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Mehr Output mit weniger Input

Europas Wirtschaft braucht Leitplanken für Energieeffizienz und keine bloße Wachstumsrhetorik. Zahlreiche europäische Länder haben über ihre Verhältnisse gelebt – ökonomisch, aber eben auch ökologisch. Sie haben ihren Output mit teuren Importen fossiler Energie teuer, zu teuer erkauft.

Wer eine Firma gründen und einen Kredit erhalten möchte, somit alsozu Wachstum beitragen will, braucht vor allem das richtige Geschäftsmodell. Angela Merkel und Francois Hollande haben deswegen das Thema Wachstum auf die Agenda der europäischen Politik gesetzt: Wenn die europäische Wirtschaftspolitik bei Investoren und Kapitalgebern nachhaltig Vertrauenskredit erhalten will, dann sind ein neues Geschäftsmodell und eine neue Wachstumsstrategie gefragt.

Dazu muss Europa zunächst wissen, wo es steht. Der Blick auf ökonomische Fundamentaldaten wie Haushaltsdefizit und Erwerbslosigkeit ist deshalb unerlässlich. Eine entscheidende Größe wird dabei indes vernachlässigt: Europas gefährliche Abhängigkeit von importierten Rohstoffen, allen voran Öl und Gas.

Welches sind die von der europäischen Wirtschaftskrise am härtesten betroffenen Staaten? Italien, Spanien, Portugal und Griechenland. Und welche Staaten gehören zu den EU-Mitgliedern, die ihr Bruttoinlandsprodukt mit einem besonders hohen Anteil importierter Energie erzeugen? Richtig: Italien, Spanien, Portugal und Griechenland.

Allein seit Anfang 2009 hat sich die Rohstoff-Importrechnung der EU praktisch verdoppelt. Insgesamt gaben die 27 EU-Staaten zuletzt mehr als 400 Milliarden Euro für den Import nicht-nachwachsender Rohstoffe aus. Der Löwenanteil entfällt auf Öl. Allein dieser jährlich anfallende Kostenblock würde ausreichen, um Griechenlands Staatsschulden auf einen Schlag zurückzuzahlen.

Wie sehr diese Abhängigkeit zum Mühlstein ganzer Volkswirtschaften wird, zeigt das Beispiel Italien. Parallel zur Verschärfung der Schuldenkrise stieg Italiens Rechnung für importierte fossile Energieträger zwischen 2009 und 2011 um mehr als die Hälfte, von 47 auf 73 Milliarden Euro. Wie wenig nachhaltig dies ist, verdeutlicht ein Blick auf das Leistungsbilanzdefizit von 58 Milliarden im gleichen Zeitraum.

Es ist richtig: Zahlreiche europäische Länder haben über ihre Verhältnisse gelebt – ökonomisch, aber eben auch ökologisch. Sie haben ihren Output mit teuren Importen fossiler Energie teuer, zu teuer erkauft. Ein wirklich tragfähiges Geschäftsmodell für die Europäische Wirtschaft muß genau hier ansetzen: Mehr Output bei weniger Input, mehr Effizienz und Innovation statt einer stetig steigenden Importrechnung für Öl und Gas.

Dass dies kein Hexenwerk sondern das Ergebnis kluger und vor allem verlässlicher Rahmenbedingungen ist, hat die EU bei einer ihrer Schlüsselbranchen – der Automobilindustrie –vorgemacht. Obwohl die derzeit gültigen Effizienzstandards zunächst auf den Widerstand der Industrie trafen, wurden sie 2009 verabschiedet. Damit wurde Planungs- und Investitionssicherheit geschaffen und ein eindeutiges Signal an die Ingenieure in den Entwicklungsabteilungen gegeben. So konnten der Energieverbrauch und der CO2-Ausstoß Schritt für Schritt gesenkt werden. Die Energieeffizienz von Neuwagen stieg sogar deutlich schneller und zu spürbar geringeren Kosten als ursprünglich prognostiziert. Die Standards haben die Wettbewerbsfähigkeit der Branche gestärkt, nicht geschwächt.

Auf den inzwischen regelmäßigen EU-Wachstumgipfeln genügt es nicht, blumige Wachstumsrethorik zu bemühen. Sondern es ist notwendig die Wirtschaftspolitik an dem ausrichten, was in der Automobilindustrie bereits funktioniert, worauf der Wohlstand des rohstoffarmen europäischen Kontinents seit jeher beruht: berechenbare Rahmenbedingungen für Investitionen, die Effizienz und Innovationen fördern.

Anlässe dafür gibt es genug, beispielsweise die Energieeffizienz-Richtlinie, der bislang die deutsche Unterstützung fehlt. Dabei böte die Richtlinie zusammen mit dem Europäischen Emissionshandel eine einmalige Chance: Mit verlässlichen Vorgaben, die Energieeffizienz Schritt für Schritt zu steigern, würde es sich für Investoren lohnen, in das Geschäft mit der Effizienz einzusteigen. Energieversorger würden dann nicht mehr dafür bezahlt, dass sie einen Kubikmeter Gas oder ein Barrel Öl abliefern – sondern dafür, dass sie aus einem Kubikmeter Gas oder einem Barrel das meiste rausholen, egal ob Wärme, Strom oder Prozessenergie.

Was klare Effizienzvorgaben bewirken können, macht ausgerechnet China uns vor. Es nimmt das Risiko hoher Energieimporte ernst. Deswegen hat sich China vorgenommen, die Energieintensität in den kommenden fünf Jahren jährlich um 3,2 Prozent zu reduzieren. Das Bundesfinanzministerium hatte für Deutschland vorgeschlagen, dass Unternehmen nur dann für Entlastungen bei der Energiesteuer qualifizieren – insgesamt 3,5 Milliarden Euro pro Jahr – wenn sie mit investiven Maßnahmen Energie einsparen. Doch der Vorschlag stockt. Und mit der Selbstverpflichtung ohne Bezug auf individuelle Unternehmen reduzierte sich die Energieintensität der Deutschen Industrie jährlich nur um 1,2 Prozent.

Ein politischer Kurswechsel tut also not. Das Beispiel der Automobilindustrie zeigt, dass mehr Mut nicht nur für unsere Lebensgrundlagen gut wäre, sondern sich auch rechnet.

Autoren:

Prof. Dr. Gert G. Wagner (DIW Berlin) 2012

Karsten Neuhoff (DIW Berlin) 2012

Quelle

Agitano 2012

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