“Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit”
Die Stimme der ukrainischen Pazifist*innen – Am 17. April 2022 (dem Ostersonntag in Westeuropa) verabschiedete die „Ukrainische Pazifistische Bewegung“ eine Erklärung.
„Die ukrainische pazifistische Bewegung ist ernsthaft besorgt über die aktive Zerstörung von Brücken für eine friedliche Lösung des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine auf beiden Seiten und über die Signale der Absicht, das Blutvergießen auf unbestimmte Zeit fortzusetzen, um einige politische Ambitionen zu verwirklichen.
Wir verurteilen die russische Entscheidung, am 24. Februar 2022 in die Ukraine einzumarschieren, was zu einer fatalen Eskalation und Tausenden von Toten geführt hat, und bekräftigen unsere Verurteilung der gegenseitigen Verstöße gegen die in den Minsker Vereinbarungen vorgesehene Waffenruhe durch russische und ukrainische Kämpfer im Donbass vor der Eskalation der russischen Aggression.
Wir verurteilen die gegenseitige Bezeichnung der Konfliktparteien als naziähnliche Feinde und Kriegsverbrecher, die in der Gesetzgebung verankert ist und durch die offizielle Propaganda einer extremen und unversöhnlichen Feindschaft verstärkt wird. Wir sind der Meinung, dass das Gesetz Frieden schaffen und nicht zum Krieg aufstacheln sollte; und die Geschichte sollte uns Beispiele dafür liefern, wie die Menschen zu einem friedlichen Leben zurückkehren können, und keine Entschuldigungen für die Fortsetzung des Krieges. Wir bestehen darauf, dass die Verantwortung für Verbrechen durch ein unabhängiges und kompetentes Justizorgan in einem ordnungsgemäßen Gerichtsverfahren als Ergebnis einer unvoreingenommenen und unparteiischen Untersuchung festgestellt werden muss, insbesondere bei den schwersten Verbrechen, wie z.B. Völkermord. Wir betonen, dass die tragischen Folgen militärischer Brutalität nicht dazu benutzt werden dürfen, Hass zu schüren und neue Grausamkeiten zu rechtfertigen; im Gegenteil, solche Tragödien sollten den Kampfgeist abkühlen und eine beharrliche Suche nach den unblutigsten Wegen zur Beendigung des Krieges fördern.
Wir verurteilen die militärischen Aktionen auf beiden Seiten, die Feindseligkeiten, die Zivilist*innen Schaden zufügen. Wir fordern nachdrücklich, dass alle Schießereien eingestellt werden, dass alle Seiten das Andenken an die Gefallenen ehren und sich nach angemessener Trauer ruhig und ehrlich zu Friedensgesprächen verpflichten.
Wir verurteilen Erklärungen der russischen Seite über die Absicht, bestimmte Ziele mit militärischen Mitteln zu erreichen, wenn sie nicht durch Verhandlungen erreicht werden können.
Wir verurteilen Erklärungen der ukrainischen Seite, wonach die Fortsetzung der Friedensgespräche davon abhängt, dass die besten Verhandlungspositionen auf dem Schlachtfeld erzielt werden.
Wir verurteilen die mangelnde Bereitschaft beider Seiten, während der Friedensgespräche das Feuer einzustellen.
Wir verurteilen die Praxis, Zivilisten gegen den Willen der friedlichen Bevölkerung in Russland und der Ukraine zum Wehrdienst, zur Erfüllung militärischer Aufgaben und zur Unterstützung der Armee zu zwingen. Wir weisen nachdrücklich darauf hin, dass solche Praktiken, insbesondere während Feindseligkeiten, einen groben Verstoß gegen den Grundsatz der Unterscheidung zwischen Militärs und Zivilisten im humanitären Völkerrecht darstellen. Jede Form der Missachtung des Menschenrechts auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist inakzeptabel.
Wir verurteilen jede militärische Unterstützung militanter Radikaler in der Ukraine durch Russland und die NATO-Länder, die eine weitere Eskalation des militärischen Konflikts provoziert.
Wir rufen alle friedliebenden Menschen in der Ukraine und auf der ganzen Welt auf, unter allen Umständen friedliebende Menschen zu bleiben und anderen zu helfen, friedliebende Menschen zu werden, Wissen über friedliche und gewaltfreie Lebensweise zu erwerben und zu verbreiten, die Wahrheit zu sagen, die friedliebende Menschen vereint, dem Bösen und der Ungerechtigkeit ohne Gewalt zu widerstehen und die Mythen über notwendige, nützliche, unvermeidliche und gerechte Kriege zu entlarven. Wir rufen jetzt zu keiner besonderen Aktion auf, um sicherzustellen, dass Friedenspläne nicht dem Hass und den Angriffen von Militarist*innen zum Opfer fallen, aber wir sind zuversichtlich, dass die Pazifist*innen der Welt eine gute Vorstellungskraft und Erfahrung mit der praktischen Umsetzung ihrer besten Träume haben. Unser Handeln sollte von der Hoffnung auf eine friedliche und glückliche Zukunft geleitet sein und nicht von Ängsten. Unsere Friedensarbeit soll die erträumte Zukunft näher bringen.
Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschheit. Deshalb sind wir entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und uns um die Beseitigung aller Kriegsursachen zu bemühen.“
- Interview mit Dr. Yurii Sheliazhenko, Exekutivsekretär der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung | Das Interview wurde von Werner Wintersteiner, Professor i. R. der Universität Klagenfurt (AAU), Österreich, Gründer und ehemaliger Leiter des Zentrums für Friedensforschung und Friedenserziehung an der AAU, geführt.
- „Stimmen aus der Friedensbewegung in der Ukraine und Russland“
Quelle
Lebenshaus Schwäbische Alb 2022 | Dieser Artikel wird hier mit freundlicher Genehmigung von Werner Wintersteiner veröffentlicht.