„Stuttgart 21 ist finanzpolitisch, verkehrspolitisch und demokratiepolitisch fatal“
Der Verkehrsexperte Professor Heiner Monheim widerspricht Wolfgang Schäubles These, wonach Stuttgart 21 aus staatspolitischen Gründen gebaut werden müsse.
Liebe Freunde, das Gegenteil von Schäubles Aussagen ist richtig: es gibt ein gesamtstaatliches Interesse, S 21 nicht zu bauen, und zwar aus demokratiepolitischen, finanzpolitischen und verkehrspolitischen Gründen.
1. Finanzpolitisch ist es angesichts europaweiter Sparzwänge grotesk, so viel Geld in ein arbeitsplatzmäßig weitgehend unproduktives Projekt zu stecken. Wir veranlassen gerade Portugal, Spanien und demnächst wohl auch Italien, unsinnige Großprojekte zu canceln und statt dessen viel mehr öffentliches Geld in Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahen zu stecken.
Mehr Hirn und weniger Beton ist gefragt. Und dann peitschen wir S 21 durch, mit dem Segen des obersten Sparkommissars im Lande? Ausweislich aller einschlägigen Studien schaffen nur kleinteilige, personalintensive Bauprojekte neue Beschäftigung, dagegen ist bei Großprojekten der Arbeitsplatzeffekt je eingesetzte Million Baugeld minimal. Das haben mehrere Studien der deutschen Bauwirtschaft eindeutig ergeben. Das liegt am starken Maschineneinsatz und dem geringen Anteil von Handarbeit in Großprojekten.
Dort werden im Übrigen überwiegend Bau-Großkonzerne beauftragt, für die
klein- und mittelständische Bauwirtschaft bleibt da wenig übrig. Nur letztere aber hat eine hohe Ausbildungsleistung und Personalintensität.
2. Verkehrspolitisch blockiert S 21 auf fatale Weise PLanungs- und Baukapazitäten und Finanzmittel, die für allein 100 vordringliche Schienenverkehrsmaßnahmen in Baden-Württemberg fehlen, deutschlandweit werden über 1000 Projekte blockiert, weil die Bahn sich voll auf 21 konzentrieren muss. Deutschland braucht endlich eine andere Bahnpolitik. Und deren Start wird durch S 21 verhindert und blockiert. S 21 ist in hohem Maße innovationsfeindlich und diskreditiert die Bahn immer mehr als unbezahlbar teures Verkehrssystem. Allein 60 Bahnknoten bräuchten dringend eine Kapazitätserweiterung, die nicht vorangetrieben wird, weil S 21 alles monopolisiert. S 21 behindert so gesehen die deutsche Verkehrsentwicklung massiv, es schafft dramatische Kapazitätsengpässe im ganzen Land.
3. Demokratiepolitisch ist S 21 fatal, weil sich mittlerweile alle einig sind, dass gravierende Planungsfehler, Rechenfehler und Beteiligungsfehler gemacht wurden. S 21 ist also eher ein Menetekel für Planungsversagen und Beteiligungsversagen. Und zur Belohnung soll nun erst recht dieses Projekt forciert und als Fass ohne Boden finanziert werden? Nein, man muss die Planer nach Hause schicken und zwingen, neu anzufangen, bestandsorientiert, bescheiden, intelligent. Dann landen sie automatisch bei K 21 (Kopfbahnhof 21), der wesentlich besseren, wirksameren und voraussetzungsloseren, preiswerteren Alternative.
Minister Schäuble wird seinem Auftrag als Finanzminister in keiner Weise gerecht, wenn er fordert, das Geld weiter mit vollen Händen zum Fenster rauszuschmeißen, statt die Chance für eine massive Einsparung und erhebliche Haushaltssanierung zu nutzen.
Quelle
Prof. Dr. Heiner Monheim 2013raumkom | Institut für Raumentwicklung und Kommunikation 2013