Waldzustandsbericht: Viel Gelb, viel Rot, wenig Grün
NABU: Ampeln des Waldzustandes erscheinen in den Herbstlaub-Farben.
Der NABU beurteilt den Zustand der Wälder Baden-Württembergs nach wie vor kritisch. „Unser Wald bleibt Dauerpatient. Er liegt zwar nicht mehr auf der Intensivstation, aber er ist nicht gesund und kann nicht entlassen werden“, sagt Dr. Andre Baumann anlässlich der heutigen Vorstellung des Waldzustandsberichts 2012 in Stuttgart. „Die Ampeln stehen in den meisten Bereichen auf gelb oder rot, nur selten auf grün. Damit geben die Ampeln das gleiche Bild ab, wie der im Herbstlaub gekleidete Wald.“
Besonders bedenklich sei, dass auch die Prognosen kritisch sind. Der Klimawandel mache dem Wald zunehmend zu schaffen. Der Jahrhundertsommer von 2003 habe im Wald langwierige Spuren hinterlassen: „Erst jetzt, knapp zehn Jahre später, haben sich unsere Wälder von diesem Extrem-Trockenjahr halbwegs erholt. Was passiert, wenn solche Trockenjahre zur Regel werden?“, fragt Baumann.
Um den Wald auf das Klima von morgen vorzubereiten, müsse der Wald gestärkt werden. Der NABU fordert eine kleinräumige Waldbewirtschaftung. Alte Waldbestände dürften nicht kahlschlagartig abgeräumt, sondern nur einzelstamm- oder gruppweise geerntet werden. Das gelte insbesondere auch für die heimischen Buchenwälder. NABU-Waldreferent Johannes Enssle: „Wir Förster sollten beim Waldbau vom lieben Gott lernen: In natürlichen Buchenwäldern gibt es keine Kahlschläge.“ So genannte „flächige Räumungen“ beeinträchtigen nach NABU-Angaben das Waldinnenklima, so dass Hitzeperioden schlechter ausgeglichen werden können. Im Koalitionsvertrag sei zwar festgeschrieben, auf Kahlschläge zu verzichten, in den Waldbau-Richtlinien des Landes sei das jedoch noch nicht angekommen. „Beim Waldbau steht die Ampel deshalb noch auf gelb-rot“, sagt Enssle.
Ein weiteres Problem seien die vielerorts zu hohen Wildbestände. „Seltenere Baumarten wie Elsbeere oder Bergahorn, aber auch Eiche und Tanne sind Hoffnungsträger im Klimawandel. Sie werden wegen der hohen Wildbestände jedoch viel zu oft von Rehen verbissen und haben kaum eine Chance hoch zu kommen. Man nennt das ‚Waldsterben von unten‘“, sagt Enssle. In einem klimafesten Wald müssten sich jedoch auch Nebenbaumarten natürlich verjüngen können – und zwar auf der gesamten Waldfläche. Der NABU fordert, die derzeit anstehende Novelle des Landesjagdgesetzes zu nutzen, um das Gesetz wald- und naturverträglicher zu gestalten. Das Jagdgesetz wäre damit ein wichtiger Baustein für eine Klimaanpassungstrategie.
NABU-Waldexperte Enssle kritisiert außerdem, dass im Wald zu oft Symptome statt Ursachen bekämpft würden. So gelange über die Luft viel zu viel Stickstoff in den Wald. Während Stamm und Krone aufgrund dieses Überangebots kräftig zulegen, stagniert das Wachstum der Wurzel, weil andere Nährstoffe fehlen und der Boden versauert. Die Bäume werden krank. Die hohen Stickstoffeinträge stammen aus dem Verkehr und aus überdüngtem Ackerland.
„Statt jedoch entschieden gegen die Überdüngung unserer Landschaft vorzugehen und schadstoffärmere Autos zu bauen, wird tonnenweise Kalk in den Wald gekippt, um die Versauerung der Waldböden auszugleichen“, kritisiert Enssle. Zumal durch die Kalkung das Grundwasser mit Nitrat belastet, Nährstoffe aus dem Boden ausgewaschen und Bodentiere geschädigt würden. Der NABU fordert bei der aktuell anstehenden Reform der EU-Agrarpolitik eine Stickstoffreduktion. „Es ist ein Unding, dass die Umweltverschmutzung durch eine industrielle Landwirtschaft mit Steuergeldern subventioniert wird“, sagt Enssle.
Quelle
© Franz Alt 2012