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Stadtwerke drohen, Chancen des dezentralen Energiemarkts zu verpassen

Traditionelle Versorger bekommen Konkurrenz von Unternehmen aus energienahen Branchen.

Energie wird in Deutschland künftig verstärkt dort erzeugt, wo sie gebraucht wird – und die traditionellen Energieversorger bekommen dabei starke Konkurrenz: Bereits heute erzeugt fast jedes zweite Unternehmen (47 Prozent) aus energienahen Branchen selbst Energie, ein weiteres Viertel plant ein solches Engagement für die nächsten Jahre.

Am beliebtesten sind Blockheizkraftwerke, Photovoltaik-Anlagen sowie Windkraft und Biomasse. Mehr als drei Viertel dieser Unternehmen sind der Meinung, dass die Energiewende nur mit dezentraler Energieerzeugung gelingen kann, und sechs von sieben Befragten glauben, dass neue Marktteilnehmer wie Unternehmen mit eigenen Heizkraftwerken, Stromhändler oder Anbieter von Solarpaneelen deshalb weiter an Bedeutung gewinnen werden.

Gerade ein Energienetz mit vielen dezentralen Erzeugern benötigt eine umfassende IT-gestützte Steuerung. Viele Unternehmen haben die damit verbundenen Erfordernisse und Chancen allerdings noch nicht erkannt: Lediglich 42 Prozent der befragten Manager halten den Ausbau eines umfassenden „Internets der Energie“ für unabdingbar, soll die Energiewende gelingen. 11 Prozent halten diese Entwicklung sogar für völlig überflüssig.

Das sind Ergebnisse der Stadtwerkestudie 3.0 der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Für die Studie wurden 100 Unternehmen befragt, davon 18 aus der Energiewirtschaft und 82 aus verwandten Branchen wie IT, Telekommunikation, Energiedienstleistungen, Geräteherstellung oder aus energieintensiven Wirtschaftszweigen wie der Chemie.

„Das Potenzial dezentraler Energieerzeugung ist noch lange nicht erschöpft“, sagt Dr. Helmut Edelmann, Director Utilities bei EY: „Momentan ist eine gewaltige Umwälzung auf dem Energiemarkt im Gang – und die Energieversorger tun gut daran, schnell aktiv zu werden. Bislang laufen aber vor allem Stadtwerke und Regionalversorger Gefahr, zu langsam auf diese Veränderungen zu reagieren. Damit besteht die Gefahr, dass ihnen externe Wettbewerber den Rang ablaufen – vor allem wenn es um den riesigen Wachstumsmarkt Smart Energy geht.“ 47 Prozent der befragten Unternehmen sind schließlich schon heute der Ansicht, dass die Stadtwerke kompetente Kooperationspartner brauchen, um das „Internet der Energie“ auf den Weg zu bringen.

Die neuen Marktteilnehmer sind für die traditionellen Energieversorgungsunternehmen (EVU) nicht nur Konkurrenten, sondern werden auch dringend als Lieferanten von Branchen-Knowhow, Spezialprodukten und Infrastruktur gebraucht. Das gilt insbesondere für die zunehmende Bedeutung von IT-Prozessen für die Energieversorgung: „Je mehr Stellen aktiv an der Stromversorgung teilnehmen – EVU, dezentrale Erzeuger, erzeugende Verbraucher – desto komplexer wird auch die Steuerung der Energienetzes. Kein Einzelunternehmen kann hierfür eine überzeugende und effiziente Struktur bieten – das können nur umfassende Kooperationen.“

Bis dahin ist noch viel zu tun – und es gibt mehrere dringliche Aufgaben: Jedes dritte Unternehmen, das bereits selbst Energie erzeugt oder das bald vorhat, sieht zum Beispiel in der Beschaffung von Echtzeitinformationen zu Anlagen und Netzen die wichtigste Vorbedingung für die Entwicklung einer „Smart Energy“: Erst auf dieser Basis ist der Aufbau automatisierter Geschäftsprozesse und eines effektiven Datenaustausches möglich. Jedes fünfte Unternehmen sieht bei der IT-Steuerung dezentraler Erzeugungseinrichtungen großen Nachholbedarf – die Energie soll dort entstehen, wo sie gebraucht wird, aber die Bedienung dieser Anlagen muss nicht unbedingt vor Ort erfolgen. Weitere 15 Prozent der energieerzeugenden Unternehmen sehen den Aufbau des Telekommunikationsnetzes als vordringliche Aufgabe.

„Internet der Energie“ wird noch unterschätzt

„Die IT-gestützte Energieversorgung bietet große Chancen, doch viele Energieversorger sehen diese positiven Perspektiven offenbar nicht“, bemängelt Edelmann. „Außerdem schauen sie zu sehr auf ihre direkten Wettbewerber – also andere Energieversorger – und übersehen so, wie wichtig die neuen branchenfremden Player bereits geworden sind. So laufen sie Gefahr, den Anschluss an die neuen Entwicklungen zu verpassen. Die Früchte der Energiewende könnten so andere einfahren.“

Dabei wird bereits massiv in die so genannten „Smart Grids“ investiert. Experten rechnen dabei mit Investitionen von weltweit 1,5 Billionen Euro für den Aufbau solcher intelligenter Stromnetze. Beim „Smart Grid“ werden Stromflüsse automatisch an den aktuellen Bedarf angepasst, beim „Internet der Energie“ werden zusätzlich Informationen der Marktteilnehmer z.B. zur Preisfindung einbezogen und somit auch alle dezentralen Anbieter mit eingebunden.

Virtuelle Kraftwerke, intelligente Häuser oder die Fernablesung („Smart Metering“) mögen bereits zum Teil Realität sein, dennoch: Das umfassende „Internet der Energie“ sehen lediglich vier von zehn befragten Unternehmen mit Erfahrung im Bereich „Smart Energy“ als unerlässliche Voraussetzung der Energiewende. 11 Prozent erkennen sogar überhaupt keine entsprechende Notwendigkeit. Jeder zweite Befragte mit Erfahrung im Bereich „Smart Energy“ sieht in der künftigen IT-Ausrichtung der Energieversorgung sogar nur eine Ergänzung zum traditionellen Geschäft, keineswegs aber die völlige Neuausrichtung. Ebenso viele Unternehmen glauben sogar, dass die zunehmende Nutzung und Übertragung von Informationen im Bereich der Energieversorgung überschätzt wird.

Auch Fragen rund um die Datensicherheit könnten die Unternehmen bislang noch davon abhalten, die Chancen im „Internet der Energie“ voll zu nutzen: Für 74 Prozent der Befragten, die bereits im Bereich IT/Kommunikation tätig sind, ist der Schutz von der Infrastruktur der Energieerzeugung einerseits, die Wahrung der Privatsphäre der Nutzer andererseits das entscheidende Kriterium dafür, überhaupt IT im Bereich der Energieversorgung anzuwenden.

Und ganz ohne die traditionellen Großkraftwerke wird es aber wohl auch in Zukunft nicht gehen: 54 Prozent der befragten Unternehmen, die selbst Energie erzeugen oder entsprechende Pläne haben, sind der Ansicht, dass die dezentralen Erzeugungsanlagen die konventionellen Großkraftwerke ergänzen, aber nicht ersetzen werden. Nur jeder fünfte befragte Manager glaubt, dass Deutschland langfristig auch ohne Großkraftwerke auskommen kann.

Quelle

Ernst & Young GmbH 2013

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