertig genehmigte Projekten im Umfang von 4.900 Megawatt eingereicht – die Bundesnetzagentur erteilte aber nur knapp 4.100 Megawatt den Zuschlag. Fast jedes fünfte baureife Megawatt kommt also vorerst nicht.

Um das zu ändern, müsste keine Planung erleichtert, sondern einfach die ausgeschriebene Menge erhöht werden. Davon ist im Papier nichts zu lesen.

Dafür sind sich die angehenden Koalitionäre beim bundesweiten Zwei-Prozent-Flächenziel für Windenergie noch nicht einig. Die SPD will daran festhalten, die Union gräbt auch hier eine alte Idee aus und will anstelle des Flächenziels ein Ökostromziel ausgeben.

Netze: Bei den Netzen verhaken sich die Koalitionäre weiter bei der schon seit rund zwei Jahren diskutierten Frage, ob künftige Gleichstrom-Ferntrassen wieder als Freileitungen gebaut werden (Union) oder ob es beim Vorrang für Erdkabel (SPD) bleibt.

Die Sozialdemokraten sind auch dafür, in Deutschland mehrere Stromgebotszonen einzurichten. Dies würde den vielfach SPD-regierten Norden des Landes bevorteilen. Die Union will bei einer einheitlichen Stromgebotszone bleiben. Das würde die Netzkosten für den windkraftarmen Süden subventionieren.

Erneuerbare-Energien-Gesetz: Über die Zukunft des EEG ist von den Koalitionären nichts zu lesen. Der Ausbau der Erneuerbaren solle netzdienlich sein und Sonne, Wind, Bioenergie, Wasserkraft und Geothermie einschließen – und die Potenziale „klimaneutraler Moleküle“. In der Perspektive solle sich die Erneuerbaren „vollständig“ am Markt refinanzieren – wann und wie, dazu wird nichts gesagt.

CO2-Abscheidung und -nutzung: Einig sind sich Union und SPD, umgehend ein Gesetzespaket zu beschließen, das Abscheidung, Transport, Nutzung und Speicherung von Kohlendioxid – bekannt unter den Kürzeln CCS und CCU – insbesondere für „schwer vermeidbare“ Emissionen der Industrie ermöglicht.

Die Union möchte allerdings, dass das CO2-Gesetz nicht nur für schwer vermeidbare Emissionen gilt, sondern für „alle Industriebranchen und auch für Gaskraftwerke“. Letzteres ist eine beliebte Forderung unter Unionspolitikern, alle Studien sagen aber, dass der so erzeugte Strom viel zu teuer ist.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude) 2025 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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