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Weihnachtsbrief 2012 von Bischof Martin Happe aus Mauretanien

„Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt.“ Lukas 3,6

Liebe Freunde in der Heimat,

unlängst war ich mit Schwester Mia auf dem Weg nach Rosso im Süden von Mauretanien. Ich hatte dort zu tun und sie wollte die Gelegenheit nützen, sich bei einer befreundeten Familie zu verabschieden. In der Tat war sie nach 10-jähriger Präsenz in Mauretanien nach Algerien ernannt, was uns unterwegs Rückblick halten ließ. Irgendwie kamen wir dazu, über Erfahrungen mit Muslimen zu sprechen, die so gar nicht in die Klischees passen wollen, die Presse und Fernsehen uns glauben machen wollen. Ich habe zu dem Gespräch mit zwei Anekdoten beigetragen, die sich am Flughafen in Nouakchott ereignet haben. Die spontane Reaktion von Schwester Mia war, mich aufzufordern, das im nächsten Weihnachtsbrief zu erzählen. Hier also die zwei Geschichten!

Die erste hat sich ereignet zu dem Zeitpunkt, als die Leute sich in Frankreich die Köpfe heiß geredet haben über die Zulässigkeit, in der Öffentlichkeit Zeichen zu tragen, die eine Religionszugehörigkeit erkennen lassen wie Kopftücher, Ordenstracht und dergleichen. Wie das Vielreisenden öfter passiert, hatte das Flugzeug, das ich nehmen sollte, Verspätung. Da mir die Zeit lang wurde, habe ich mein Buch aus der Hand gelegt und bin ein wenig in der Abflughalle auf und ab gegangen. Da kam ich dann auch an einem älteren Mauretanier mit einem weißen Rauschebart vorbei, Er strahlte mich förmlich an mit seinem Lächeln, so dass ich stehen geblieben bin, um ihn zu fragen, was ihn zu solch einem Lächeln bewege. Er war recht leutselig und hat mir verschmitzt erklärt: „Sie haben Glück, dass Sie in Mauretanien sind! In Frankreich dürften Sie Ihr Brustkreuz nicht in der Öffentlichkeit tragen. Hier, in der Islamischen Republik Mauretanien, haben Sie das Recht dazu!“ Wie immer, trug ich mein kleines Holzkreuz, das mir mein Vorgänger bei meinem ersten Mauretanienbesuch im August 1995 geschenkt hat.

Die zweite Begebenheit spielt sich am gleichen Ort ab und es dreht sich wieder um das kleine Holzkreuz, das ich an einem Lederriemchen zu tragen pflege. Unser Flug war aufgerufen worden, und ich passierte, wie die anderen Passagiere, eine letzte Polizeikontrolle, bevor es zum Flugzeug ging. Als ich vor dem diensthabenden Polizisten herging, nahm er (ein Muslim!) voller Respekt mein Kreuz in beide Hände, fuhr sich dann mit den Händen übers Gesicht und sagte mir gleichzeitig: „Herr Bischof, kommen Sie bald wieder!“

Es gibt ganz gewiss in Mauretanien Muslime mit Scheuklappen, denen es nicht einfallen würde, freundlich mit einem katholischen Bischof zu sprechen. Ja, es gibt Mauretanier, die ganz bewusst ihren Blick abwenden oder wenig freundliche Kommentare von sich geben. Aber nach 17 Jahren in diesem vom Islam geprägten Land muss ich sagen, dass die Mehrzahl der Menschen, mit denen ich tagtäglich zu tun habe, eher so handeln und reden würde, wie mein Herr mit Rauschebart und der Polizist, oder aber wie der Gärtner Ibrahima, zu dem Schwester Mia unterwegs war. Das Leben dieser Familie hatte sie mehrere Wochen geteilt, um Wolof zu erlernen, eine der in Mauretanien gesprochenen Sprachen. Verständlich, dass sie dort für ihren Abschiedsbesuch mit Freude aufgenommen wurde.

Das Verhalten dieser Mauretanier kann uns vielleicht einladen, unser eigenes Verhalten kritisch zu betrachten. Haben wir nicht oft die Reaktion, allem, was fremd ist und jedem Fremden zu misstrauen?

Nächste Woche feiern wir Weihnachten, wir Christen feiern die Menschwerdung Gottes! Gott hat menschliche Gestalt angenommen, ist Jude geworden im von Römern besetzten Palästina vor 2000 Jahren. Da gehörte es sich nicht, sich auf die heidnischen Besetzer einzulassen. Er hat es getan und den kranken Sklaven des Hauptmanns von Kafarnaum geheilt. Da sprach man nicht mit Samaritern und schon gar nicht mit deren Frauen. Er hat die Samariterin an einem Brunnen um einen Trunk Wasser gebeten und damit deren ganzes Leben umgestülpt. Da war das „Heil“, das von Gott erwartet wurde, für Juden reserviert. Er hat die Tochter der Kananäerin geheilt. Da waren Pharisäer (Geistliche) respektiert und Zöllner (Steuereinnehmer der Besatzungsmacht) verachtet. Er hat Matthäus, einen Zöllner zum Apostel berufen und hat sich bei Zachäus, einem anderen hochgestellten Zollbeamten, zum Mittagessen eingeladen. In diesen und vielen anderen Begebenheiten, von denen uns in den Evangelien berichtet wird, lässt er sichtbar werden, was der Prophet Jesaja verkündet hat: Gott will das Heil aller Menschen!

Es liegt nur an uns, diese Sichtweise Gottes anzunehmen! Ich bin überzeugt davon, dass wir bereichert werden durch unvoreingenommene Begegnungen mit Menschen aus anderen Kulturräumen in unserer Nachbarschaft oder auf unseren Reisen! Wir werden uns nicht mehr so leicht einen Bären aufbinden lasse, wenn Presse und Rundfunk uns weismachen wollen, dass alles, was fremd oder anders ist auch feindselig und rückständig ist. Scheuklappen, Fundamentalismus und Fremdenhass haben immer schon viel Unheil und Unfrieden gebracht und werden auch unsere Zeit nicht heilen. Ich wenigstens glaube, dass es heutzutage lebenswichtig ist für jeden einzelnen von uns und für unsere Gesellschaft, anzunehmen, dass wir als Menschheit alle in einem Boot sitzen und dass wir dieses Boot nur in gegenseitigem Vertrauen heil durch die Klippen bringen können, die uns bedrohen.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten und ein Neues Jahr voller bereichernder Begegnungen wünscht Ihnen Ihr Martin Happe – Bischof von Nouakchott

  • Konto : Afrikamissionare – Weiße Väter Köln / Hypo-Vereinsbank Köln Nr. 3703088, BLZ 370 200 90
  • Vermerk: „Missionsarbeit Bischof Happe“ – Eine Spendenquittung wird Ihnen zugesandt.
Quelle

Martin HAPPE 2012Bischof von Nouakchott/Mauretanien

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