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Schwierige Zangengeburt am Gasmarkt

Das europäische Jahrhundertprojekt Nabucco ist gescheitert. Erdgas ist eine politische Waffe. Hätte es noch eines Beweises für diese These bedurft, so ist er in den letzten Monaten geliefert worden. Europa wollte sich von seinem Hauptgasdealer Russland emanzipieren und sich direkt aus Zentralasien und dem Iran mit Erdgas versorgen. Die Pipelines hätte man noch zustande gebracht, aber ausreichend Gas konnte nicht erworben werden. Russland war immer schneller und wendiger. Wie bei Hase und Igel, immer wenn die europäischen Hasen an potentiellen Bohrlöchern angehopst kamen, waren die russischen Igel schon da. Von Hans Kronberger

Schließlich hieß es für Nabucco: „Außer Spesen nichts gewesen!“ Gleichzeitig nahmen die Russen Europa in die Zange und legten besonderen Wert darauf, dass diese Zange nicht durch störrische Durchleitungsländer gestört werden konnte.

North- und Southstream

Am schnellsten fertig war der nördliche „Beißarm“. Die sogenannte North Stream Pipeline wurde durch die Ostsee nach Deutschland gelegt und somit Polen umgangen. Der südliche „Beißarm“ heißt South Stream und soll die Ukraine und die Türkei umgehen und wird daher durch das Schwarze Meer gelegt. Mit diesen beiden Armen und den bereits bestehenden Pipelines, die unter anderem durch die Ukraine gehen, hat sich Russland sein Versorgungsmonopol für Europa halbherzig abgesichert. Während die North-Stream funktioniert, gibt es um die South-Stream heftiges Gezänke. Aber auch in der Versorgung Europas über die bestehende Verbindung durch die Ukraine herrscht Alarmstimmung. Sowohl Russland als auch die EU wollen die ukrainische Braut „nach Hause“ führen. Nicht zimperlich ist man vor von beiden Seiten bei der Brautwerbung. Zuckerbrot und Peitsche wechseln einander ab. Die Braut glänzt nicht gerade durch Bescheidenheit. Etwa zwanzig Milliarden Euro will sie vom Westen während sie sich von den Russen billiges Gas erhofft und natürlich die Möglichkeit kräftig an der Gasdurchleitung mitzunaschen.

Keine einheitliche Energiepolitik

South Stream soll vor allem den süd- und osteuropäischen Markt bedienen. Aber ebenso wie Nabucco ist die South Stream ein leuchtendes Beispiel dafür, dass die EU nicht in der Lage ist eine einheitliche Energiepolitik zu betreiben. Der Pipelinebetreiber Gazprom hat mit den Bezieherländern (Österreich, Bulgarien, Ungarn, Griechenland, Slowenien und Kroatien, Serbien) Einzelverträge geschlossen. Genau hier spuckt die EU den Russen in die Suppe. Nach Ansicht der EU gilt auf dem Gebiet der Union europäisches Recht. Dieses besagt, dass Produzenten und Netzbetreiber (unbundling) eigene Unternehmen sein müssen.

Diese müssen, wie beim elektrischen Strom, die Versorgungsnetze auch für andere Anbieter frei zugänglich machen. Genau das wollen die Russen wiederum nicht und berufen sich darauf, dass die Einzelverträge nach internationalem Recht abgehandelt werden müssten und das sieht kein freies Zutrittsrecht für andere Versorger vor. Die EU wiederum geht noch einen Schritt weiter und meint: Die Gasnetzbetreiber dürften keinesfalls die Nutzungsgebühren selbst frei festlegen, sondern müssten dies unabhängigen Regulatoren überlassen.

Neuverhandlungen notwendig?

Die EU schlägt den Russen „Neuverhandlungen“ vor, diese wiederum scheuen solche wie der Teufel das Weihwasser. Kein Wunder, könnte das Ausverhandeln neuer Verträge Monate, wenn nicht Jahre dauern. Der EU-Kommissionsdirektor für den Binnenmarkt Klaus-Dieter Borchardt droht unverhohlen: „South Stream wird nicht auf EU Territorium in Betrieb gehen, wenn es nicht dem EU-Recht entspricht.“ (Wirtschaftsblatt 6.12. 2013) Mit dem Bau wurde bereits begonnen, ab 2015 soll das erste Gas strömen und 2018 die komplette Pipeline fertig sein. Dimitri Medwedew, der russische Ministerpräsident hat zwar um des Friedens willen Gesprächsbereitschaft signalisiert, liebäugelt aber gleichzeitig damit, über die WTO (World Trade Organisation) rechtliche Schritte zu setzen. Eine Zuspitzung der Lage mit gegenseitigen Sanktionen könnte unabsehbare Folgen haben.

Kosten explodieren

Die South-Stream Pipeline hat inzwischen auch an einer anderen Front zu kämpfen: Die Kostenseite. Bei der Projektion der eurasischen Pipeline hat sich herausgestellt, dass die Zulieferer auf russischer Seite, die das Gas von Sibirien an das Schwarze Meer bringen, desolat sind. Ähnlich wie seinerzeit bei Nabucco explodieren die Kosten. Anstatt 11,3 Milliarden Euro werden bis 2017 mehr als 16,4 Milliarden Euro benötigt, eine Preissteigerung von 45 Prozent (Wirtschaftsblatt 11.12. 2013). Die Gesamtkosten steigen damit auf 33,5 Milliarden Euro.

(Energie-) Turbulenzen in Sicht

Während sich Europa und Russland um die Gasversorgung der Union matchen, dämmert am internationalen Energiemarkt ein neuer Zündfunke auf. Nachdem im Genfer Atomstreit mit dem Iran Entspannung signalisiert wird und damit unter Umständen die Aufhebung von Sanktionen gegenüber der Energiegroßmacht Iran bevorsteht, könnte die Energiewelt neulich heftig durchgeschüttelt werden.

Hier tun sich dutzende Fragen auf: Stürzt der Ölpreis ab und macht dadurch weitere Explorationen in schwierigen Gebieten wie Nordsee und Arktis zumindest vorübergehend unrentabel? Bricht der Schiefergasmarkt zusammen, da es mit billigem Iran-Gas nicht mithalten kann? Wer kommt an die freiwerdenden Vorräte heran? Indien, China, Japan, die EU oder die USA, oder kommt überhaupt alles anders als man denkt? Die fossile Energiewelt steht wieder einmal vor unruhigen Zeiten.

Quelle

Dr. Hans Kronberger 2014


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