„Schallende Ohrfeige für Armin Laschet“
Kohlekraftwerk Datteln 4 bleibt Schwarzbau
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat heute den Bebauungsplan für das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 für unwirksam erklärt. Umweltschützer fordern jetzt die Stilllegung. Aufgrund der weitergeltenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung kann die 1.100-Megawatt-Anlage vorerst weiterlaufen.
Das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 – 2020 in Betrieb gegangen und heute im Besitz des Uniper-Konzerns – bleibt de facto ein Schwarzbau. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster gab heute Klagen der Stadt Waltrop, des Umweltverbandes BUND Nordrhein-Westfalen und mehrerer Privatpersonen statt und erklärte den Bebauungsplan für das Kraftwerk für „unwirksam“, wie das Gericht am 26.08.21 mitteilte.
Das OVG begründete seine Entscheidung damit, dass die Standortwahl für das Kraftwerk Vorschriften über die Umweltprüfung verletze, und stellte einen „Abwägungsfehler“ fest. Der Rat der Stadt Datteln habe dann die fehlerhafte Standortauswahl übernommen.
Die Vorgeschichte: 2006 hatte ursprünglich der Eon-Konzern den Antrag auf Genehmigung von Datteln 4 gestellt. Gegen den darauffolgenden Planfeststellungsbeschluss legte der Landesverband NRW des BUND Klage ein. Gründe waren unter anderem der geplante Bau eines Parallelhafens sowie die Verlegung des Ölmühlenbachs.
Bereits 2009 wurde der Bebauungsplan für Datteln 4 aufgrund einer Privatklage aufgehoben. 2012 gab das OVG Münster dann auch der Klage des BUND statt und hob die gesamte Genehmigung für Datteln 4 auf. Damit war der Bau tatsächlich gestoppt.
Um das Projekt doch noch durchzusetzen, traf die damalige rot-grüne Landesregierung eine sogenannte Zielabweichungsentscheidung. Damit sollte der Fehler repariert werden, dass das Kraftwerk nicht am genehmigten Standort gebaut wurde, sondern fünf Kilometer weit entfernt. Das Kraftwerk wurde neu geplant und schließlich gebaut. 2017 erhielt es von der Landesregierung die immissionsschutzrechtliche Genehmigung und läuft seit Mitte 2020 im vollen Betrieb.
Gleichzeitig liefen aber mehrere Beschwerden gegen den neuen Bebauungsplan. Diesen wurden jetzt stattgegeben. Der zuständige Regionalverband Ruhr hätte mit Blick auf die Umweltvorsorge „frühzeitig anderweitige vernünftige Planungsmöglichkeiten“ ermitteln und dabei den „Suchraum für Standortalternativen“ möglichst weit festlegen müssen, beschied das OVG.
Stattdessen sei trotz der Kritik am ursprünglichen Standort die Suche auf den Teilabschnitt Emscher-Lippe des Regierungsbezirks Münster begrenzt worden – und damit nur auf einen Teil des Zuständigkeitsbereichs. Auf diese Weise habe sich der Regionalverband Ruhr den Blick auf mögliche bessere Planungsmöglichkeiten verstellt. Auch weitere Möglichkeiten wie etwa Gaskraftwerks-Standorte seien außen vor gelassen worden.
Offenbar um Missverständnissen vorzubeugen, weist der 10. Senat des OVG ergänzend darauf hin, dass die nunmehr festgestellte Unwirksamkeit des Bebauungsplans nicht bedeutet, dass das Kraftwerk nicht mehr betrieben werden darf. Grundlage für den Betrieb sei die geltende immissionsschutzrechtliche Genehmigung aus dem Jahr 2017.
Dazu sind parallel Beschwerden derselben Kläger vor dem 8. Senat des OVG anhängig. Dieser müsse jetzt entscheiden, so der 10. Senat, welche Bedeutung die Unwirksamkeit des Bebauungsplans für die Rechtmäßigkeit dieser immissionsrechtlichen Genehmigung hat.
„Schon 2009 war klar, dass der Standort nicht geht“
Bürgerinitiativen und Umweltverbände fordern deswegen nun ein politisches Ende von Datteln 4. Die nordrhein-westfälische Landesregierung unter Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) dürfe die Hängepartie nicht noch mehr verlängern und müsse schnellstmöglich die Bezirksregierung Münster anweisen, auch die immissionsrechtliche Genehmigung zurückzunehmen, verlangt das Netzwerk „Stopp Datteln 4“. Auch der Betreiber Uniper müsse das Ende des Kohlezeitalters akzeptieren und den „Klimakiller“ sofort stilllegen.
Für den BUND-Vorsitzenden Olaf Bandt ist das Urteil eine „schallende Ohrfeige“ für Laschet. Der Ministerpräsident und jetzige Unions-Kanzlerkandidat habe sich immer wieder öffentlich für die Inbetriebnahme von Datteln 4 starkgemacht, sagte er gestern in Berlin.
Bandt weiter: „Schon vor zwölf Jahren war klar, dass der Standort in unmittelbarer Nähe zur Wohnbebauung ungeeignet ist. Doch statt die damalige Entscheidung des OVG zu akzeptieren, wurde ein neuer Bebauungsplan verabschiedet, ohne etwas an dem problematischen Standort zu ändern.“ Außerdem sei Datteln 4 gegen die Empfehlung der Kohlekommission und trotz starker öffentlicher Proteste ans Netz gegangen.
Das OVG Münster hat gegen seine Entscheidung keine Revision zugelassen. Dagegen kann aber beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde eingelegt werden. Ob das geschieht, ist noch offen.
Der Betreiber Uniper erklärte laut Medienberichten am Donnerstag nur, er wolle die Urteilsbegründung analysieren und weitere Rechtsmittel prüfen. Klar sei, dass das Gericht nicht über eine Stilllegung von Datteln 4 entschieden habe, sondern über „formale Aspekte des Planungsrechts“.
BUND-Chef Bandt erwartet seinerseits, dass – sobald die Aufhebung des Bebauungsplanes rechtskräftig ist – dem Betreiberkonzern die emissionsschutzrechtliche Genehmigung entzogen und das Kraftwerk stillgelegt und zurückgebaut werden muss.
Quelle
Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude) 2021 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden!