Wenn Algen das Riff erobern
In den Riffen der Tropen konkurrieren Algen und Korallen miteinander um einen geeigneten Lebensraum.
Steinkorallen dominieren in einem gesunden Riff, Algen trifft man dort seltener an. Intensive Küstenfischerei und die Einleitung nährstoffreicher Abwässer ins Meer können jedoch dazu führen, dass sich dieses Verhältnis ändert. Forscher der Arbeitsgruppe Korallenriffökologie des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenökologie (ZMT) untersuchten jüngst die Auswirkungen von Überfischung in den Riffen vor der ägyptischen Küste des Roten Meeres.
Fädige Turfalgen und fleischige Makroalgen siedeln im Riff bevorzugt auf festem Grund wie abgestorbenen Steinkorallen oder Steinen. In Schach gehalten werden sie durch sogenannte Weidegänger: vor allem Fische, wie Papagei-, Doktor- und Kaninchenfische, und Seeigel knabbern die Algen von den Korallen ab. Fehlen diese Algenfresser, können sich die Algen unkontrolliert im Riff verbreiten.
Um Überfischung zu simulieren, stellten der Riffökologe Christian Jessen und seine Kollegen in einem Saumriff des Roten Meeres zwei Arten von Käfigen auf: nach oben offene, die Seeigel, aber keine Fische fernhalten sollten, sowie geschlossene, die alle größeren Weidegänger aussperrten. Nach vier Monaten fanden die Riffforscher in den geschlossenen Käfigen eine Algenmasse, die um ein 17faches höher war als auf frei zugänglichen Vergleichsflächen und auch die Algenmenge in den halboffenen Käfigen um ein Vielfaches übertraf.
Erstmalig beschreibt die Forschungsarbeit quantitativ den Einfluss von verschiedenen Weidegängern im Roten Meer. „Wir fanden in den Käfigen auch zwei Braunalgenarten, die sonst nicht im Riff anzutreffen waren“, berichtet Christian Jessen, „sie könnten sich daher als Indikatoren für Überfischung von Weidegängern eignen, ein Problem, das in den Tropen weit verbreitet ist“.
Wuchernde Algenteppiche sind jedoch für ein Riff lebensbedrohlich. Sie überschatten die Korallen, entziehen dem Wasser Sauerstoff und besetzen freie Flächen im Riff, auf denen sich sonst die Larven der Korallen ansiedeln. Die Forscher vermuten zudem, dass die Algen durch das Ausscheiden von Nebenprodukten ihrer Photosynthese, vor allem Zucker, das Wachstum von bestimmten Bakterienarten ankurbeln. Dadurch gerät eine ausgewogene Lebensgemeinschaft aus dem Gleichgewicht, denn eine Koralle ist ein kleiner Mikrokosmos: im Polypengewebe tummeln sich neben symbiontischen Algen auch Bakterien, Viren und Pilze, die wichtige Stoffwechselfunktionen übernehmen.
Die Saumriffe des Roten Meeres gedeihen unmittelbar vor der Küste und bieten damit einen einfachen Zugang. Fischer haben hier ein leichtes Spiel. In der Tat fanden sich im Sortiment der Fischverkäufer im ägyptischen El Quseir viele Algenfresser wie Meeräschen und Kaninchenfische. „Bevölkerungswachstum und die boomende Tourismusbranche in der Region werden die Nachfrage nach frischem Fisch vermutlich noch steigern“, meint Christian Jessen. Ein veralgtes Riff, wie es an vielen Küsten der Tropen bereits anzutreffen ist, verliert jedoch seinen Artenreichtum und damit seinen ästhetischen und ökonomischen Wert.
Publikation:Jessen, C., Wild, C. (2013) Herbivory effects on benthic algal composition and growth on a coral reef flat in the Egyptian Red Sea. Marine Ecology Progress Series, 476, pp. 9-21.
Quelle
Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie 2013