Koalitionsverhandlungen: Die wunderliche Arbeitsgruppe Energie
Die Koalitionsverhandlungen sind gestartet. Was wird im Bereich Energie dabei herauskommen? Die CDU hat die Arbeitsgruppen-Besetzung veröffentlicht, was im Sinne der Transparenz eine sehr lobenswerte Entscheidung ist. Die Verhandlungen werden hochspannend und die Weichen stellen für viele Jahre, denn erfahrungsgemäß wird sich die Koalition im Streitfall immer an den ausgehandelten Vertrag halten. Gibt es also ein Energieministerium? Wie geht es mit dem Ausbau der Erneuerbaren weiter, wird das EEG grundlegend reformiert oder gar abgeschafft? Erhalten Kohle- und Gaskraftwerke künftig hohe Subventionen? Von Jakob Schlandt
Nicht alles wird in der Arbeitsgruppe entschieden, bei grundsätzlichen Fragen werden die Chefs Angela Merkel und Sigmar Gabriel Einfluss nehmen und die große Runde mitsprechen. Dennoch: Die Detailarbeit der Arbeitsgruppe Energie wird über Milliarden entscheiden und die Weichen stellen für vier Jahre Energiepolitik.
Der Phasenprüfer hat sich die 17 Politiker, die für Union und SPD verhandeln, deshalb einmal genauer angeschaut. Wofür stehen sie, wie haben sie sich in den letzten Monaten und Jahren positioniert? Am Ende ziehen wir ein kleines Résumé, das zu einem überraschenden Schluss kommt. Ein Hinweis noch: Das ist eine Kurzeinschätzung, eine differenziertere Betrachtung würde bei 17 Personen jeden Rahmen sprengen. Gegebenenfalls werde ich die Einträge auch noch einmal überarbeiten.
CDU:
Peter Altmaier (Umweltminister, Leitung der Arbeitsgruppe):Peter Altmaier hat seit seinem Amtsantritt im vorigen Jahr immer wieder glaubhaft klar gemacht, dass er die Energiewende will. Er setzte sich in Brüssel für eine Verknappung der Kohlendioxid-Zertifikate und höhere Einsparungsvorgaben ein, scheiterte aber wie mit vielen Initiativen an Philipp Rösler, dem Noch-Wirtschaftsminister. Andererseits ist er auch schwer berechenbar: Mit seiner unseriösen Angabe, die Energiewende koste eine Billion Euro, hat er seinem Ansehen geschadet. Die unausgegorene “Strompreisbremse” wurde nicht umgesetzt, der dreiste Vorschlag, Anlagenbetreibern nachträglich Geld zu kürzen, musste sogar von Merkel selbst wieder eingefangen werden.
Thomaß Bareiß (Energie-Koordinator der Unionsfraktion, Baden-Württemberg): Bareiß ist ein wirtschaftsliberaler Vertreter der Union. Er setzt sich für eine umfassende und marktorientierte Reform der Förderung der Erneuerbaren ein sowie für den Bau von neuen Kohle- und Gaskraftwerken. Er hat sich schon früh gegen eine Koalition mit den Grünen ausgesprochen. Fazit: Macht keinen Hehl aus seiner Skepsis in Sachen Energiewende und will Marktinstrumente durchsetzen.
Maria Flachsbarth (Mitglied im Umweltausschuss, Niedersachsen): Hauptthema von Flachsbarth ist die Endlagerfrage und damit das niedersächsische Gorleben. In vielen Bereichen der Energiewende ist nicht voll ersichtlich, wo sie sie steht. Beiträge lassen auf eine gemäßigte Position schließen. Fazit: Noch recht unbeschriebenes Blatt bei einigen Fragen der Energiewende, aber mit Fachexpertise in Teilbereichen.
Andreas Jung (Chef des parl. Beirats für nachhaltige Entwicklung im Bundestag, Baden-Württemberg): Ein progressiver und umweltbewegter Abgeordneter. Zitat: “Die Energiewende bringt Chancen für unsere Region – für regionale Wertschöpfung, für Mittelstand und Handwerk, für Stadtwerke und Bürgergenossenschaften. Erneuerbare Energien müssen weiter ausgebaut werden. Kernenergie, Kohle und Fracking sind keine Alternativen.” Fazit: Ist bei so viel Grün eigentlich noch Schwarz übrig?
Ingbert Liebing (Kommunalpolitischer Sprecher im Bundestag, Schleswig-Holstein): Setzt sich für Windkraft und Bürgerwindparks in der Region ein. Strikt gegen nachträgliche Förderkürzungen, die Altmaier vorschlug. Liebing will die Kosten der Erneuerbaren-Umlage aber ebenfalls begrenzen. Fazit: Windkraft-Lobbyist mit klarem regionalen Fokus.
