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Merkel beerdigt den Weltklimavertrag

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird im September nicht zum Klimagipfel nach New York reisen. Das dürfte der Todesstoß für den Weltklimavertrag sein, den die Staaten der UN-Klimarahmenkonvention 2015 unterschreiben wollten. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte alle Staats- und Regierungschefs an den UN-Sitz geladen, um mit „mit Ehrgeiz und Verantwortung“ das Klimaproblem zu lösen. Von Nick Reimer

Die Staatenlenker sollten annoncieren, was ihr Land im Kampf gegen die Erderwärmung zu tun bereit ist. Konkret geht es um ein Klimaziel, das jeder Staat bei der UNO hinterlegen soll: Wie viel Treibhausgas sind wir bereit zu reduzieren?

Der Einladung liegt ein Missverständnis zugrunde. Seit Jahren geht es auf den Weltklimakonferenzen um alles Mögliche, im Kern allerdings nicht um die Reduktion von Treibhausgasen. Die Entwicklungsländer wollen wissen, wie – und vor allem wann – sie das versprochene Geld für Anpassungsmaßnahmen auf ihr Konto überwiesen bekommen: 100 Milliarden Dollar pro Jahr. Die ehemaligen Ostblock-Staaten wollen wissen, wie sie die Crash-bedingten Reduktionen der 1990er Jahre –genannt „Hot Air“ – zu Geld machen können. Die Länder am Äquator wollen wissen, wie sie ihre Regenwälder gegen die Holzgier reicher Staaten und Investoren schützen können. Neuerdings spricht man über „Loss and Damage“, über Verluste und Schäden durch den Klimawandel und wer sie bezahlt. Reduktion von Treibhausgasen? Irgendwo, irgendwie kommt das auf den Klimakonferenzen auch noch vor.

Um aus diesem Dilemma herauszukommen, hatte der UN-Generalsekretär den „Reduktionsgipfel“ Ende September einberufen. Erstmals sollten alleStaaten „freiwillig“ dabei sein: Alle sollten einen fairen Beitrag gegen die De-Stabilisierung des Globalklimas leisten. Also neben Deutschland auch Brasilien, Kamerun oder Laos, obwohl doch vor allem die Industriestaaten das Problem verursacht haben. In einem zweiten Schritt sollte dann bis zur Klimakonferenz in Lima im kommenden Dezember überprüft werden, ob diese freiwilligen Ziele ausreichen, um das sogenannte Zwei-Grad-Zielzu erreichen – immerhin erklärte Beschlusslage der Staatengemeinschaft.

Brasilien wird nicht den Anfang machen

Doch dieser Plan erlitt im März den ersten großen Dämpfer: Die Vertreter der 28 EU-Staaten vertagten die Entscheidung über ihre gemeinsamen Klimaziele für 2030 auf Oktober. Bedeutet: Die EU wird ihr neues Klimaziel erst nach dem Ban-Ki-Moon-Gipfel festlegen. Für die Klimadiplomatie ein schwerer Schlag: Natürlich werden die Brasilianer kein geeignetes Klimaziel auf den Tisch legen, wenn sie nicht mal wissen, was die Europäer in der Tasche haben. Schließlich geht es beim Klimaschutz um Wirtschaftswachstum: Je größer die Wachstumsrate, umso stärker steigen die Emissionen. Das war zuletzt auch in Deutschland wieder so.

Der selbsternannte Energiewende-Weltmeister hat also mit einigen Problemen zu kämpfen. Und ausgerechnet an diesem kritischen Punkt sagt die Kanzlerin den entscheidenden Gipfel ab. Jetzt, wo es eigentlich darum hätte gehen müssen, der Welt zu zeigen: „Wir Deutschen meinen es ernst“ – jetzt hat Merkel Wichtigeres zu tun als Energiewende und Klimaschutz. Dabei hatte Ban Ki Moon ausdrücklich die Staatschefs eingeladen: Die Umweltminister, die immer zu den Klimakonferenzen fahren, haben einfach zu wenig politisches Gewicht, um über so wichtige Fragen wie die Wachstumsentscheidung zu verhandeln.

Der Weltklimarat hat gerade einen Zwischenstand mit drastischen Fakten veröffentlicht: Jetzt muss Schluss sein mit der Kohle, jetzt muss eine wirkliche Dekarbonisierung des Verkehrs, der Landwirtschaft, im Gebäude- und den anderen Sektoren des menschlichen Lebens beginnen. Jetzt – und zwar weltweit und mit Tempo. Doch Angela Merkel steht auf der Bremse.

Quelle

KLIMARETTER.INFO | Nick Reimer 2014

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