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Schluss mit lustig

Es war vor knapp einem Jahr, als der Ölmulti Shell das dezent verpackte Ergebnis einer internen Studie veröffentlichte, in der es hieß, bedingt durch die hohen Energierohstoffpreise finde eine dramatische Verlagerung der Wirtschaftskraft von West nach Ost statt. Leider scheint die Botschaft bei den Verantwortungsträgern in Politik und Wirtschaft nicht wirklich angekommen zu sein. Die volle Tragweite dieser Aussage wurde wohl nicht erkannt. Ein Kommentar von Hans Kronberger

Die Europäische Union ist derzeit zu circa 60 Prozent von Fremdenergie abhängig. Dies war bis zur Jahrtausendwende mit einem Erdölpreis von 10 Dollar pro Barrel  nicht wirklich dramatisch. Ein Blick ins Archiv: Österreich gab 2001 5,5 Milliarden Euro für Energiezukauf aus, Deutschland 47,6 und die EU (mit damals noch 15 Mitgliedsstaaten) 209 Milliarden. Die Ausgaben für Energiezukauf sind im Wesentlichen einseitig, sie fließen ab und kommen über andere Handelsgeschäfte nur sehr spärlich zurück.

Einer der Hauptenergielieferanten bei Öl und Gas, Russland, hat angekündigt, die Einnahmen aus dem hohen Ölpreis in erster Linie in Rüstungsgüter in der Höhe von 50 Milliarden Euro bis 2020 zu investieren. Doch zurück zur Kostenentwicklung bei den Käufern. Der vorläufige Rekord wurde im Krisenjahr 2008 erreicht, als der Erdölpreis vorübergehend auf 148 Dollar pro Barrel anstieg. In Österreich beliefen sich die Energie-Ausgaben damals auf 14,3 Milliarden, in Deutschland auf 114,2 Milliarden und in der EU auf 654 Milliarden Euro.

Im Zuge der Wirtschaftskrise, der damit verbundenen Verringerung des Energiebedarfs und mit dem vorübergehend gesunkenen Ölpreis gingen diese Ausgaben im Jahre 2009 zwar zurück, aber offensichtlich nur um Schwung zu holen. 2010 kam schon wieder knapp an das Rekordjahr 2008 heran.

Der Vollständigkeit halber: In Österreich türmten sich Ausgaben von 12,3 Milliarden, in Deutschland von 94 Milliarden und in der gesamten EU von 558 Milliarden Euro. Die bange Frage lautete, wann die Höchstmarke von 2008 überschritten und in welcher Höhe sich der Erdölpreis dauerhaft einpendeln wird.

Seit kurzem liegen die Zahlen für das Jahr 2011 vor

Und die zeigen: Jetzt ist Schluss mit lustig. Österreichs Ausgaben für Energiezukauf haben sich in nur einem Jahr um 3,4 Milliarden Euro auf 15,7 Milliarden erhöht, in Deutschland ist ein Mehr von 27,3 Milliarden zu verzeichnen und die gesamte EU zahlt um 166 Milliarden mehr; sie kommt auf eine Gesamtsumme von 724 Milliarden Euro!

Damit strebt die EU rasant der Billionengrenze zu. Man kann es ganz einfach ausdrücken: Noch nie haben die Energielieferanten die Energiekonsumenten derart stark ausgesaugt. Denn die abfließenden Summen werden durch nichts ausgeglichen, sie fehlen den abhängigen Volkswirtschaften, untergraben die Sozialstrukturen, schwächen die Kaufkraft und vereiteln Investitionen.

Mit anderen Worten: Es wird sinnlos nicht nur das kostbare Erdöl der Lieferländer, sondern in exponentiell steigendem Ausmaß auch das Geld der Verbraucherländer verbrannt. Jeder Versuch, Staatsbudgets zu konsolidieren, ist zum Scheitern verurteilt, wenn es nicht gelingt, den ausufernden Devisenabfluss auf Nimmerwiedersehen zu stoppen.

Wer die Energiewende schon aus Gründen der CO2-Anreicherung und der damit verbundenen Erderwärmung für unabdingbar hielt, hat zwar Recht, die volkswirtschaftlichen Folgen des fossilen Energiesystems werden noch werden wir aber noch viel schneller spüren.

Mit dem Überschreiten des bisherigen Höchstpreises pro Barrel Erdöl ist jener Punkt erreicht, an dem es nicht mehr um den knurrenden Autofahrer oder die frierende Mindestrentnerin geht, sondern um eine wirtschaftliche Existenzfrage der energieabhängigen Industriestaaten.

Wie sieht die Bilanz im laufenden Jahr aus und wie geht es weiter?

Die ökonomische Dimension der Frage, „Energiewende“ ja oder nein, ist offenbar noch nicht einmal ernsthaft erkannt. Die gigantischen Chancen, die sich allein aus der Möglichkeit ergeben, die Beträge zur Bereitstellung von Energie im Lande zu behalten, werden Jahr  für Jahr sinnlos vertan. Schon die Eindämmung der Zuwachsraten wäre ein Gewinn. Wie man es dreht und wendet. Der Flucht aus der „Energiefalle“ gebührt die volle Aufmerksamkeit von Politik und Wirtschaft.

Quelle

Hans Kronberger 2012

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