Frank Kupfer (Sächsischer Umweltminister): Wenig klare Positionierungen im Bereich Energie. Lieblingsthema ist die Förderung von Energieeffizienz. Fazit: Ein kaum beschriebenes Blatt in Sachen Energie, vermutlich wegen Länderproporz in der Arbeitsgruppe.
Armin Laschet (CDU-Vorsitzender Nordrhein-Westfalen): Laschet setzt sich für radikalen Schwenk bei der Förderung von Erneuerbaren ein. Motto: Weg mit der Energie-Planwirtschaft. Laschet macht keinen Hehl daraus, dass er sich für das Kohleland NRW parteisch einsetzen wird. ”Die Grundlage für die jetzt startenden Koalitionsverhandlungen sind: Die Interessen Nordrhein-Westfalens durchzusetzen – und das vor allen Dingen in der Industrie- und Energiepolitik” Fazit: Sehr influssreicher Regionalfürst mit klarer Ausrichtung pro Kohle und contra Erneuerbare.
CSU:
Georg Nüßlein (Energiepolitischer Sprecher der Landesgruppe): Er will eine möglichst zügige Reform der EEG-Umlage und dabei den Vorschlag der CSU umsetzen. Der ist allerdings halb so wild: Das EEG soll stabile Bedingungen für kleine und mittlere Erzeuger bringen. Fazit: Ein eher sachter Reformer.
Josef Göppel (Obmann im Umweltausschuss): Stimmte als einer von fünf Unionsabgeordneten gegen die Laufzeitverlängerung für AKW 2010. Veröffentlichte seine ganz eigene Vorstellung von einer grünen Energiemarktreform und setzt sich vor allem für Dezentralität ein. Fazit: Grünster Einzelkämpfer der Union, CSU-Mitgliedschaft scheint fast Nebensache zu sein.
Franz Josef Pschierer (Staatssekretär im bayerischen Wirtschaftsministerium): Als aktiver Energiewendegestalter ist er bislang überhaupt nicht aufgefallen. Die CSU ist allerdings insgesamt recht EEG-freundlich eingestellt. Bestandschutz für Biogas gehört zu einem der Hauptanliegen. Fazit: Pschierer darf wohl als Seehofers Statthalter gelten.
SPD:
Hannelore Kraft (NRW-Ministerpräsidentin, Leitung der Arbeitsgruppe): Zu Hannelore Kraft siehe diesen ausführlichen Beitrag. Sie kämpft für Subventionen für die Kohlekraftwerke in NRW und die Interessen von RWE. Ihr SPD-Landesverband hat sich trotz der grünen Beteiligung an der Regierung zur harten Energiewendekritik aufgeschwungen. Fazit: Kohle-Kraft ist wohl die mächtigste Verbündete des CDU-Wirtschaftsflügels. Sie dürfte mit ihrem Landeskollegen Laschet (CDU, s.o.) in Sachen Energie nur wenige Differenzen haben.
Thorsten Schäfer-Gümbel (Landesschef der Hessen-SPD): In Hessen steht die SPD kurz vor einer Regierungsbeteiligung in einem Linksbündnis oder mit der CDU. Schäfer-Gümbel hat sich zwar nicht auf Energie spezialisiert, steht aber einem eher progressiven Landesverband vor, der die Energiewende auch in Hessen vorantreiben will. Fazit: Wird für den grüngefärbten SPD-Flügel kämpfen.
Stephan Weil (Ministerpräsident Niedersachsen): Stephan Weil war lange Zeit Präsident des Stadtwerke-Verbands VKU und ist deshalb hervorragend ins Thema eingearbeitet. Ihm ist die Komplexität der Probleme bewusst – und auch, dass hinter vielen Vorschlägen Einzelinteressen lauern. Er hat im Frühjahr vorgeschlagen, eine Energie-Konklave mit Bund, Ländern und Energiewirtschaft abzuhalten und diese erst zu beenden, wenn ein Ergebnis gefunden ist. Fazit: Wird das Niveau der Verhandlungen deutlich heben. Als Landeschef aber auch Vertreter der Windrad-Lobby in Niedersachsen.
Heiko Maas (Wirtschaftsminister im Saarland): Einen Saarland-Vertreter darf man im Zweifel getrost der Kohle-Fraktion zurechnen. Offene Zechen gibt es im kleinen Saarland zwar nicht mehr, doch die Stahlindustrie braucht günstigen Strom. Maas kennt sich allerdings in der Materie gut aus, differenzierte Beiträge sind zu erwarten. Fazit: Setzt sich für eine “realistische Energiewende” ein, das könnte sogar zutreffen. Dennoch auch Behüter der alten Strukturen.
Peter Friedrich (Europa- und Bundesratsminister Baden-Württemberg): Ein weiterer Neuling beim Thema Energie. Bisher beruflich kaum Berührungspunkte. Wie solche Emissäre zur Lösung der hochkomplexen Sachprobleme beitragen sollen, bleibt Außenstehenden ein Rätsel. Fazit: Statthalter für die SPD Baden-Württemberg.
Nina Scheer (neu im Bundestag, Schleswig-Holstein): Die Tochter des Energiewende-Säulenheiligen Hermann Scheer setzt sich ebenfalls stark für erneuerbare Energien ein, auch bei ihr mischen sich häufig Ethik und Moral in die Argumentation. Ihre Sachhaltung ist aber klar: Kein Bremsen beim Ausbau der erneurbaren Energien, schnell raus aus der Kohle. Fazit: Scheer ist Fachexpertin und steht ganz klar auf der grünen Seite.
Dietmar Woidke (Ministerpräsident Brandendburg): Ein weiterer Vertreter der Kohlefraktion in der SPD. Die Bedeutung der Braunkohle-Verstromung (eines der zwei großen deutschen Reviere ist in seinem Land) sieht er sogar “noch wachsen”. Gleichzeitig setzt er sich hin und wieder für Erneuerbare Energien ein, die in Brandenburg boomen. Fazit: Vertreter von Landesinteressen, der einem grundsätzlichen Konsens eher hinderlich sein dürfte. Genaue Positionierung noch nicht absehbar, aber zuletzt häufig für Kohle stark gemacht.
Auszählung und Résumé:
Verkehrte Welt? Im Bereich Energie werden die Verhandlungen um den Koalititionsvertrag von einer seltsamen Truppe geführt.
Bei der Union sind mit Bareiß und Laschet nur zwei Hardliner unterwegs, die sich in jedem Fall für die Kohlekraftwerkslobby einsetzen werden, eine marktorientierte Reform des EEG fordern und der Energiewende kritisch gegenüberstehen.
Mit Jung, Liebing und Göppel sind dagegen drei ausgesprochen energiewendefreundliche Unionspolitiker an den Verhandlungstisch gekommen. Die andere Hälfte der Vertreter ist nicht klar einer Seite zuzuordnen. Doch natürlich wird letztlich sehr viel von Peter Altmaier abhängen, der für die Union die Verhandlungen führt. Was das genau heißen wird, weiß man leider immer noch nicht so genau, Altmaier ist auch nach eineinhalb Jahren als Chef des Umweltministeriums ziemlich unberechenbar geblieben.
Umgekehrt ist das Bild bei der SPD: Mit Kraft, Woidke und Maas schicken die Sozialdemokraten drei Kohlevertreter, die sich zwar auch hie and da zum Ausbau der Erneuerbaren äußern, aber sich im Zweifel wohl für eine harte EEG-Reform einsetzen. Ausschlaggebend für die Übermacht der Kohlefraktion ist die starke Position von Hannelore Kraft. Die NRW-SPD ist derzeit mit Abstand der wichtigste und einflussreichste Landesverband. Milliardengeschenke an die Betreiber bestehender Kohlekraftwerke (über einen Kapazitätsmarkt, der dann mit der Angst vor Blackouts begründet wird) stehen ganz oben auf der Prioritätenliste.
Aus dem grünen Lager hat die SPD nur Schäfer-Gümbel und Scheer an den Verhandlungstisch bestellt. Die SPD als große Ausgabe der Grünen, das war einmal.
Was am Ende für ein Konsens dabei herauskommt, weiß natürlich noch keiner. Aber mit Kraft und Laschet sind zwei extrem starke NRW-Vertreter in der Arbeitsgruppe. Ein Bonbon für Kohlekraftwerke scheint da unvermeidlich.
Unklarer ist, ob und wie eine EEG-Reform von der Gruppe angegangen werden soll. Die Positionen sind schon innerhalb der beiden Lager nahezu unversöhnlich. Der Phasenprüfer wird versuchen, Sie mit Einordnungen auf dem Laufenden zu halten.
Quelle
Phasenprüfer | Jakob Schlandt 2013Jakob Schlandt ist Journalist. Er berichtet seit vielen Jahren über den Energiesektor. Seit Mai 2013 ist er nach sieben Jahren bei Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau freischaffend tätig, insbesondere als Deutschlandkorrespondent der Brüsseler Europa-Tageszeitung Europolitics. Jakob Schlandt glaubt, dass die Energiewende ein großer Erfolg werden kann – wenn man sich von einigen Mythen verabschiedet.