Metastudie: Konsens und Kontroversen für mehr Tempo bei Genehmigungen
Schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren sind für die Energiewende entscheidend. Wirtschafts- und Umweltverbände sowie Politikberatungsunternehmen haben dazu Vorschläge gemacht. Eine Metastudie schaut auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
Schneller planen und genehmigen ist das Gebot der Stunde. Nur wie genau akribisch regulierte Prozesse verschlankt und vereinfacht werden können, dafür fehlt ein einfaches Rezept. Bereits im Vorfeld der Bundestagswahl, aber auch in den letzten Monaten wurden von vielen Seiten Vorschläge gemacht, die nun in einer Metastudie verglichen wurden.
Die strategische Kommunikationsberatung Johanssen und Kretschmer hat 14 sogenannte Policy Paper und den Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP analysiert. Die darin gemachten Vorschläge zur Planungsbeschleunigung von Ampelkoalition, Wirtschaftsverbänden, Umweltverbänden und sogenannten Think Tanks wurden miteinander verglichen, Zusammenhänge, Gemeinsamkeiten und Kontroversen identifiziert.
Unter den untersuchten Papieren fokussiert sich die Mehrheit auf die Planungsbeschleunigung im Rahmen der Energiewende: Agora Energiewende, BDEW, BWE und Stiftung Klimaneutralität fokussieren sich beispielsweise auf den Ausbau der Windenergie an Land. Es finden sich aber auch Politikempfehlungen zu anderen Planungsthemen: Straßenbau, Ersatzinvestitionen oder Verfahren in der Industrie.
Verschiedene Akteure – übereinstimmende Vorschläge
Übereinstimmende Empfehlungen geben die verschiedenen in Bezug auf die Digitalisierung, personell verbesserte Ausstattungen der Behörden, digitale Beteiligungsverfahren sowie die Neugestaltung behördlicher Fristen. Unisono wird angemerkt, dass viele Verfahren durch mehrere Schritte innerhalb unterschiedlicher Behörden zu lange dauern. Die Transparenz solle durch festgelegte Ansprechpartner und digital einsehbare Projektunterlagen erhöht werden. Datenbanken für Umwelt- und Kartierungsdaten, deren freier Zugriff einzelne, jeweils neu durchzuführende Sichtungen erübrigen würde, ist ebenfalls ein Vorschlag, der von allen Seiten geteilt wird.
Die größte Übereinstimmung besteht in der Befürwortung einer frühen Öffentlichkeitsbeteiligung. Sie gilt als wesentlicher Beschleunigungsfaktor. Sie fördert nicht nur die Akzeptanz, sondern zeigt Konflikte aber auch mögliche Alternativen rechtzeitig auf. Es habe ein Paradigmenwechsel stattgefunden, erklärt der Autor der Studie Heiko Kretschmer: „Während Beteiligung vor gar nicht langer Zeit noch als Hemmschuh galt, ist heute klar: Klagen dauern länger als Beteiligung. Und nicht nur die Akzeptanz ist ein Mehrwert für Projekte. Über die Beteiligung fließt auch lokales Wissen ins Projekt ein.“
Mehr Standardisierungen im Umwelt- und Naturschutzrecht finden viel Unterstützung – allerdings mit sehr unterschiedlicher Stoßrichtung. Einige der Wirtschaftsverbände fordern eine Flexibilisierung der Schutzgebiete, so dass Ausnahmen für Wind- und Stromanlagen auf einer standardisierten Basis beruhen. Die Vertreter der Umweltverbände hingegen sehen eine konsequentere Anwendung von Umwelt- und Naturschutzrecht, auch bei Windenergieanlagen, als Lösung. Einen Durchbruch bei diesem Thema verkündeten kürzlich Umwelt- und Wirtschaftsministerium: Zukünftig soll der Bestand einer Art betrachtet werden, wenn es um die Genehmigung von neuen Windkraftanlagen geht und nicht das individuelle Tötungsrisiko für einzelne Vögel. Das Bundesnaturschutzgesetz soll entsprechend geändert werden.
Die materielle Präklusion wird von den verschiedenen Akteuren ebenfalls kontrovers gesehen, allerdings ist unwahrscheinlich, dass diese juristische Materie aufgebohrt wird. Es geht um das Recht von Einwendungen in umweltrelevanten Zulassungsverfahren, das auch nach Genehmigungserteilung noch besteht. Vom EuGH wurde dieses Recht in einem Urteil im Januar 2021 bestätigt. Kretschmer erklärt: „Das ist ein Punkt, der vielen Vorhabenträgern weh tut. Denn das bedeutet letztlich, dass Einwände nicht im Dialog und im Verfahren geklärt werden müssen, sondern auch später vor Gericht landen können.“
Die Empfehlungen an die Politik wirken schlüssig, aber auch komplex. Digitalisierung, mehr Personal, mehr digitale Beteiligung, Veränderung behördlicher Fristen und umfassende Umweltdatenbanken sind keine Aufgaben, die im Handstreich gelöst werden können. Kretschmers Appell ist klar: „Es ist wichtig, an all diesen Stellschrauben zu drehen. Zu glauben, mit ein zwei Maßnahmen mehr Tempo zu bekommen, ist ein Irrweg. Wir müssen an möglichst vielen Stellen gleichzeitig arbeiten, die Summe der erreichten Details macht den Erfolg aus.“
Quelle
Der Bericht wurde von der Redaktion “energiezukunft“ (pf) 2022 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | energiezukunft | Heft 31/2021 | „Dezentral Erneuerbar – ein Update“ | Jetzt lesen | Download