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BMU / Thomas Köhler / Immer optimistisch: Umweltministerin Svenja Schulze (SPD).

© BMU / Thomas Köhler / Immer optimistisch: Umweltministerin Svenja Schulze (SPD).

Umweltministerium: Gesetzentwurf voll Optimismus

Wuchtige Kritik trifft derzeit das Bundesumweltministerium für den jetzt veröffentlichten Entwurf des Klimaschutzgesetzes. Dieses ist zwar ziemlich optimistisch gestrickt, von einem Skandal aber noch ein Stück weit entfernt. Nur das Klimakabinett steht wirklich nicht mehr drin – soll aber weiterarbeiten.

Vom Gesetzgeber her gesehen besteht die Klimapolitik der Bundesregierung derzeit aus drei „Paketen“: Das erste ist das letzte Woche vom Kabinett durchgewunkene Finanz-„Paket“ mit 54 Milliarden Euro an Investitionen, Anreizen und Fördergeldern von 2020 bis 2023. Von der Summe sind gut 39 Milliarden Euro durch Einnahmen einigermaßen plausibel gedeckt, 15 Milliarden muss der Finanzminister noch in die kommenden Bundesetats hineinquetschen.

Das zweite „Paket“ ist das Klimaschutzprogramm 2030 mit dem CO2-Preis von anfänglich zehn Euro sowie Hunderten von Einzelmaßnahmen. Das wurde letzte Woche kurz vorm Kabinettsbeschluss von der Union einkassiert und soll diese Woche die Wiedervorlage im Kabinett erleben. Dieses „Paket“ ist besonders umstritten, weil es nach jetzigem Stand nie und nimmer ausreicht, um die Klimaziele für 2030 zu erreichen. 

Das dritte „Paket“ schließlich ist das sogenannte Klimaschutzgesetz, das Lieblingsprojekt der Bundesumweltministerin. Eine erste Vorlage hatte sie bereits im Februar unabgestimmt dem Kanzleramt übermittelt, die seitdem im rechtsfreien Raum vor sich hinschmorte. Das Gesetz regelt vor allem den Mechanismus, wie die Bundesregierung sich selbst zwingen will, endlich mal ein Klimaziel einzuhalten – und zwar das für 2030, das lautet: 55 Prozent CO2-Reduktion im Vergleich zu 1990.

„Der Entwurf entkernt das Klimaschutzgesetz“

An diesem Wochenende veröffentlichte das Umweltministerium nun den Referentenentwurf für das Gesetz – und erntete eine Wucht an Kritik ohnegleichen – von der Klimabewegung, der Opposition und den Umweltverbänden. „Der Entwurf entkernt das vom Klimakabinett angekündigte Klimaschutzgesetz“, sagte Christoph Bals von Germanwatch. Verbindliche Langfristziele und deren unabhängige Überwachung seien Kernbestandteile eines vernünftigen Klimaschutzgesetzes.

Wie die beiden anderen Vorlagen richtet sich das Klimaschutzgesetz jetzt ziemlich brav nach dem von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 20. September vorgestellten Eckpunkte-Papier aus und setzt dieses eins zu eins um. Im Kern bleibt es auch bei dem schon in den „Eckpunkten“ vereinbarten Monitoring.

Droht ein Ministerium in seinem Sektor die Klimaziele zu verfehlen, muss es nun auch laut Gesetzentwurf nach drei Monaten ein Programm vorlegen, wie es diese einzuhalten gedenkt. Dass die Bundesregierung diese Sektorziele abändern kann, wie ebenfalls kritisiert wird – diese Hintertür hatte schon das Bundeskabinett im Eckpunkte-Papier geöffnet.

Praktisch wird das vor allem darauf hinauslaufen, dass zum Beispiel die Energiewirtschaft ein paar fossile Kraftwerke mehr vom Netz nehmen muss, wenn der Verkehr nahezu erwartungsgemäß sein Budget überziehen wird.

Wie in den „Eckpunkten“ vorgesehen, enthält der Entwurf auch die Expertenkommission, die die nötigen Emissionsdaten liefern soll. Auf deren Grundlage soll die Regierung dann, so nötig, über verschärfende Maßnahmen entscheiden. Deren Wirksamkeit soll dann wieder von den Experten geprüft werden.

Aus dem Entwurf des Klimaschutzgesetzes ist jetzt zu erfahren, dass dieses Gremium fünf Mitglieder haben wird, eine Geschäftsstelle bekommt und dass jedes Mitglied für fünf Jahre benannt wird und einmal wiedergewählt werden kann.

Extrem optimistische Annahmen

Am interessantesten am Entwurf ist das dort ausgebreitete Zahlenwerk. So wird für 2020 ein Ausgangsniveau der deutschen CO2-Emissionen, rechnet man alles zusammen, von 803 Millionen Tonnen angenommen. Diese sollen bis 2030 um 260 Millionen auf 543 Millionen Tonnen sinken, um die 55-prozentige Reduktion gegenüber 1990 zu erfüllen.

Leider stieß Deutschland 2018 laut Umweltbundesamt aber noch 866 Millionen Tonnen CO2 aus – wie man da für 2020 schon auf 803 Millionen Tonnen kommen will, erscheint recht schleierhaft.

Darüber hinaus geht der Referentenentwurf davon aus, dass von den 260 Millionen Tonnen zu erzielender Reduktion um die 80 Millionen Tonnen im sogenannten Referenzszenario, also gewissermaßen sowieso eintreten. Das baut unter anderem darauf, dass zum Beispiel die Energieeffizienz schon aus dem Eigeninteresse der Wirtschaft heraus jährlich um etwa ein Prozent steigt.

Geht diese Kalkulation auf, müsste die Bundesregierung durch die Maßnahmen des Klimaschutzprogramms 2030, des zweiten „Pakets“ also, dann nur noch rund 180 Millionen Tonnen innerhalb der nächsten zehn Jahre hinzusparen. Auch dies scheint eine extrem optimistische Annahme zu sein. Im Verkehr gab es bekanntlich in den letzten gut drei Jahrzehnten, entgegen allen Referenzprognosen, nahezu keine Einsparung an Klimagasen.

Wirklich „entkernt“ wurde der Referentenentwurf nur dort, wo es um das Klimakabinett geht, den Zusammenschluss der am meisten betroffenen Ministerien unter Vorsitz der Kanzlerin. Das Klimakabinett sei im Entwurf nicht enthalten, bestätigte ein Sprecher des Umweltministeriums gegenüber Klimareporter°. Der Grund sei, dass der Bundestag, der das Klimagesetz am Ende beschließt, der Regierung nicht vorschreiben könne, wie sie die Umsetzung der Gesetze organisiert. In der Praxis aber, so der Sprecher, solle das Klimakabinett seine Arbeit fortsetzen.

Quelle

Der Bericht wurde von
der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude)
2019
 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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