Mit neuem Verpackungsgesetz droht Aus für die Mehrwegflasche
Deutschland muss endlich den Abstieg vom Gipfel des Plastik-Bergs einläuten.
Der NABU kritisiert die aktuellen Pläne der Bundesregierung für ein neues Verpackungsgesetz. In dem jetzt dem Bundestag vorgelegten Entwurf wurden mehrere Umweltvorgaben ohne Not aufgeweicht oder ganz gestrichen. So stünde im schlimmsten Fall sogar die Mehrwegflasche vor dem Aus. Auch die verbraucherfreundliche Sammlung von Wertstoffen in einer Tonne hat die Bundesregierung gestrichen, ebenso fehlen fortschrittliche Ziele zum Recycling von Kunststoffen.
Der NABU fordert die Abgeordneten des Bundestags daher dazu auf, im Gesetzgebungsverfahren die Umweltvorgaben wieder deutlich zu erhöhen – und damit zu den Zielen zurückzukehren, die bereits im ersten Entwurf für das Gesetz 2015 auf dem Tisch lagen. Diese waren deutlich ambitionierter. „Innerhalb der nächsten zehn Jahre müssen wir in Deutschland das Kunststoff-Zeitalter beenden. Doch das, was die Bundesregierung hier vorschlägt, läutet keineswegs den Abstieg vom Gipfel des Plastik-Bergs ein“, kritisierte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Beispiel Getränkeverpackungen: Derzeit sollen vier von fünf Getränken umweltfreundlich verpackt sein. Diese Vorgabe hat die Bundesregierung jetzt ersatzlos gestrichen. Ohne erkennbaren Grund beerdigt Deutschland damit eines seiner wenigen konkret bezifferten Ziele zur Abfallvermeidung. „Die Bundesregierung verspielt die Chance, endlich Sanktionen ergreifen zu können. Das Pfand alleine reicht nicht aus, um ökologisch vorteilhafte Verpackungen zu fördern. Im Gegenteil: Seit Jahren machen Handel und Getränkeindustrie hohe Profite aus dem Geschäft mit dem Einweg-Pfand. Nicht die Pfandpflicht ist das Thema der Stunde, sondern wirkungsvolle Instrumente für umweltfreundliche Getränkeverpackungen. Wir brauchen dringend eine Steuer auf Getränkeverpackungen. Wir müssen die Mehrwegquote fördern und nicht abschaffen“, so Miller.
Am kommenden Montag sind Abfall-Experten zur Anhörung in den Umweltausschuss des Bundestags eingeladen. Dann wird es auch um die Frage der Wertstofftonne und die Recyclingquote für Kunststoffe gehen. Obwohl die meisten Experten in Deutschland eine Recyclingquote von 72 Prozent ab dem Jahr 2019 befürworten, will die Bundesregierung deutlich laschere Ziele beschließen. Erst ab dem Jahr 2022 soll eine Quote von gerade einmal 63 Prozent erfüllt werden. „Wir erwarten von den Mitgliedern des Bundestags, dass sie diese Verwässerung nicht durchgehen lassen und stattdessen strengere Ziele beschließen. Andernfalls fehlen für die Abfallwirtschaft die nötigen Anreize, in eine bessere Technik zum Sortieren und Recyclen von Kunststoffen zu investieren. Dabei sind diese Investitionen seit Jahren überfällig, uns gehen immer noch Hunderttausende Tonnen an wertvollen Kunststoffen unnötig verloren“, so Miller.
Auch die Einführung der Wertstofftonne ist von der Politik vom Tisch gekehrt worden. Ursprünglich war vorgesehen, dass künftig jeder Haushalt Zugang zu einer Mülltonne haben soll, in der sämtliche Abfälle aus Plastik und Metall gemeinsam gesammelt werden. Von dieser Lösung hatte sich die Bundesregierung bereits im vergangenen Jahr verabschiedet. „Deutschland bleibt damit bei seinem zerfaserten System der gelben Säcke, gelben Tonnen und Wertstoffhöfe. Dieses Wirrwarr ist weder aus Umwelt- noch aus Verbrauchersicht sinnvoll“, so Miller.
Der gesamte Gesetzentwurf sei mittlerweile nur noch ein Schatten dessen, was 2015 ursprünglich als neues Wertstoffgesetz diskutiert wurde. Der NABU forderte die Parlamentarier auf, wieder zu den ursprünglich geplanten Vorgaben zurückzukehren. Dort war auch vorgesehen, stoffliche Verwertungsziele automatisch zu steigern, wenn sich diese bewähren. Davon hat sich die Regierung mittlerweile ebenso verabschiedet.
„Im Gesetz fehlt außerdem eine Vorgabe, die sicherstellt, dass in jedem Bundesland eine Mindestmenge an Verpackungsabfall je Einwohner gesammelt wird. Mit einem solchen Ziel würden Kommunen und das duale Systeme dazu angehalten, die Bevölkerung ausreichend, dauerhaft und aktiv zur Mülltrennung und Abfallvermeidung zu beraten“, so Benjamin Bongardt, NABU-Leiter für Ressourcenpolitik.
Unklar bleibt auch, ob und wie die dualen Systeme künftig den Einsatz von Recyclingkunststoffen in ihrer Preispolitik bei Verpackungen berücksichtigen werden. Entsprechende Berichte über die Bevorteilung von Recyclingmaterial und eine recyclingfreundliche Verpackungsgestaltung sollen nach den Plänen der Bundesregierung nicht veröffentlichungspflichtig sein. Daher werden die Leistungen des Verpackungssektors für die Umwelt sowie seine Preisgestaltung wohl im Wesentlichen ein Geheimnis unter Herstellern bleiben. Darüber hinaus sollen sich Einzelhandel, Industrie und Hersteller künftig mit Hilfe einer öffentlich beliehenen Stiftung privaten Rechts selbst kontrollieren. Dabei geht es primär um die Frage, ob gesetzeskonform für die Entsorgung von Verpackungen gezahlt wird. „Das ist ein Konstrukt, das Regionen mit freiwillig eingeführten Wertstofftonnen die Motivation zur Zusammenarbeit nimmt. Denn für ein Funktionieren des Systems müssen Kommunen und Hersteller eigentlich vertrauensvoll zusammenarbeiten“, so Bongardt.
Angesichts des enormen Ressourcenverbrauchs in Deutschland fordert der NABU von der kommenden Bundesregierung die Einführung eines Ressourcenschutzgesetzes. „Dieses Gesetz muss endlich die Kreislaufwirtschaft in allen Wirtschafts- und Konsumzweigen Deutschlands voranbringen“, so Bongardt.