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ASEAN | Freihandelsabkommen

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Ostasien: Der Anfang vom Ende des Eurozentrismus?

15 Staaten Ozeaniens sowie Ost- und Südostasiens haben ein Freihandelsabkommen unterschrieben.

In Ostasien wurde am gestrigen Sonntag die größte Freihandelszone der Welt geschaffen. Japan, China, Südkorea, Australien und Neuseeland einigten sich mit den zehn ASEAN-Mitgliedern auf den Abbau von Handelshemmnissen und Zöllen zwischen ihren Ländern, wie unter anderem die Nachrichtenagentur Reuters berichtet.

Das Abkommen, das ein knappes Drittel der Weltbevölkerung und ebenfalls eine knappes Drittel der Weltwirtschaft abdeckt, wurde am Rande eines ASEAN-Gipfels in Vietnams Hauptstadt Hanoi unterzeichnet. Der Association of South-East Asian Nations gehören die Philippinen, Indonesien, Singapur, Malaysia, Brunei, Thailand, Myanmar (Burma), Vietnam, Kambodscha und Laos an.

Indien hatte anfänglich an den Verhandlungen über die Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) teilgenommen, sich aber dann aus Angst vor einem wachsenden Handelsbilanzdefizit mit China zurückgezogen.

Die USA hatten unter Präsident Barak Obama eine den ganzen Pazifik umfassende Freihandelszone angestrebt, sich dann allerdings nach Antritt von Donald Trump 2017 aus dem fast Unterschrift reifen Vertrag zurückgezogen.

Nach Darstellung der vietnamesischen Gastgeber regelt das Abkommen zahlreiche Fragen wie Standards im elektronischen und Dienstleistungshandel, Hygienenormen, Regeln für den Warenaustausch, Herkunftsbezeichnungen, Schutz von Patenten, Fragen von Auslandsinvestitionen und manches mehr.

Dem unterschiedlichen Entwicklungsstand der Mitglieder würde Rechnung getragen. Besonders Myanmar, Laos, Kambodscha und Vietnam haben in Vergleich zu Thailand, Singapur oder gar Japan nur eine sehr schwache Wirtschaft.

Auch politisch liegen die Staaten weit auseinander: Thailand und Brunei sind autoritär regierte Monarchien*, China wird von einer ähnlich autoritären kommunistischen Partei regiert, die einen sehr kapitalistisch anmutenden „Sozialismus mit chinesischen Charakterzügen“ aufbaut, und in Japan hat die extrem konservative Liberale Partei ein Dauerabo auf die Regierung und zugleich Probleme, sich von der verbrecherischen Vergangenheit des Kaiserreichs zu distanzieren.

Doch die Region ist auch für ihren Pragmatismus bekannt, der viele Staaten in den letzten vier Jahrzehnten in die obere Liga der Weltwirtschaft katapultiert hat, und zwar durchweg mit dem Aufbau von auf Export orientierten Ökonomien.

Dies hat in den vergangenen beiden Jahrzehnten auch zu einer Integration der Region geführt. Noch Ende der 1990er Jahre ging über die Hälfte der ASEAN-Exporte nach Europa oder Nordamerika. Doch inzwischen bleibt der größere Teil in der Region, das heißt, er wird an andere ASEAN-Mitglieder oder die nördlichen Nachbarn verkauft.

Bemerkenswert an dem Abkommen ist zum einen, dass es für China eine kleine Entlastung angesichts der zunehmenden Schwierigkeiten mit den USA bieten kann, die Importe aus der Volksrepublik mit Strafzöllen überziehen.

Zum anderen gehören die Unterzeichner-Staaten neben den meisten Ländern Afrikas zu jenen, die am besten mit der gegenwärtigen Pandemie zurecht kommen und entsprechend mit den geringsten ökonomischen Problemen zu kämpfen haben. Während Europa und die beiden Amerikas vermutlich am Beginn einer sehr schweren Wirtschaftskrise stehen, könnte Ost- und Südostasien sich mit verstärkter ökonomischer Integration am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen.

Die freundliche Sichtweise wäre, dass die 15 Länder damit auch der Weltwirtschaft als Lokomotive dienen könnten. Die weniger freundliche Aussicht für hiesige Eurozentristen und Machtpolitiker wäre, dass dies sich als Anfang des Endes einer von den USA und ihren westeuropäischen Alliierten dominierten Weltordnung entpuppen könnte.

* Nachtrag: Ein Leser weist zu recht darauf hin, dass diese Formulierung missverständlich ist. Der thailändische König ist inzwischen nur noch ideologische Fassade, auch wenn das Königshaus hinter den Kulissen durch aus hin und wieder in die Politik der sich abwechselnden Militärregierungen eingreift. Auf Kritik am König stehen ansonsten hohe Gefängnisstrafen.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „TELEPOLIS“ (Wolfgang Pomrehn) 2020 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung von Wolfgang Pomrehn 2020 weiterverbreitet werden! 

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