„Man stößt auf ein Kartell des Schweigens“
Von den rund 20.000 Konzessionsverträgen für Strom und Gas ist mehr als die Hälfte in der Hand der Konzerne Eon, RWE und EnBW, haben Kurt Berlo und Oliver Wagner vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie herausgefunden.
Drei Jahre hat die Recherche gedauert, weil Netzagentur und Kartellamt mauern. Dabei müssten sie gegen die „kollektive Marktmacht“ der Großen Drei vorgehen.
Kurt Berlo und Oliver Wagner arbeiten als Projektleiter am Wuppertal-Institut in derForschungsgruppe Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik. Berlo beschäftigt sich unter anderem mit kommunalpolitischen Handlungsstrategien im Energiebereich, Wagner mit kommunaler Energiewirtschaft sowie kommunaler Energie- und Klimapolitik.
klimaretter.info: Herr Berlo, Herr Wagner, in Deutschland gibt es rund 20.000 Konzessionsverträge für Strom und Gas. Sie haben sich angeschaut, wer diese Konzessionen eigentlich hält. Was ist dabei herausgekommen?
Kurt Berlo: Über 50 Prozent der Konzessionen auf der Verteilnetzebene für Strom und Gas sind an die drei Konzerne Eon, RWE und EnBW vergeben. Wenn über 10.000 der insgesamt rund 20.000 Konzessionsverträge im Besitz von nur drei Konzernen sind, haben wir es hier mit einer kollektiven Marktmacht zu tun. Nach dem Kartellgesetz gelten drei Unternehmen, die mehr als 50 Prozent Marktanteil besitzen, sogar als marktbeherrschend.
Oliver Wagner: Fest steht auf jeden Fall: In Deutschland dominiert ein Triopol von Eon, RWE und EnBW das Verteilnetzgeschäft bei Strom und Gas mit einem jährlichen Umsatzvolumen von insgesamt rund 16 Milliarden Euro.
klimaretter.info: Auf welche Schwierigkeiten sind Sie bei Ihrer Recherche gestoßen?
Berlo: Die Konzerne selber sind bei ihrer Informationspolitik in diesem Bereich sehr zurückhaltend. Man hat große Mühe, genaue Zahlen zu finden. Das heißt, die Altkonzessionäre spielen mit verdeckten Karten und vermeiden es sehr stark, ihre Marktmacht auf der Verteilnetzebene preiszugeben.
Wagner: In den schriftlichen Berichten der Aufsichtsbehörden oder auf den Homepages von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur sind diese Strukturmerkmale des Verteilnetzgeschäfts ebenfalls nicht auffindbar. Auch die Landeskartellbehörden geben diesbezüglich keine Auskünfte. Man stößt bei der Recherche auf ein Kartell des Schweigens.
Dass es bundesweit 20.000 Konzessionsverträge gibt, ist nur eine Schätzung des Kartellamts. Wieso liegen keine genauen Zahlen vor?
Berlo: Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur sind hier sehr zurückhaltend und schaffen absichtsvoll keine Transparenz. Die Behörden wissen sehr genau Bescheid, über wie viele Konzessionen die Energiekonzerne verfügen, sagen aber nichts, auch auf Anfrage nicht. So hat es den Anschein, als wolle man den Besitzstand der Energiekonzerne in Schutz nehmen.
Wagner: Die Behörden stehen eigentlich in der Pflicht, die bestehenden Strukturen auf der Verteilnetzebene darzustellen und die Öffentlichkeit zu informieren. Stattdessen: Schweigen im Walde und still ruht der See. Es ist davon auszugehen, dass die Behörden ihr Stillschweigen als Instrument gegen die Rekommunalisierungsbestrebungen handhaben.
Was ist problematisch daran, dass drei Konzerne – Eon, RWE, EnBW – mehr als 50 Prozent der Verträge auf sich vereinigen?
Berlo: Die Konzerne verfügen damit gleichzeitig – und das seit vielen Jahrzehnten – über ein riesiges Know-how und Erfahrungswissen in Sachen Konzessionsvergabe, Konzessionsverträge und Verhandlungsführung. Bei Vergabeverfahren sind sie den einzelnen Städten und Gemeinden haushoch überlegen.
Wagner: Diese kollektive Marktmacht wird auch für Lobbyarbeit genutzt. Das Energiewirtschaftsgesetz ist bereits mehrfach im Sinne der großen Stromkonzerne novelliert worden. Der Einfluss und die Anzahl der Konzernlobbyisten im Bundestag ist sehr groß. Die Städte und Gemeinden sind die Leidtragenden, weil deren Entscheidungsspielräume bei Konzessisonsvergaben stark eingeschränkt wurden.
Müsste das Kartellamt nicht einschreiten? Zumindest im Strombereich, wo die drei Konzerne sogar einen Anteil von mehr als 60 Prozent auf sich vereinigen?
Das Interview können Sie hier weiterlesen