Negatives Urteil des Klimarates – Gebäude-Sofortprogramm durchgefallen
Das eilig aufgelegte Sofortprogramm der Bundesregierung für den Gebäudebestand versagt. Die angegebene Emissionsminderung um zwei Millionen Tonnen CO2 sei nicht quantifziertbar, urteilt der Expertenrat für Klimafragen.
Was die Spatzen schon von den Dächern pfiffen, ist nun amtlich: Das Sofortprogramm 2020, das die klimaschädlichen Emissionen des Gebäudebestands in Deutschland senken soll, erfüllt seinen Zweck nicht. Die Maßnahmen reichen für die erforderliche Emissionssenkung einfach nicht aus. Zu diesem Urteil kommt der Expertenrat für Klimafragen.
Im Juli dieses Jahres mussten die Bundesministerien für Wirtschaft (BMWi) und Bau (BMI), die den Bereich gemeinsam verantworten, ein entsprechendes Programm auflegen, weil der Gebäudesektor im vergangenen Jahr zu viele Emissionen verursacht hat. So sieht es das Klimaschutzgesetz (KSG) vor.
Die heute veröffentlichte Stellungnahme des Expertenrats für Klimafragen lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig: „Es wurde kein Nachweis geliefert, dass das von BMWi und BMI vorgeschlagene Sofortprogramm 2020 die Anforderung von § 8 Abs. 1 KSG erfüllt, die Einhaltung der Jahresemissionsmengen des Sektors für die folgenden Jahre sicherzustellen.“
2020 hatte der Gebäudebestand in Deutschland sein Sektorziel um zwei Millionen Tonnen CO2 überschritten. Statt wie vorgesehen 118 Millionen Tonnen CO2 verursachte das Heizen und Kühlen von Gebäuden 120 Millionen Tonnen CO2. Die Zahlen waren im März dieses Jahres vom Umweltbundesamt vorgelegt und im April vom Expertenrat für Klimafragen bestätigt worden.
Drei Monate blieben den zuständigen Ministerien, um ein Sofortprogramm vorzulegen, was diese im Juli auch fristgerecht taten. Die einzige Maßnahme des Programms besteht allerdings darin, die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) noch in diesem Jahr um rund 5,8 Milliarden Euro aufzustocken. Mit dem BEG wird das Dämmen von Häusern und der Austausch von Heizungen gefördert.
Weil aber die beiden Ministerien selbst auch nicht an die Wirksamkeit der vorgeschlagenen Maßnahme zu glauben scheinen, fügten sie ihrem Sofortprogramm ein Gutachten des Beratungsunternehmens Prognos bei, dass den angenommenen CO2-Senkungseffekt des Programms belegen soll. Allerdings heißt es in der Studie, dass die zwei Millionen Tonnen erst 2025 gemindert würden – also viel zu spät.
Kritik an Förderung fossiler Heizungen
Entsprechend negativ fällt das Urteil der Klima-Expert:innen aus: Die vorgelegten Unterlagen und Berechnungen erlaubten nicht, die Wirkung des Sofortprogramms zu beziffern. Die ausgewiesenen Werte hält das Gremium für „tendenziell überschätzt“.
„Das Sofortprogramm für den Gebäudesektor trägt sicherlich zu einer zusätzlichen Minderung von Treibhausgasemissionen in den kommenden Jahren bei, insbesondere wenn die Fördervolumina wie in den vorgelegten Unterlagen angenommen noch über das Jahr 2021 hinaus aufgestockt werden“, sagte der Vorsitzende des Rates, Hans-Martin Henning.
„Aus der Prüfung der vorgelegten Unterlagen kann man aber zugleich den Schluss ziehen, dass für die Erreichung der Sektorziele im Gebäudesektor vermutlich weitere, darüber hinaus gehende Anstrengungen nötig werden.“
Ohnehin ist offen, wie die Ministerien die zusätzlichen Milliarden an die Eigentümer:innen von Gebäuden bringen wollen. Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden laut Bundeswirtschaftsministerium 2,7 Milliarden Euro für die energetische Sanierung vergeben. Weitere 3,4 Milliarden soll die staatliche Förderbank KfW verteilen. Ob und wie dann zusätzlich noch 5,8 Milliarden Euro bis Ende des Jahres ausgegeben werden können, erscheint fraglich.
Entsprechend harsch fällt die Kritik von Umweltverbänden aus. „Das Klimaschutz-Sofortprogramm der Bundesregierung für den Gebäudesektor ist ein Witz angesichts der Herausforderungen der Klimakrise“, sagte Antje von Broock vom BUND. Es sei unverständlich, dass fossile Heizungsanlagen weiterhin gefördert würden und veraltete gesetzliche Energieeffizienzstandards nicht angehoben würden.
Quelle
Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Sandra Kirchner) 2021 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden!