‹ Zurück zur Übersicht
fotolia.com | olly | Junge Menschen

© fotolia.com | olly

Verratene Generation

Der Krieg dominiert aktuell alles. Aber er lässt uns auch in den Spiegel sehen und offenbart unsere Ignoranz gegenüber offensichtlichen Fehlentwicklungen. Denn unsere Abhängigkeit von fossilen Energien ist in vielerlei Hinsicht verheerend. Ein Kommentar von Matthias Hüttmann

So unterstützt unser Hunger nach Öl, Gas und Uran bekanntlich Despoten und Autokratien, ist volkswirtschaftlich und ökonomisch betrachtet eine Einbahnstraße, da er für den Umbau hin zu einer nachhaltigeren Lebensweise benötigte Devisen verschlingt. Statt die Milliarden für Öl- und Gasimporte zu verschleudern, hätten wir uns längst von der treibhausgaslastigen Energieversorgung emanzipieren müssen.

© Hirzel Verlag | Franz Alt / Ulrich von Weizsäcker "Der Planet ist geplündert"
© Hirzel Verlag | Franz Alt / Ulrich von Weizsäcker „Der Planet ist geplündert“
Bewusst Chancen verpasst

Aber das ist ja alles schon vielfach geschrieben und diskutiert worden. Um es einmal ganz deutlich zu sagen: Ja, „wir“ haben darauf schon lange hingewiesen, aber zu wenige wollten davon hören. Ein besonders eindrückliches Beispiel ist das traurige Jubiläum des im März 1972 erschienenen Berichts „Die Grenzen des Wachstums“. Bereits vor 50 Jahren zeigte dieser bereits eindrücklich die Kapazitätsgrenzen unseres Planeten auf und prognostizierte ein düsteres Bild für die Zukunft.

Lange Geschichte der Klimaforschung

Schon im 19. Jahrhundert hatte man entdeckt, dass die Menschheit durch ihren CO2-Ausstoß das Klima der Erde verändern kann. Und bereits Mitte der 50er Jahre haben Forscher vor einem gefährlichen geophysikalischen Experiment gewarnt, das trotzdem bis heute weiterläuft. 1971 meldet sich zum ersten Mal die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) zu Wort und stellte fest, dass wenn die Industrialisierung und die Bevölkerungsexplosion ungehindert weiter ginge, spätestens in zwei bis drei Generationen der Punkt erreicht sein würde, an dem unvermeidlich irreversible Folgen globalen Ausmaßes eintreten.

1986 warnte die DPG erstmals konkret vor dem Klimawandel, 1988 wurde vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen und der Weltorganisation für Meteorologie der Zwischenstaatliche Ausschuss über den Klimawandel (IPCC) eingerichtet. In Deutschland brachte der Bundestag ab1987 mehrere Enquete-Kommissionen zum Thema „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ auf den Weg. Diese überfraktionellen Arbeitsgruppen sollen umfangreiche und wichtige Sachkomplexe lösen.

SPIEGEL | Nr. 33/10.08.1986 / Die Klima-Katastrophe
SPIEGEL | Nr. 33/10.08.1986 / Die Klima-Katastrophe

Als im August 1986 der Spiegel mit dem Titel: „Die Klima-Katastrophe“ erschien – er bezog sich auch auf die Veröffentlichung der DPG und malte eine fiktive Zukunft für den Sommer 2040 – wurde die Politik aufgeschreckt. Aufgrund dieses Horrorszenarios zitierte sie eine Auswahl von Klimatologen nach Bonn und fragte diese, ob es denn stimme, was in diesem Artikel steht. Die Wissenschaftler antworteten standesgemäß sachlich und gesichert. Fundierte Aussagen, wie es denn kommen würde, waren aus wissenschaftlicher Sicht natürlich nicht möglich, so relativierten sie das Szenario ein klein wenig. Das wiederum führte zu der Reaktion, dass, wenn es nicht so schlimm sei, wir ja wahrscheinlich noch Zeit hätten und man jetzt nicht in Panik verfallen müsse. Auch wenn das mit der Panik sicherlich richtig ist, hätte man schon damals handeln müssen. Mittlerweile ist das Zeitfenster fast schon geschlossen. Im Grunde genommen haben wir, rückwärts betrachtet, 25 Jahre verloren. Hätten wir damals sofort reagiert, wären wir nicht in der Lage, in der wir heute sind, dass wir unsere CO2-Emissionen und auch die anderen Treibhausgasemissionen so drastisch reduzieren müssen, dass es tiefe Einschnitte in die Wirtschaft und auch in die Gesellschaft gibt.

Rebellion

Und heute sagen viele ältere weiße Männer: „Die 1,5 °C können nicht mehr erreicht werden.“ Greta Thunberg antwortete darauf mit „Ihr habt mir meine Träume und meine Kindheit gestohlen“ und spricht dabei nicht nur die Machthaber aus aller Welt an, sondern auch die Generation, die wider besseres Wissen nicht gehandelt hat und auch heute noch nicht handelt. Sie sagte zum Auftakt des Klimagipfels der Vereinten Nationen 2019 in New York auch „Die Menschen leiden und ihr redet nur über Geld und erzählt Märchen vom ewigen Wirtschaftswachstum. Wie könnt ihr es wagen?“ Thunberg ist zu einer Art Anführerin einer ganzen Generation geworden. Durch sie wird auch deutlich, so ein Jugendforscher, dass junge Menschen heute, anders als die 68er Generation, klare Ziele haben. Sie wollen den CO2-Ausstoß senken, den Klimawandel stoppen und die Ressourcen schonen. Vielen jungen Menschen wird angst und bange, wenn sie in die Zukunft blicken. Sie haben das Gefühl, keine Zeit verlieren zu dürfen und melden sich mit ihren Forderungen lautstark zu Wort.

© Richard Mährlein

Bei all dem stellt sich die Frage, ob die heutige Generation es schafft, wo Vorherige versagt haben. Ob sie auch genügend Menschen älterer Generationen mit auf ihre Seite ziehen können und wir vom Reden endlich ins Handeln kommen. Denn noch sitzen andere Generationen an den Hebeln in den Regierungen und den Unternehmen und an allen wichtigen Schaltstellen, genau dort eben, wo es gilt Weichen zu stellen und wegweisende Entscheidungen zu treffen. Es ist deshalb legitim, als kommende Generation anzugreifen und letztendlich Verantwortliche in Haftung zu nehmen für das, was sie tun und getan haben. Diese junge Generation der heute unter 20-Jährigen ist ungewöhnlich politisch. Besonders erstaunlich ist dabei, dass auch schon die 10-, 12-Jährigen sich interessieren.

Genaugenommen bleibt dieser verratenen Generation auch nichts anderes übrig. Fatalistisch in den Tag hinein zu leben ist keine Perspektive. Das gilt jedoch nicht zuletzt für uns alle. Nur weil wir es uns bequem gemacht haben und noch nicht persönlich unter unserem Nichtstun leiden, zählen keine Ausreden mehr, das Vorbringen pragmatischer Hemmnisse ist verlogen. Wer heute bei der Klimakatastrophe in einem zukünftigen Szenario denkt, dessen Horizont ist schlichtweg begrenzt. Wir wissen genug, um zu handeln. 

Quelle

Der Bericht wurde von der Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. (Mattias Hüttmann) 2022 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung von Matthias Hüttmann weiterverbreitet werden! | SONNENENERGIE 02/2022 | Das Inhaltsverzeichnis zum Download!

Diese Meldung teilen

‹ Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren