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Warum uns die Energiewende zu Gewinnern macht

Im Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ erklärt Franz Alt, warum uns die Energiewende alle zu  Gewinnern macht.

Sie sind Jahrgang 1938. Seit wann sind Sie für den Schutz unserer Umwelt aktiv? Gab es dazu einen konkreten Anlass?

Mein Schlüsselerlebnis war Tschernobyl. Damals war ich braves CDU-Mitglied und habe (fast) alles geglaubt, was uns die Obrigkeiten erzählt haben von der „sicheren Atomenergie“. Dann passierte der GAU und endlich begann ich selbst, gründlich zu recherchieren. Seither weiß ich, dass es kein einziges zu hundert Prozent sicheres AKW gibt, sondern immer ein Restrisiko, also ein Risiko, das uns jeden Tag den „Rest“ geben kann. Alle 10.000 Jahre s o l l t e etwas passieren. Alle zehn Jahre  i s t  etwas passiert. So schnell vergeht die Zeit, wenn man aufpasst. Nach Fukushima kann jeder und jede erkennen, dass Atomenergie ein Verbrechen an der Schöpfung und an unseren Kindern und Enkeln ist.

Der Umweltschutz hat sich im Lauf der Jahre verändert. Worin sehen Sie Chancen und Risiken?

Früher war Mülltrennung das Thema Nummer eins. Aber das ist lediglich nachsorgender Umweltschutz. Wichtiger ist jedoch vorsorgender Umweltschutz und Klimaschutz. Also Müllvermeidung und Vermeidung von CO2, das Haupttreibhausgas.  Das heißt: Wir müssen konsequent eine komplett CO2-freie Energiepolitik ansteuern. Also alle Energieverbräuche aus Sonne, Wind, Wasser, Bioenergie und Geothermie. 2013 sind wir im Strombereich am weitesten: 25 % wird bereits erneuerbar erzeugt. Und bei Solarstrom ist Bayern Weltmeister. In Bayern allein wird mehr Solarstrom erzeugt als in den gesamten USA zusammen. Die Energiewende ist eine große Chance auch für die Wirtschaft. Denn hier entstehen eine Million neue Arbeitsplätze und Deutschland hat einen riesigen Exportschlager in die ganze Welt.  Kohle, Gas, Öl und Uran gehen überall zur Neige. Und erneuerbare Ressourcen sind überall vorhanden. Aber Deutschland ist Weltmeister bei den erneuerbaren Technologien. Die Risiken liegen weitgehend in der unsteten Politik, was die deutsche Solarbranche zurzeit in große Schwierigkeiten gebracht hat.

Ihnen wurden zahlreiche Auszeichnungen zuteil. Wie wichtig sind Ihnen Preise wie der Bambi, die Goldene Kamera oder der Umweltpreis der deutschen Wirtschaft?

Das hilft natürlich, die Botschaft in allen Medien glaubwürdig weiter zu verbreiten.

Was macht Ihnen mehr Spaß, interessierte Zuhörer mit Ihren Referaten zu informieren oder Regierungen und Konzerne zu beraten?

Beides ist wichtig. Da ich aber weiß, dass die erneuerbare Energiewende nur dezentral und von unten funktioniert, halte ich lieber Referate als dass ich berate.

Wie sinnhaft sind Ihrer Meinung nach Weltklimagipfel, wenn augenscheinlich am Ende nichts Zählbares zu Tage tritt?

Die bisherigen 18 Weltklimagipfel verliefen nach den Regeln der UNO und das heißt, dass immer der Langsamste das Tempo bestimmt. Es gab immer nur einen wirklichen handfesten Beschluss: Den Termin für den nächsten Gipfel. Solange die Supermächte USA und China zu den großen Bremsern gehören, kann auf diesen Gipfeln wenig herauskommen. Deshalb sind nationale Alleingänge das beste Mittel, andere zu überzeugen. Denn keiner will technologisch zurückfallen.

In Ihren Vorträgen gehen Sie immer wieder auf diesen Schatz ein. Welche Bedeutung hat die Sonne für Sie persönlich?

Ohne Sonne kein Leben. Wenn die Sonne nur drei Wochen nicht schiene, wäre alles Leben tot, auch ich. Aber ich lebe sehr gerne. Es gäbe ohne Sonne  keine Tiere mehr, keine Pflanzen und auch keine Menschen, weil wir ohne Sonne schon nach wenigen Wochen eine Temperatur von minus 270 Grad hätten. Diesen Zusammenhang zwischen Erde und Sonne haben wir vergessen. Heute verbrennen wir an  e i n e m  Tag so viel Kohle, Gas und Öl wie die Natur in einer M i l l i o n  Tagen geschaffen hat. Das heißt: Wir verbrennen die Zukunft unserer Kinder in der Relation eins zu einer Million mal. Die Sonne aber schickt uns jede Sekunde unseres Hierseins  15.000 mal mehr Energie als zurzeit alle Menschen verbrauchen. Von Natur aus gibt es also gar keine Energieproblem. Hinzu kommen dann noch die Windkräfte, die Wasserkraft, die Erdwärme, die Wellenergie der Ozeane und die Bioenergie. Wir haben alles, was wir brauchen und zwar für alle Zeit und auf allen Kontinenten. Und das Ganze noch preisgünstig, weil Sonne und Wind keine Rechnung schicken. Wir müssen uns nur öffnen für die Angebote der Natur.

Ihr neues Buch hat den Titel „Auf der Sonnenseite – Warum uns die Energiewende zu Gewinnern macht“. Befinden wir uns mit der Energiewende tatsächlich schon auf der Sonnenseite des Umweltschutzes?

Noch sind wir am Anfang einer wirklichen Energiewende, aber wir kennen bereits alle Technologien, die wir für die komplette Wende brauchen. Es gibt also keine Ausreden mehr, sondern nur noch Bedenken derer, die sich nicht ausreichend informieren. Ich zeige in meinen Vorträgen und in meinem neuen Buch Beispiele aus der ganzen Welt, die deutlich machen, dass es geht und wie es geht. Und ich zeige auch, dass wir alle gewinnen werden, auch ökonomisch. Denn die Investitionen von heute sind die Kostenersparnisse von morgen. Wir können pro Jahr 90 Milliarden Euro sparen, die wir heute den arabischen Ölscheichs und den russischen Gasbaronen überweisen. Nichts wird so teuer wie der ungebremste Klimawandel mit hunderten Millionen Klimaflüchtlingen.

Stimmen Sie Expertenmeinungen zu, dass das Ende der fossilen Energieträger absehbar ist? Dänemark hat beispielsweise bereits darauf reagiert und seit diesem Jahr für Neubauten ein Verbot von Öl- und Gasheizungen durchgesetzt.

Den Höhepunkt der Ölforderung haben wir global schon überschritten. Es wird nur noch halb so viel gefunden wie heute gefördert wird. Das aber heißt: Es gibt nie mehr billiges Öl oder Benzin. Aber auf den Tag, an dem Öl und Benzin zu Ende ist,  ist heute noch keine Industrienation wirklich vorbereitet. Aber Dänemark und Österreich sind bei der Energiewende weiter als Deutschland.

Werden wir stattdessen zukünftig 40 Prozent der Energie dezentral, 60 Prozent zentral über riesige Solaranlagen in der Wüste und Offshore-Windkraftanlagen herstellen?

Technisch wäre das möglich, aber das wäre unnötig teuer. Bayern und Baden-Württemberg brauchen zum Beispiel keinen Windstrom aus der Nordsee – auch in Süddeutschland bläst ausreichend Wind. Wenn ich Windstrom aus Norddeutschland nach Süden über riesige Überlandleitungen transportiere, wird Windstrom doppelt so teuer als wenn ich den Windstrom dort produziere wo ich ihn brauche. Genau so wenig brauchen wir Wüstenstrom aus der Sahara ür Deutschland. Es ist doch absurd, den Strom über dreitausend Kilometer aus Afrika hierher zu transportieren und in Deutschland stehen die Dächer umsonst in der Gegend herum. Also Dächertec statt Desertec! Auch in Bayern haben die meisten Häuser noch keine Solaranlagen. Strom dort zu produzieren wo ich ihn brauche, ist immer preiswerter als ihn durch lange Leitungen zu schicken. Die Sonne scheint auch in Deutschland auf jedes Dach und an die meisten Hauswände.

