Rechtssicherheit für Atomausstieg
Nina Scheer: Einigung auf Entschädigung zum Atomausstieg schafft auch für Zukunft Rechtssicherheit.
Zur Verständigung zwischen der Bundesregierung und den betreffenden Energieversorgern über einen finanziellen Ausgleich und zur Beilegung aller Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Atomausstieg erklärt die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Nina Scheer: „Es ist ein wichtiger Schritt, nun eine Einigung über den verfassungsgerichtlich festgestellten Ausgleichsanspruch im Zusammenhang mit dem Atomausstieg erzielt zu haben. Mit der noch ausstehenden Unterzeichnung wird das letzte Kapitel der Atomenergienutzung in Deutschland auch rechtlich abgeschlossen sein. Ein wichtiger Bestandteil der Einigung ist dabei, dass anhängige Schiedsverfahren mit Unterzeichnung der Einigung beendet werden und auch keine weiteren eröffnet werden.“
So verpflichten sich die Unternehmen im Rahmen der Gesamtverständigung, sämtliche anhängigen Klageverfahren zurückzunehmen und auf Klagen oder Rechtsbehelfe gegen die Ausgleichsregelung zu verzichten. Dies umfasse auch das internationale Schiedsverfahren von Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland beim Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten in Washington.
Scheer: „Die geeinigten Entschädigungssummen stellen nun zwar eine weitere Belastung für die Allgemeinheit dar. Im Gegenzug wird allerdings Rechtssicherheit geschaffen, die in der Vergangenheit fahrlässig riskiert wurde. Sowohl die unter schwarz-gelb im Jahr 2010 beschlossenen Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke waren grobe politische Fehler, die sich nun unvermeidbar auch in Entschädigungszahlungen auswirken, als auch die Unterzeichnung von Verträgen wie dem Energiecharta-Vertrag, der wie gesehen zu intransparenten Schiedsverfahren führen kann. Daraus gilt es für die Zukunft zu lernen. Der Energiecharta-Vertrag sollte umgehend aufgekündigt werden. Selbst dann bliebe die Investitionsschutzklausel fatalerweise noch weitere 20 Jahre wirksam.“
In einer gemeinsamen Erklärung der beteiligten Bundesministerien (Umwelt, Wirtschaft, Finanzen) heißt es hierzu:
„Im Rahmen der Gesamtverständigung verpflichten sich die Unternehmen, sämtliche anhängigen Klageverfahren zurückzunehmen und auf Klagen oder Rechtsbehelfe gegen die Ausgleichsregelung zu verzichten. Dies umfasst auch das internationale Schiedsverfahren von Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland beim Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten in Washington.“
In der Erklärung heißt es weiterhin:
„Die Bundesregierung zahlt einen Ausgleich in Höhe von insgesamt etwa 2,428 Mrd. Euro. Im Einzelnen bedeutet dies Zahlungen von 1,425 Mrd. Euro an Vattenfall, 880 Mio. Euro an RWE, 80 Mio. Euro an EnBW und 42,5 Mio. Euro an E.ON/PreussenElektra. Diese Zahlungen dienen einerseits einem Ausgleich für Reststrommengen, welche die Unternehmen nicht mehr in konzerneigenen Anlagen erzeugen können (RWE und Vattenfall), andererseits dem Ausgleich für Investitionen, welche die Unternehmen im Vertrauen auf die 2010 in Kraft getretene Laufzeitverlängerung getätigt hatten, die dann aufgrund der Rücknahme der Laufzeitverlängerung nach den Ereignissen von Fukushima entwertet wurden (EnBW, E.ON/PreussenElektra, RWE).
Die Eckpunkte sehen ergänzend vor, dass E.ON/PreussenElektra – insoweit der konzernbezogenen Betrachtungsweise des Bundesverfassungsgerichts folgend – über die rechnerisch ihrem Miteigentumsanteil entsprechenden Strommengen der Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel frei verfügen, d.h. in ihren konzerneigenen Kraftwerken verstromen kann. Auch dies war zwischen den einzelnen Unternehmen sowie der Bundesregierung umstritten. Dass ein solcher Ausgleich erforderlich ist, hatte das Bundesverfassungsgericht dem Grunde nach bereits in seinen Entscheidungen vom 6. Dezember 2016 und 29. September 2020 festgestellt – den Atomausstieg selbst hatte es bestätigt. Zwischen den Beteiligten herrschte seit Längerem Uneinigkeit darüber, wie und in welcher Höhe der Ausgleich zu erfolgen hat. Dies führte zu jahrelangen Rechtsstreitigkeiten, u.a. vor dem Bundesverfassungsgericht und einem internationalen Schiedsgericht, die nun beigelegt werden können.“
Scheer: „Die Einigung hat richtigerweise keine verzögernden Folgen für den Atomausstieg. Es bleibt dabei, dass das letzte deutsche Atomkraftwerk spätestens Ende 2022 vom Netz geht.“
Die Beteiligten Ministerien erklärten ferner, dass die Eckpunkte derzeit noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Gremien der Unternehmen stehen. Eine detaillierte Regelung stünde in den kommenden Tagen aus. Die EVU würden kurzfristig die anhängigen Gerichtsverfahren zum Ruhen bringen; der Vertrag würde dann dem Deutschen Bundestag zur Kenntnis gegeben.
Eine endgültige Regelung wird Bestandteil einer Gesetzesänderung (18. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes). Auch eine beihilferechtliche Prüfung durch die Europäische Kommission steht noch aus.
- Die wesentlichen Ergebnisse der Gespräche mit den EVU sind wie folgt nachlesbar: www.bmu.de/DL2661