Upcycling setzt einen Kontrapunkt zur Wegwerfmentalität
Recycling kennt jeder: Müll wird wiederverwertet. Um knappe Ressourcen zu schonen, erobert diese Idee nun auch die Modebranche.
Aus gebrauchten oder überschüssigen Materialien entstehen hochwertige Einzelstücke und einen klingenden Namen hat der neue Trend auch bekommen: Upcycling.
Ob Lederretouren aus der Sofaproduktion, ausgediente Feuerwehrschläuche, alte Armeedecken oder schlicht und einfach Reste aus der Textilproduktion: Upcycling hat den entscheidenden Vorteil, dass Abfallprodukte oder nutzlose Stoffe in hochwertigere Produkte umgewandelt werden.
Im Gegensatz zum normalen Recycling ist diese Form des Recyclings also eine echte Aufwertung. Das reduziert die Neuproduktion von Rohmaterialien und verringert damit Energieverbrauch, Luft- und Wasserverschmutzung sowie Treibhausgasemissionen.
Und keine Sorge: Upcycling ist mehr als die früher kurzzeitig in Mode geratenen Taschen aus alten Jeans oder schreiend bunten Tetrapaks.
Matt and Nat etwa produziert Taschen aus alten Plastikflaschen, die aussehen (und sich anfühlen) wie echtes Leder. Das Kölner Label Feuerwear fertigt Taschen und Accessoires aus gebrauchtem Feuerwehrschlauch, der sonst als Abfall die Umwelt belasten würde. Das ist auf vielen Ebenen clever: Die Taschen haben ein besonderes Design, sind wetterfest und durch die unterschiedlichen Aufdrucke wie DIN-Normen, Prüfnummern, Schlauchlängen, vorherigem Einsatzort und echten Gebrauchsspuren individuell. Ein ähnliches Prinzip nutzt die Schweizer Taschenmarke Freitag: Sie verwandeln alte Lastwagenhüllen in funktionale Taschenunikate.
Gewänder mit gutem Gewissen
Was bei Accessoires – etwa Taschen und Gürtel – längst gang und gäbe ist, schwappt nun auch in die Modewelt über. Sass Brown stellt in ihrem Buch „ReFashioned“ eine Auswahl von über 46 internationalen Designern vor, die aus recycelten Materialien und alter Kleidung echte Avantgarde-Mode zaubern. Dazu zählen Designer wie Hellen van Rees. Sie fertigt aufsehenerregende Mode aus Wollresten. Alte Garnfäden, die bei der Produktion anderer Firmen übergeblieben sind, werden zu Kreationen, die auch Lady Gaga trägt. Van Ress gewann damit den Humanity in Fashion Award der Firma Hess Natur.
Eher alltagstaugliche Mode findet man bei Labels wie ALUC, Reclothings, Milch oder Globe Hope. Globe Hope verwendet recycelte Militärtextilien und unbenutzte, aussortierte Reserveuniformen, darüber hinaus Uniformen, Armeesäcke, Beutel und Accessoires. Diese Militärtextilien eignen sich besonders gut, da sie aus Qualitätsstoffen hergestellt wurden, die für einen anspruchsvollen Einsatz und häufiges Waschen gemacht wurden. Außerdem nutzt Globe Hope Vintagestoffe, Segel, alte Werbebanner, Sitzgurte oder alte Arbeitskleidung – eben alles, was schon im ersten Leben langlebig war und im zweiten zu neuem Glanz erstrahlt.
Kaufen kann man diese Schätze zum Beispiel in Berlin. Der Berliner Upcycling Fashion Store wurde 2013 für sein ungewöhnliches Konzept mit dem FA!R-Handelspreis ausgezeichnet. Auf der Webseite findet man viele weitere Tipps und Links zum Thema Upcycling. Die Zahl der Designer ist mittlerweile kaum mehr zu überschauen – aber was viele gemeinsam haben, ist die Idee, die neuen Kreationen langlebig und vor allem zeitlos zu halten.
Fast-Fashion-Ära bald vorbei?
Upcycling setzt einen Kontrapunkt zur Wegwerfmentalität. In Europa werden jährlich 50 Millionen Tonnen Textilien weggeworfen – 75 Prozent landen auf der Mülldeponie, nur 25 Prozent werden recycelt. Auch Upcycling ist eine Form von Konsum – keine Frage. Aber dass sich dieser Trend selbst in der so schnelllebigen Modeszene durchgesetzt hat, ist angesichts der Mengen an produzierter und kaum getragener Kleidung ein deutliches Plädoyer für einen achtsameren Umgang mit Material.
Inzwischen gibt es sogar Ateliers, wo man alte, abgetragene Teile aus dem eigenen Schrank upcyceln lassen kann. Zahlreiche Blogs wie Handmade Kultur zeigen Ideen, wie jeder selbst aus alten Sachen Schönes und Nützliches zaubern kann. Auf We upcycle kann man sich nicht nur inspirieren lassen, sondern auch gleich selbst Ideen einsenden.
Quelle
Greenpeace | Sara Westerhaus 2014