Semitransparenz
Für viele von uns ist die Spionage der NSA kein Drama mehr, für die Politik schon gar nicht. Selbst wenn die eigenen Institutionen die Stasi-Methoden aus Übersee nachahmen, wird kaum einer unruhig. Ein Kommentar von Matthias Hüttmann und Tomi Engel.
Das beunruhigt doch sehr, denn kaum jemand kann absehen, welche Standards durch dieses Tun gesetzt werden und was passieren könnte, würden in einer Zukunft weniger demokratische Kräfte mit diesen Werkzeugen operieren. Dass auch wir in Europa nicht so stabil sind wie wir dachten, zeigen die aktuellen Ereignisse deutlich. Es gibt einen Trend zum nationalistischen Denken, verbunden mit einer Neuordnung unserer Wertebegriffe. Die Kombination von Überwachung und Separatismus kann gefährlich werden, auch für die Zukunft der europäischen Energie.
Die Angst als Wahlhelfer
Die neue polnische Regierung steht symbolisch für ein Rollback europäischer Politik. So erklärte erst kürzlich der polnische Außenminister Witold Waszczykowski seinen politischen Horizont mit den Worten: „Eine Welt aus Radfahrern und Vegetariern, die nur noch auf Erneuerbare Energien setzen und gegen jede Form der Religion kämpfen. Das hat mit polnischen Werten nichts mehr zu tun.“ Das klingt nicht nur befremdlich, das ist es auch. Besonders wenn man weiß, dass mit einem solch absurden Mix an Parolen wieder etwas zu gewinnen ist. Einfache „Lösungen“ für komplexe Zusammenhänge kommen offenbar wieder gut an. Das weiß man auch in Deutschland, speziell im Süden unserer föderalen Republik. Dort hofiert man zuweil dem Vorreiter der totalitären Demokratie in Europa, Victor Orbán.
Aber zurück zur Energie
Energiewende ja, aber nur wenn sie nicht stört und man sie nicht hört (oder sieht). Notwendige Veränderungen werden verteufelt, die vorhandenen Energiesackgassen verharmlost. In einer solchen Stimmungslage fällt es scheinbar leicht alternative Entwicklungen zu diffamieren. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man glauben der Satz „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“ ist kein historischer Ausspruch Adenauers sondern vielmehr die Maxime des deutschen Wirtschaftsministers. Ist er auch vielleicht nicht ganz so flexibel in seiner Meinungsanpassung wie der bayerische Kollege, so sind seine Weichenstellungen deutlich effizienter. Schamlos werden Bürgerinteressen geopfert, aus Belohnung wird Bestrafung. Ob es dabei wirklich nur um die Interessen der großen Energie-Scheinriesen geht ist unklar, aber auch irrelevant. Es schleicht sich grundsätzlich der Gedanke ein, dass aus Volksvertretern längst Interessensvertreter geworden sind. Doch welche und wessen Interessen werden hier vertreten?
Auf dem COP21-Klimagipfel in Paris lässt man sich feiern, zuhause im Land und im Projekt Europa bremst man dagegen wo man nur kann. Wo ist nur das „Wir“ geblieben. Geht es nicht um unser aller Zukunft auf dem wunderbaren „Raumschiff Erde“?
Wo steht die Energiewende?
Im Jahr 2009 begann die DGS mit der Veröffentlichung der www.EnergyMap.info. Auf den Internetseiten wird für jede Region in Deutschland detailliert aufgezeigt, welchen Zubau bei der Erneuerbaren Stromproduktion man mit Hilfe der über das EEG geförderten Anlagen bereits erreicht hat. Unzählige Forschungseinrichtungen, Netzbetreiber, Klimaschutzbeauftragte, Vereine, Politiker, Privatpersonen, Behörden, Kommunen und viele andere Akteure der Energiewende nutzen diese Daten. Die Statistiken der bisherigen Erfolge ermöglichen es, die zukünftige Entwicklung auf der Basis sachlicher Fakten zu gestalten. Die Grundlage der EnergyMap waren von Anfang an die offiziellen und zugleich öffentlich verfügbaren Daten der Netzbetreiber. Da die Energiewende nur mit einer breiten öffentlichen Unterstützung ein Erfolg werden kann, hatte der Gesetzgeber bereits 2004 im EEG seinen ausdrücklichen Willen zur Transparenz formuliert. Im Jahr 2014 wurde sogar eine Anlagenregisterverordnung erlassen und die Verantwortung auf die Bundesnetzagentur übertragen, was auf den ersten Blick eine Verbesserung der Datenqualität und Aktualität erhoffen ließ.
Transparenz nur auf dem Klageweg?
Doch heute, rund zwei Jahre nach der Formulierung der Anlagenregisterverordnung ist erkennbar, dass diese nicht zu mehr sondern zu weniger Transparenz geführt hat. Die von der Bundesnetzagentur bereitgestellten Daten sind im Bereich der Photovoltaik sogar von so schlechter Qualität, dass die DGS bis auf weiteres keine Aktualisierung der EnergyMap mehr durchführen kann (siehe auch die letzte Seite in diesem Heft).
Es ist geradezu absurd, dass während die Politik das Gesetz zur „Digitalisierung der Energiewende“ durchpeitschen will, die Stromwirtschaft immer wieder den realen Beweis erbringt, dass sie nicht fähig ist, selbst banale Datenbestände „unverzüglich“ oder zumindest „zeitnah“ zu bearbeiten. So liegen selbst Anfang 2016 in einigen Netzgebieten noch keine Bewegungsdaten für das Jahr 2014 vor. Das muss der „Smart Market“ sein, von dem alle reden. Vielleicht ist es an der Zeit, das Informationsfreiheitsgesetz um Hilfe zu fragen.
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Quelle
Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. | Matthias Hüttmann und Tomi Engel 2016