Der sparsame und effiziente Umgang mit Energie ist unverzichtbar. Das Beste ist, wenn wir sie erst gar nicht verbrauchen. Würden Sie die von Zukunftsforschern propagierten Energieassistenten befürworten?

Ich habe  schon in den Neunzigern des letzten Jahrhunderts in der ARD Energieszenarien der Europäische Kommission gezeigt, nach denen wir etwa 60 % der bisherigen Energieverbräuche intelligent wegsparen könnten und den Rest erneuerbar produzieren. Energieassistenten können helfen, dieses Ziel schon in etwa 20 Jahren zu erreichen. Bis 2030 kann Deutschland und Europa zu 100 Prozent erneuerbar sein. Durch drei Strategien: Durch Energiesparen, durch Energieeffizienz und durch erneuerbare Energien. Das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz, das EEG,  zeigt dazu den Weg. 67 Länder haben dieses Gesetz inzwischen übernommen, darunter die Milliardenvölker Indien und China und 18 EU-Staaten.

Das Ziel scheint also klar. Und dennoch haben die Verbraucher das Gefühl, dass der politische Weg dorthin unklar ist. Wäre ein verlässlicher Masterplan beispielsweise für die Energiewende ein Lösungsansatz?

Zur Zeit hat die schwarz-gelbe Bunderegierung überhaupt keinen Kompass für die Energiewende. Wirtschaftsminister und Umweltminister blockieren sich gegenseitig. Die Kanzlerin will in die richtige Richtung, aber sie muss ständig ihr Umweltpersonal auswechseln. Auch Herrn Altmaier wird das Schicksal von Herrn Röttgen nach der Bundestagswahl nicht erspart bleiben.

Im thermischen Bereich steckt die Energiewende aber noch in den Kinderschuhen. Was ist zu tun?

Wir brauchen endlich parallel zum EEG-Stromgesetz ein erneuerbares Wärmegesetz. Es gibt auf diesem Feld immer Streit zwischen Bund und Ländern über die Finanzierung. Das muss nach der Bundestagswahl politisch endlich geregelt werden, damit wir die Erfolge beim erneuerbaren Strom auch bei der erneuerbaren Wärme und bei der Energieeffizienz ernten können.

Es heißt „Wissen ist Macht“! Wann wird das Schulfach „Umweltschutz“ flächendeckend eingeführt, um das Wissen über unseren Lebensraum in der Gesellschaft zu implementieren?

Umweltschutz ist fächerübergreifend. Er gehört in den Biologieunterricht  ebenso wie in Erdkunde und Gemeinschaftskunde und in den Religionsunterricht. Das Wort von der Bewahrung der Schöpfung darf kein leeres Gerede sein. Jesus in der Bergpredigt: „Die Sonne unseres himmlischen Vaters scheint für Gerechte und Ungerechte.“ Welch ein Hinweis auf die Kraft der Sonne und auf ein neues Solarzeitalter. Das gesamte Neue Testament ist voll von großartigen ökologischen Bildern wie ich in meinem Buch „Der ökologische Jesus“ aufzeige.

Angenommen Franceso Altini könnte die ganze Welt verzaubern. Was würde er als erstes tun?

Gerade als Zauberer weiß ich, dass Politik nicht zaubern kann. Ich werde mich aber weiterhin weltweit dafür einsetzen, dass das deutsche EEG in noch mehr Ländern Nachahmer findet.

Quelle

Das Interview von Marcus Barnstorf ist in der „Augsburger Allgemeinen“ erschienen.


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